[Mittwoch] So, langsam wird es Zeit ans Ende dieses Ausflugs zu denken: ich muss mich mit Musik dopen damit ich noch die Pässe hochkomme, ich führe Gespräche mit meinem Velo, und wenn ich abends im Zelt die Schuhe ausziehe und schnuppere weiss ich, dass ich mir ums Einschlafen keine Sorgen machen muss (ums wieder Aufwachen hingegen schon...).
Na denn, weiter Richtung Süden, zum Col de la Bonette. Auf der Karte ist eine Schotterpiste eingezeichnet, die viel länger scheint als die Passstrasse. Das muss ich mir anschauen!
Tatsächlich, da hat sich jemand viel Mühe gegeben eine Strasse mit ganz wenig Steigung anzulegen. Das habe ich S-charl auch gesehen, der Weg von der Bleimine runter zum Schmelzofen. Hier am Bonette wurde wohl verarbeitetes Metall in Form von Kanonen etc. hochgeschleppt, denn die Gegend war militärisch bedeutend.
Kleiner Fussausflug zum tatsächlich sehr grünen Lac Vert:
This one goes out to the one I love
"Meine" Schotterpiste mit Panorama. Herrlich, so ganz ohne Verkehr!
Zurück auf der regulären Passstrasse schaue ich sehnsuchtsvoll zurück auf die Piste, denn es ist sehr laut und bei der Cime de la Bonette auch echt stinkig - Bergluft auf 2800 müM...
Ich mache sie trotzdem, die Cime. Mal wegen der Aussicht: hier das Tal der Bachelard (Bayasse):
Richtung Nordost. Ich mit meiner Wallisfixierung erkenne sogar das Matterhorn
Und die Fortsetzung des Passes Richtung Vallée de la Tinée:
Die Cime lohnt sich auch wegen der Berardie! Ich zitiere mal Wikipedia: "Die extrem seltene Pflanzenart
Berardia lanuginosa kommt als Endemit nur in den französischen und italienischen Alpen südlich des Mont Cenis vor. Sie gedeiht auf Kalkschutt in Höhenlagen von 1800 bis 2800 Metern. Es handelt sich bei Berardia lanuginosa um eine Reliktpflanze aus der Entstehungszeit der Alpen."
Eine richtige Wohltat in all dem Lärm, Gestank und Getrampel
Von der Cime de la Bonette purzle ich auf einer Schotterstrasse zum Col de la Moutière:
(Ach ja, wo ich gerade dran denke: die Schotterpiste zwischen dem Col de Restefond und dem Col de Raspaillon ist für Velos gesperrt.)
Unter dem Eindruck des Geschehens um die Cime de la Bonette frage ich mich mal wieder: vielleicht sind wir Menschen eben doch die besseren Esel?
Mit einer
Vorderbremsebremssession sause ich die 900 Hm nach
Saint-Dalmas-le-Salvage runter:
Oh, das letzte Schotterpässchen dieser Tour: Col d'Anelle!
Ab
Saint-Etienne-de-Tinée rausche ich der Tinée nach, bis Isola meistens sogar auf bestens ausgebauten Radwegen:
In
Saint-Sauveur-sur-Tinée lege ich mich im Schatten des alten Dorfkerns kurz hin. Es ist heiss hier auf knapp 500 müM... Als ich erwache merke ich, dass ich ein Problem habe: die 60 km ans Meer würde ich heute gerade noch so schaffen, aber ich will ja noch ein bisschen durch die Hügel - und in diesen Hügeln scheint alles ausgebucht. Auf Wildzelten habe ich hier unten nicht so Lust: Waldbrandgefahr, stotzig, Wildschweine, fleischfressende Pflanzen, etc...
Das Hotel in
Saint-Sauveur ist voll, der Camping offiziell zu (aber inoffiziell benützbar), und im Gite d'Etape nehmen sie nur GR5
-Wanderer. Ich erkläre dem Mann vom Proxy-Laden mein Problem. 2-3 Telefonate später bin ich im Gite d'Etape drin
Meine Lehre von dieser Tour: unbedingt mit den Leuten reden (und da wir schon bei den Lehren sind: in Frankreich nie Pizza bestellen - nie, nie, nie!!! Und immer genug WC-Papier dabeihaben...).
Im Gite laden mich junge GR5-Wanderer zu ihrem Essen ein - lecker.
Was mich bedrückt: Brouter sagt mir, dass mein bereits leicht entschärfter Plan für morgen 93 km und 2700 Hm umfasst. Bei dieser Hitze? Und mit meinen schlappen Beinen? Und mit meinem recht vollen Programm für Nizza? Die 60 flach-direkten km durchs Tinée- und Vartal finde ich auch doof, denn es gibt da noch so einen Ort in den Hügeln...
Ich stelle den inneren Wecker mal auf "früh"
Edit:
Karte.
Savièse – Nice (SCNR): Tag 0 - 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 (a-b-c) - 7 - 8 (a) - 9 (a) - hier (a) - 11 (a) - 12