Das Reisen ist ja nicht etwas, das ausserhalb des Lebens stattfindet. Und so erstaunt es nicht, dass man auch unterwegs mal nach oben getragen und mal nach unten gedrückt wird.
Um es vorwegzunehmen: die Tour, von der ich hier berichten will, war kein rauschendes Fest, und es ist eher unwahrscheinlich, dass
@DaMoasta dieses Mal schreiben wird, dass
man in jeder Zeile merkt, mit wieviel Herzblut und Leidenschaft du auf deinen Touren unterwegs bist und mit welchem Entdeckergeist und welchem Fernweh es dich auf zwei Rädern in die Welt hinaus zieht.
Es gibt Gründe, wieso es dieses Mal eher
nach unten gedrückt lief:
- Die Arbeit! Wir haben eine Langzeitabwesenheit, was in unserem kleinen Team, das eh schon viel zu viel zu tun hat, ziemlich verheerend wirkt. Sich da mehr als eine Woche für ein bisschen Vergnügen davonzuschleichen, geht mit einigen Gewissensbissen einher (und dass man sich wegen der Überlastung mit der Zeit ziemlich ausgelaugt fühlt, muss ich wohl nicht extra erwähnen).
- Österreich! Ich wollte meine Tour von diesem Juni nach Zell am See fortsetzen. Der Westen Österreichs hatte mich ja ziemlich begeistert, aber die Tourplanung weiter gen Osten war ein Gewürge – davon später mehr.
- Das Wetter! Gibt es etwas Schöneres als einen Wetterbericht, der einen massiven Wetterumschwung hin zu Gewittern und massiven Niederschlägen voraussagt? Ich meine: ja

Und dann ist das noch die allgemeine Weltlage, die, wie ich finde, momentan nicht gerade zu einem rauschenden Fest einlädt… Aber sie ist auch nicht so, dass mir ein totaler Rückzug ins Schneckenhaus gerechtfertigt scheint, und so packe ich am ersten Julimittwoch meinen Plunder zusammen. Die Vorbereitung wird von einem schönen Regenbogen begleitet – das ist doch schon mal ein gutes Zeichen
Ich werde wie immer liebevoll unterstützt von meiner Familie, denn sie weiss:
Ich habe bis zuletzt Zweifel, ob ich nicht ausnahmsweise im sicheren Hafen bleiben soll, aber am Ende schleiche ich früh am nächsten Morgen maximal verpennt nach Sion runter.
In Zürich habe ich ein wenig Zeit, bis der Transalpin losfährt.
Der Transalpin, diese entspannte Verbindung von Zürich nach Graz mi den vielen Veloplätzen. Das Cutthie macht es sich gemütlich…
…und ich mir auch. Das ist ja fast wie vor 30 Jahren, als ich mir als Jüngling in verranzten Abteilwagen auf Europas Schienen die Nächte um die Ohren schlug
Ich lege mich eine Weile hin, bis Severin ins Abteil kommt. Er hat sich die Nacht auf der Arbeit um die Ohren geschlagen und ist jetzt auf dem langen Weg in die ostösterreichische Heimat. Er hat drei Bier aus dem Speisewagen im Bauch und eins in der Hand, und er erklärt mir die Geschichte, Geographie und Gesellschaft Österreichs. Das bringt mich tatsächlich im Verständnis dieses für mich doch recht rätselhaften Landes voran, hält mich aber von weiteren Schläfchen ab.
Vor Innsbruck kommt Severin ins Schwärmen:
Landwirtschaftlich-grüne weit-flache Talböden mit ziemlich hohen Bergen ringsum,
das sei doch echt typisch für Österreich und gebe es in der Schweiz nur sehr bedingt. Meinen Einwand, dass das eher ein Pluspunkt sei für die Schweiz, übergeht er geflissentlich, denn er hat inzwischen eine gewisse Bierseligkeit erreicht.
Ab Innsbruck habe ich dann das Abteil wieder für mich. Schlafen mag ich aber nicht mehr, denn Zell am See kommt näher. Ich checke nochmal den Wetterbericht: die massive Schlechtwetterfront hat sich verzögert bzw. verzettelt, und so trage ich Sonnencreme auf, verstaue aber die Regensachen nicht allzu tief in den Taschen.
Und dann bin ich zurück in Zell am See – dieses wurde Minuten zuvor von einem kräftigen Schauer herausgeputzt.
Ich fahre dort los, wo ich vor ein paar Wochen aufgehört habe, und folge auf dem Tauernradweg der Salzach. Nach ein paar Kilometern wird das Tal enger und entsprechend die Kunstbauten mehr.
Nach Lend bin ich leicht irritiert: nebst der
Giselabahn, die mich seit Wörgl immer wieder begleitet, hat es nun ob mir noch eine weitere Bahntrassee. Der Blick auf die Karte verrät, dass es sich um die Tauernbahn handelt.
Ach, die Tauern! Ich habe Wochen an einer Route rumgegrübelt, wie ich diese schönen Berge anständig in meine Route einbauen könnte. Mal visierte ich eine Kombination von Grossglocknerstrasse, Nockbergen und Sölkpass an, aber das war dann doch ein zu grosser Umweg, und vor allem auch zu viel auf zu grossen Strassen - und das während der Hochsaison.
Und so purzle ich denn heute auf dem Tauernradweg weiter, zum Speicher von Brandstatt.
Ich bin wirklich nicht in Form, ausgelaugt von der Arbeit und mit viel zu wenig Schlaf. Da verpassen mir kreuzende Bikepacker einen weiteren Schlag: die kommen mit viel weniger Gepäck aus und sind bestimmt viel schneller als ich. Und so adrett wie die gekleidet sind, bohren die bestimmt nie in der Nase oder kratzen sich am Sack
Entsprechend schleiche ich mit einem Gefühl von Unzulänglichkeit durch Schwarzach und Sankt Johann im Pongau. Im Feierabendverkehr quäle ich mich die recht enge und kurvenreiche Strasse nach Wagrain hoch, im Nacken beständig eine bedrohlich-schwarze Wolke.
Von den Tauern ist bei meiner Route am Ende nur
eine Schlaufe zu den Giglachseen übriggeblieben, denn die sind nur auf Schotter erreichbar und sehen wunderschön aus (und sie scheinen mehr oder weniger legal zu sein). Aber soll ich bei der Form und dem Wetter wirklich dort hoch? Oder nicht doch lieber jetzt ein bisschen vorwärtsmachen und dafür weiter im Osten mehr Zeit haben? Und schliesslich: widerspricht so ein Spickel nicht meinem Verständnis einer perfekten Route, die zwar maximal schön, aber halt auch möglichst direkt sein soll?
Am Ende ich lasse ich das Preuneggtal und die Giglachseen rechts liegen und folge weiter der braunen Enns…
In Schladming mache ich Schluss. Ich folge der Karte zur Jugendherberge, muss dort aber erstaunt feststellen, dass es ich um ein Dreisternehotel handelt. Die Dame an der Rezeption bestätigt mir lächelnd, dass das JUFA-Hotel definitiv keine Jugendherberge sei, und so suche ich mir eine andere Bleibe.
Kaum bin ich angekommen, fängt es an zu schütten.
Ok, das war nicht mein bester Tag auf Tour

Aber ungefähr die Hälfte der knapp 90 km auf regennassen Strassen zu fahren, ohne jemals einen Tropfen von oben abzubekommen – das ist toll
Karte.