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- 5. September 2013
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Ich wünsche Frohe Ostern!
Das hier wird kein normaler Aufbauthread sondern vielmehr ein kleines Tagebuch über die Entwicklung und Fertigung eines Fahrradrahmens, eines Fahrrades. Gefertigt von einem Ein-Mann-Betrieb der noch gar kein Betrieb ist.
Vor knapp zweieinhalb Jahren wurde ich von einem Kommilitonen meines Studiums nach jahrelanger Abstinenz mit dem Radfahrvirus infiziert.
Ich wollte mir, obwohl sich das ende meines Kunststudiums im Bereich Bildhauerei mit großen schritten näherte und immernoch nähert ein Mountainbike aufbauen. Leider musste ich schnell feststellen, dass dieses Hobby des Mountainbikens extrem teuer ist, weit teurer als ich es von früher in Erinnerung hatte.
Lange Zeit hat es beansprucht, da hatte ich mir ein Rad aus alten, doch guten Teilen aufgebaut, ein Hardtail. Der Rahmen war ein Kona Scrap, da Dirtrahmen, gebaut für die Ewigkeit. Von der bombensicheren Verarbeitung war ich sofort Fan. Leider war die Geometrie nicht so gut als dass ich mich dort richtig wohl fühlen konnte. Nach mehreren weiteren Rahmen, darunter Hardtails und später Fullys konnte ich nie einen finden der mich absolut zufrieden stellte. Obwohl mich ein altes Nicolai Helius von den ganzen Versuchen am allermeisten beeindruckte.
Ich habe dann Artikel über Leute gelesen die sich ihre Rahmen selbst bauten. Stahl, ein Material, dass ich noch von früher aus dem Rennradsport kannte und liebte. Da ich selbst Bildhauer bin und mit Stahl arbeite bin war ich sofort wie Feuer und Flamme. Mehrere Tage des Einlesens später baute ich mir die erste Rahmenlehre. Mehrere Wochen später lötete ich den ersten Rahmen, später die zweiten, dritten etc., später dann für Freunde, für Verwandte.
Allerdings waren diese Rahmen alle Hardtails, Hollandräder bzw. Rennräder. Ich fasste mir ein Herz und stieg inspiriert von dem hier im Forum entwickelten ICB 1 und 2 in das tolle Programm "Linkage" ein. Anfangs überwältigt von der Fülle der Optionen und überrannt von den Parametern auf jene man achten muss, dauerte es Wochen, gar Monate bis ich mich auf ein Design festlegen konnte. 32 ist die Zahl. 32 funktionierende Designs konstruiert. Hunderte weitere Designs durchgespielt und abgewogen.
Vom Horstlink über Shortlink, VPP, DW, Switch suspension, Canfield One Suspension, bis hin zum ICB 2.0 Eingelenker.... abgewogen vorallem zwischen der Effizienz, den theoretischen Merkmalen und vorallem meiner persönlichen technischen Machbarkeit. Das Design sollte so einfach wie möglich zu bauen sein und doch effizient und doch mal etwas Anderes.
Es sollte nicht nur für 29er geeignet sein, nicht nur für Enduro, All Mountain, sondern mit passenden Dämpfer auch für CC, Fatbike oder Touring. Es sollte "plüschig" sein wie ein Canfield, auf die kleinsten Unebenheiten reagieren, aber doch noch ein Stück besser klettern können. Allgemein war das Canfield One, bzw. das Balance die ganze Zeit immer das Vorbild. Leider war eine direkte Kopie nicht möglich, so ist das Design völlig auf 27,5 und 26 Zoll abgestimmt und kann nicht auf 29er übertragen werden ohne dass es sich völlig anders anfühlt.
Nach vielen vielen vielen Stunden des Herumprobierens bin ich dann zu einem Design gelangt, wo ich später feststellen musste dass es Jenes schon gibt. Eine verspätete Parallelentwicklung quasi, die sprichwörtlich am anderen Ende der Erdkugel ihren Ursprung wohl hatte. i-Track. Mit dem Namen kann ich mich aufgrund eines fragwürdigen Elektronikkonzerns zwar nicht anfreunden, mein Design ist allerdings sehr ähnlich.

Was sagt dieses Design aus? Es hat 145mm Federweg. Die Radhebekurve ist genauso stark nach hinten gerichtet wie die vordere Federgabel, dadurch bleibt der Abstand der beiden Radachsen bis 130mm Einfederung praktisch gleich. Durch eben jene Radhebekurve und dem gewählten Anti-Squat Wert dürfte das Design auch auf die kleinsten Kiesel gut ansprechen, mit passendem Dämpfer, versteht sich. Die Dämpferlänge beträgt 216mm. Man kann mit sehr kleinen Änderungen das Einfederverhalten des Designs auch auf 200mm, 190mm oder sogar 165mm Dämpfer abstimmen und erhält so ein Design das ebenfalls auch auf AM, Fatbikes oder CC abgestimmt werden kann.
Das allerdings auch optisch Auffälligste wird wohl die Kettenrolle sein. Jene ist am oberen Link befestigt und verändert seine Lage mit dem Einfedern. So ist man in der Lage das eingebaute Anti-Squat so zu verändern wie man es gerne hätte. Mein Design ist abgestimmt dass man über den ganzen Federweg hinweg einen Anti-Squat Wert erhält der ganz leicht unterhalb der 100% Marke rangiert. Das hilft vorallem beim Klettern. Die Rolle selbst wird aus POM gedreht und wird ca. 20g wiegen.
Ich werde in den nächsten Wochen und Monaten sehr viel zeit an einer Drehbank verbringen, wenn nötig meine neue Rahmenlehre -die ich extra für dieses neue Projekt gebaut habe- verbessern und ein paar Prototypen bauen. Wenn Alles nach Plan verläuft würde ich auch bei entsprechendem Interesse
eine Kleinserie aufstellen. Maßrahmen Fullys aus Stahl mit einem etwas anderen Federungsdesign...
Gebaut wird der Prototyp aus Chrom-Molybdän Stahl. Eine bunte Mischung aus Reynolds und Columbus Rohren sowie passend gedrehtem Vollmaterial.
Die Fügetechnik wird fillet brazing sein. Also hartgelötetes Material. Das Erscheinungsbild der Fügung ist dadurch sehr klassisch und aufgrund des Fehlens von Schweißraupen auch sehr clean. Als Hartlot kommt silberhaltiges Neusilberlot zum Einsatz. Es hat eine weit höhere Zugfestigkeit als z.B. Messing welches sonst benutzt wird, bei gleicher Verarbeitungstemperatur. Einziger Haken: Es ist vier Mal so teuer.
Hier noch ein Paar Impressionen von der neuen Rahmenlehre



Das erste Element des Prototyps ist auch schon fertig. Ein 100mm Steuerrohr mit 43,8mm Innendurchmesser aus dem vollen Material herausgedreht. Dadurch kann man die Wandstärke besser bestimmen und vorallem sicher sein dass Rohr an beiden Enden perfekt fluchtet.
Vorher und nachher:

Ich werde aufgrund meines Studiums nicht jeden Tag an dem Projekt arbeiten können, allerdings versuchen immer mal wieder ein Update zu liefern.
Ich wünsche noch ein frohes Restostern
Grüße,
Lars
Das hier wird kein normaler Aufbauthread sondern vielmehr ein kleines Tagebuch über die Entwicklung und Fertigung eines Fahrradrahmens, eines Fahrrades. Gefertigt von einem Ein-Mann-Betrieb der noch gar kein Betrieb ist.
Vor knapp zweieinhalb Jahren wurde ich von einem Kommilitonen meines Studiums nach jahrelanger Abstinenz mit dem Radfahrvirus infiziert.
Ich wollte mir, obwohl sich das ende meines Kunststudiums im Bereich Bildhauerei mit großen schritten näherte und immernoch nähert ein Mountainbike aufbauen. Leider musste ich schnell feststellen, dass dieses Hobby des Mountainbikens extrem teuer ist, weit teurer als ich es von früher in Erinnerung hatte.
Lange Zeit hat es beansprucht, da hatte ich mir ein Rad aus alten, doch guten Teilen aufgebaut, ein Hardtail. Der Rahmen war ein Kona Scrap, da Dirtrahmen, gebaut für die Ewigkeit. Von der bombensicheren Verarbeitung war ich sofort Fan. Leider war die Geometrie nicht so gut als dass ich mich dort richtig wohl fühlen konnte. Nach mehreren weiteren Rahmen, darunter Hardtails und später Fullys konnte ich nie einen finden der mich absolut zufrieden stellte. Obwohl mich ein altes Nicolai Helius von den ganzen Versuchen am allermeisten beeindruckte.
Ich habe dann Artikel über Leute gelesen die sich ihre Rahmen selbst bauten. Stahl, ein Material, dass ich noch von früher aus dem Rennradsport kannte und liebte. Da ich selbst Bildhauer bin und mit Stahl arbeite bin war ich sofort wie Feuer und Flamme. Mehrere Tage des Einlesens später baute ich mir die erste Rahmenlehre. Mehrere Wochen später lötete ich den ersten Rahmen, später die zweiten, dritten etc., später dann für Freunde, für Verwandte.
Allerdings waren diese Rahmen alle Hardtails, Hollandräder bzw. Rennräder. Ich fasste mir ein Herz und stieg inspiriert von dem hier im Forum entwickelten ICB 1 und 2 in das tolle Programm "Linkage" ein. Anfangs überwältigt von der Fülle der Optionen und überrannt von den Parametern auf jene man achten muss, dauerte es Wochen, gar Monate bis ich mich auf ein Design festlegen konnte. 32 ist die Zahl. 32 funktionierende Designs konstruiert. Hunderte weitere Designs durchgespielt und abgewogen.
Vom Horstlink über Shortlink, VPP, DW, Switch suspension, Canfield One Suspension, bis hin zum ICB 2.0 Eingelenker.... abgewogen vorallem zwischen der Effizienz, den theoretischen Merkmalen und vorallem meiner persönlichen technischen Machbarkeit. Das Design sollte so einfach wie möglich zu bauen sein und doch effizient und doch mal etwas Anderes.
Es sollte nicht nur für 29er geeignet sein, nicht nur für Enduro, All Mountain, sondern mit passenden Dämpfer auch für CC, Fatbike oder Touring. Es sollte "plüschig" sein wie ein Canfield, auf die kleinsten Unebenheiten reagieren, aber doch noch ein Stück besser klettern können. Allgemein war das Canfield One, bzw. das Balance die ganze Zeit immer das Vorbild. Leider war eine direkte Kopie nicht möglich, so ist das Design völlig auf 27,5 und 26 Zoll abgestimmt und kann nicht auf 29er übertragen werden ohne dass es sich völlig anders anfühlt.
Nach vielen vielen vielen Stunden des Herumprobierens bin ich dann zu einem Design gelangt, wo ich später feststellen musste dass es Jenes schon gibt. Eine verspätete Parallelentwicklung quasi, die sprichwörtlich am anderen Ende der Erdkugel ihren Ursprung wohl hatte. i-Track. Mit dem Namen kann ich mich aufgrund eines fragwürdigen Elektronikkonzerns zwar nicht anfreunden, mein Design ist allerdings sehr ähnlich.

Was sagt dieses Design aus? Es hat 145mm Federweg. Die Radhebekurve ist genauso stark nach hinten gerichtet wie die vordere Federgabel, dadurch bleibt der Abstand der beiden Radachsen bis 130mm Einfederung praktisch gleich. Durch eben jene Radhebekurve und dem gewählten Anti-Squat Wert dürfte das Design auch auf die kleinsten Kiesel gut ansprechen, mit passendem Dämpfer, versteht sich. Die Dämpferlänge beträgt 216mm. Man kann mit sehr kleinen Änderungen das Einfederverhalten des Designs auch auf 200mm, 190mm oder sogar 165mm Dämpfer abstimmen und erhält so ein Design das ebenfalls auch auf AM, Fatbikes oder CC abgestimmt werden kann.
Das allerdings auch optisch Auffälligste wird wohl die Kettenrolle sein. Jene ist am oberen Link befestigt und verändert seine Lage mit dem Einfedern. So ist man in der Lage das eingebaute Anti-Squat so zu verändern wie man es gerne hätte. Mein Design ist abgestimmt dass man über den ganzen Federweg hinweg einen Anti-Squat Wert erhält der ganz leicht unterhalb der 100% Marke rangiert. Das hilft vorallem beim Klettern. Die Rolle selbst wird aus POM gedreht und wird ca. 20g wiegen.
Ich werde in den nächsten Wochen und Monaten sehr viel zeit an einer Drehbank verbringen, wenn nötig meine neue Rahmenlehre -die ich extra für dieses neue Projekt gebaut habe- verbessern und ein paar Prototypen bauen. Wenn Alles nach Plan verläuft würde ich auch bei entsprechendem Interesse
eine Kleinserie aufstellen. Maßrahmen Fullys aus Stahl mit einem etwas anderen Federungsdesign...
Gebaut wird der Prototyp aus Chrom-Molybdän Stahl. Eine bunte Mischung aus Reynolds und Columbus Rohren sowie passend gedrehtem Vollmaterial.
Die Fügetechnik wird fillet brazing sein. Also hartgelötetes Material. Das Erscheinungsbild der Fügung ist dadurch sehr klassisch und aufgrund des Fehlens von Schweißraupen auch sehr clean. Als Hartlot kommt silberhaltiges Neusilberlot zum Einsatz. Es hat eine weit höhere Zugfestigkeit als z.B. Messing welches sonst benutzt wird, bei gleicher Verarbeitungstemperatur. Einziger Haken: Es ist vier Mal so teuer.
Hier noch ein Paar Impressionen von der neuen Rahmenlehre



Das erste Element des Prototyps ist auch schon fertig. Ein 100mm Steuerrohr mit 43,8mm Innendurchmesser aus dem vollen Material herausgedreht. Dadurch kann man die Wandstärke besser bestimmen und vorallem sicher sein dass Rohr an beiden Enden perfekt fluchtet.
Vorher und nachher:

Ich werde aufgrund meines Studiums nicht jeden Tag an dem Projekt arbeiten können, allerdings versuchen immer mal wieder ein Update zu liefern.

Ich wünsche noch ein frohes Restostern

Grüße,
Lars