Der Vollständigkeit halber noch meine persönliche Einschätzung zum Thema "Biken", unabhängig von Gesetzeslagen, weil es ja doch einige zu interessieren scheint:
Wir haben zwei Wochen lang ein bisschen von allem gemacht. Wanderwege, Levadas, angelegte Biketrails, quer über die Insel.
Unterwegs waren wir "individuell" in kleiner Gruppe zu dritt, selbst geplant, selbst organisiert. Quellen: Kompass-Karte, OSM, Trailforks, Rother Wanderführer, Wikiloc, Wanderwegsinfos der Tourismusbehörde (
visitmadeira.pt),
@stuntzi , Augen offenhalten vor Ort (Bikespuren in Lehm sind gut sichtbar)
Zu den Wanderwegen: viele davon sind wenig tauglich zum Biken, beziehungsweise rein auf den Bikespaß bezogen ein eher fragliches Vergnügen, da hat
@RockyRider66 durchaus Recht, und selbiges habe ich ihm im Vorfeld auch selbst gesagt, weil man es einfach nicht beschönigen kann. Das bezieht sich vor allem auf viele Wege, die vom Hauptkamm am Ruivo bzw. von der Serra do Paul Hochebene nach Norden runter gehen. Das meiste davon ist mit Stufen-Massakern zugekleistert, quasi dauerfeucht, die Nebenwege teilweise gestrüppig zugewuchert, und bisweilen auch extrem steil. S3/4 ist da keine Seltenheit. Mir war es teilweise einfach viel zu viel der Stufen, man fährt irgendwo optimistisch rein und die Treppe vor einem nimmt kein Ende, auch nach der nächsten und übernächsten Kehre nicht, wird immer steiler dabei, und irgendwann kann man den Lenker und die Bremse nichtmehr halten und kriegt einen Hass ob der Rüttelei. Es ist zwar vieles fahrbar, aber schön fand ich es trotzdem selten... und dabei hab ich schon einen ziemlichen Stufen-Fetisch wie ihn wohl wenige Leute haben, wenn ich den nicht hätte, würde meine Beurteilung wohl noch wesentlich schlimmer ausfallen
Die beiden Kamm-Wege vom Arieiro her kommend zur Ruivo Hütte, bzw. von Teixeira zur Bocca Encumeada machen mit Rad auch reichlich wenig Sinn, auch wenn sie sehr gut ausgebaut und vollständig gepflastert sind. Auf beiden schleppt man das Rad die Hälfte der Zeit Treppen hoch. Die andere Hälfte würgt man sich Treppen wieder runter, selbige oft auch fies steil und hoppelig S3 aufwärts. Dabei ist selbst zur Nebensaison sehr viel Wanderverkehr, und da der Pflasterweg oft zu beiden Seiten mit Geländer eingekerkert und auch nicht so breit ist, muss man mit Rad recht vorausschauend agieren und teilweise lieber auch mal etwas länger warten an einer Stelle, wo man gut aneinander vorbei kommt. Viele Wanderer denen wir auf dem Arieiro Kammweg begegnet sind hatten auch trotz Geländer "Probleme" mit den Abgründen nebenan, auch das muss man berücksichtigen und respektieren wenn man sich mit Fahrrad aneinander vorbeizwängen muss. Ein Rad macht eigentlich nur Sinn, um darauf am anderen Ende des Kammwegs zurück oder runter zu fahren, auf dem Kammweg selbst wäre man ohne besser bedient.
Etwas anders stellen sich die Küsten-Wege dar, die an einigen Stellen zum Meer runter gehen. Selbige sind bis auf wenige Ausnahmen mit typischem Madeira-Treppen-Pflaster belegt. Das hoppelt nicht so fies wie die Treppenwege vom Kamm runter, weil die Stufen im Pflaster eher als runde Wellen angelegt sind. Und es ist auch oft großzügige 2m breit. Steil ist es aber oft immer noch, teilweise sogar ziemlich abartig steil. Im Gegensatz zu den Dschungel-Wegen trocknet das aber im offenen Gelände gut ab und die Pflastersteinchen sind kantig genug, so dass man sich da über Grip nicht beschweren muss. Biketechnisch fand ich es allerdings teilweise langweilig. Die freie Aussicht an der Küste ist es halt, die es rausreißt, das reine Vergnügen auf dem Trail finde ich auch hier eher fraglich.
Natürlich gibt es auch Ausnahmen, also ein paar Wanderwege, die mit dem Bike wirklich Spaß machen und abwechslungsreich sind und nicht nur eine dauerhafte dumme Hoppeltreppe sind, aber die sind nach meinem Eindruck eher die Seltenheit und nicht die Regel.
Meine Einschätzung zu Levadas als eigene Untergruppe von Wanderwegen hab ich weiter vorne schon geschrieben, das lasse ich jetzt aus.
Landschaftlich sind die meisten Wanderwege ein Knaller, selbst dort wo man im dichten Dschungel steckt, einfach weil die Vegetation schon absolut anders ist als das, was man sonst so kennt. Rein dafür lohnt es sich. Wenn man sich keinen besonderen Bikespaß erwartet, sondern sich auf die Landschaft oder den Dschungel konzentriert und halt zufällig ein Rad dabei hat, dann ist es "trotzdem" gut.
Dass die Wanderwege ein eher zweifelhaftes Vergnügen sein könnten, war uns im Voraus schon bewusst, bzw. hatten wir sowas befürchtet.
Wovon ich wirklich enttäuscht war, waren die Biketrails, vor allem weil man darüber ja fast nur das Allerbeste hört und daher auch meine Erwartungen entsprechend waren. Vielleicht bin ich verwöhnt
aber ich fand sie einfach bis auf wenige Ausnahmen todlangweilig und nicht besonders kreativ, flüssig oder anspruchsvoll angelegt. Die meisten die wir gefahren sind waren einfach uninspiriert in die Landschaft gefräste Lehmspuren mit mal ein paar kleinen Steinchen oder mal einem Sprüngchen drin. Was mir persönlich gefallen hat: es gibt quasi keine obligatorischen Sprünge, sondern das meiste ist entweder abrollbar oder umfahrbar, wenn man nicht springen will. Ansonsten sind es halt auswechselbare, beliebige Schredder-Trails, wie man sie an jedem anderen Ort der Welt so oder besser finden kann, meistens in den flacheren Hängen und in den eher "normalen" Wäldern und Buschzonen, sprich für's Auge ist auch nicht so besonders viel geboten. Und auch auf die Gefahr hin, mich jetzt bei einigen Leuten in die Nesseln zu setzen: rein vom Spaßfaktor her gibt's an unserem Haushügel einiges, was mit mehr Anspruch und Flow gebaut ist und mir mehr Bikespaß beim "schreddern" bringt als die von professionellen Trailbuildern angelegten hochgelobten Madeira-Biketrails. Von den Biketrails in den Alpen jetzt mal ganz zu schweigen. Besonders toll gepflegt fand ich sie auch nicht, es war doch vieles einfach total zerbombt, bremswellig und rinnig erodiert, und bei den nicht ganz so zerbombten Tracks, die augenscheinlich zwar benutzt wurden, aber nicht von ganz so vielen Leuten, hat man dann auch ziemlich schnell ein Macchia (Stechginster) Problem *aua*
Ein paar löbliche Ausnahmen gibt es natürlich auch hier wieder: der Porto Cruz Trail hat es z.B. sogar in meine Top-3 der Insel geschafft, weil der mal wirklich gut und sehr flüssig gebaut ist und trotzdem Anspruch, Nervenkitzel und auch die Optik nicht zu kurz kommen.
Im Gegensatz zu den Wanderwegen kann man auf den Biketrails halt einfach vernünftig Fahrradfahren ohne ständige Absturzgefahr, ohne dummes Geländer das zu eng neben der Betonrinne gebaut ist, ohne sich über zu blöde Treppen aufzuregen, ohne vor lauter Steilheit nicht mehr
bremsen zu können, und ohne alle Nase lang einem Wanderer Platz machen zu müssen. Und man kommt dort mit einem Shuttlefahrzeug hin ohne vorher sein Fahrrad über tausend Treppenstufen hochzuschleppen.
Deswegen würde ich genau wie
@RockyRider66 jedem, der einfach nur Fahrradfahren will raten, sich an diese gebauten Trails, und eben gegebenenfalls auch einen Shuttleanbieter, zu halten. Hier gilt dann halt nur leider das Gegenteil von den Wanderwegen: meistens sieht man nix Besonderes, wenn man nur die Biketrails abarbeitet und die Wanderwege auslässt (man muss sie ja nicht unbedingt mit einem Fahrrad machen), dann verpasst man leider das Schönste an der Insel.
Wie immer: die Mischung macht's
Wer auf Madeira nur mit einem Anbieter shreddert, der tut mir leid. Wer sich nur auf Wanderwegen und Levadas einen mit dem Fahrrad abwürgt, ebenso. Ich finde, wenn man schon extra da hin fliegt, dann sollte man alles mal irgendwie gemacht haben. Ob man alles mit einem Fahrrad gemacht haben sollte, lass ich jetzt mal dahingestellt, das hängt von der Fahrrad-Meise jedes einzelnen ab.