Vielen Dank an die Redaktion für den objektiven Bericht.
Ich hoffe, ich habe es nicht überlesen, ansonsten würde ich noch etwas elementares ergänzen.
Dropbars, Gravelpellen und Starrgabeln kann man auch an jedes 29er MTB packen. Auch die "Gravel-Geometrien" bestehen nur aus Variablen, die sich, je nach Auslegung, oder zumindest historisch betrachtet, auch bei MTBs wieder finden. Das sind alle keine wirklichen Alleinstellungsmerkmale.
Der eigentliche Unterschied eines echten Gravel-Bikes zum 29er ist der Rahmen mit seinem Clearance-/Q-Factor.
Denn am 29er kannst du mindestens 2.4" Reifen auf 28"/29" Felge fahren, und auch mal einen zweiten 28"/29" LRS mit schmaler Felge und Gravelbereifung.
Beim vom Rennrad abgeleiteten Gravelrahmen besteht dieser Spielraum nicht. Warum? Weil RR-Tretlagerbreite traditionell schmaler ist, um die Pedale näher beieinander zu bringen, der Q-Factor. Damit eine 175er Kurbel dann nicht an der Kettenstrebe stößt, ist der Hinterbau eines RR- und Gravel-Rahmens schmaler. Konsequenz: Alle Reifen über 1.5" werden in der Regel mit 27.5" Felgen gefahren, damit der breite Reifen noch in den Hinterbau passt. Dieser Q-Factor erzeugt auch eine "Ketten"-reaktion: Die Kettenlinie ist eine schmalere, daher ist man an Road-orientierte Schaltgruppen gebunden, die wiederum mit viel Trail-Dreck oder mit Aufsetzern nicht so gut klar kommen. Auch ist bei Road/Gravel 1x Schaltgruppen die Gear-Range nicht wirklich so breitbandig wie beim MTB.
Diese Faktoren ergeben erst mal Tendenzen:
Gravelrahmen mit Road-Q-Faktor:
- Will man mehr als 1.5“ Reifen, bleiben üblicherweise nur 27.5 Felgen, und somit schlechtere Überrolleigenschaften gegenüber dem 29er.
- Auch die 1x Gear-Range von Road-Schaltgruppen bzw. der GRX ist nicht so breitbandig, für eine MTB-vergleichbare Gear-Range werden vorne zwei Kettenblätter nötig
Das ist alles kein Problem, wenn man als Roadie mal vom Teer runter will.
Aus MTB-Sicht überwiegen aber die Nachteile. Ich verzichte lieber auf den schmalen Q-Faktor, bei dem man sich immer noch streitet, ob er wirklich effektiver ist, und kann dafür mit einem 29-Hardtail alles fahren, ohne wieder 2x fahren zu müssen (schwerer, komplexer, uncleaner), und das je nach Reifenwahl schneller oder komfortabler, alleine schon wegen des Überrollverhaltens eines 29ers.
Wenn es nun wieder heisst, das kann man ja alles umbauen, z.B. zum Monster-Gravel, oder mit Mullet- Drivetrains, ja sogar Flatbar-Gravelbikes gibts inzwischen, dann frage ich mich, warum so ein Bike dann noch eine neue Kategorie benötigt, wenn es eigentlich bis auf den Lenker Mountainbike-Technik hat bzw. emuliert. Wenn man am MTB einen Dropbar will, ist das ein uraltes Thema und schnell gemacht, mit allen Vorteilen des MTBs.
Auf 100 km Teer ist ein Rennrad halt perfekt und unschlagbar, macht man etwas dickere Reifen dran, kann es auch noch auf Schotter und Waldwegen bewegt werden. Um so gemischter und unvorhersehbarer das Terrain auf 100 km, um so eher fällt die Gesamtbilanz zugunsten des Hardtails aus, schon alleine beim Komfort. So nüchtern kann man das sehen, jenseits der Werbebotschaften und Influencer.
Da Radfahrer unterschiedlichste Nutzungsprofile haben, gibt es definitiv auch allerbeste Gründe, das der eine oder andere sich für ein Gravel entscheidet, nur Wunder wird auch diese Bikegattung jenseits des Kerneinsatzbereichs nicht vollbringen.