Wie der Eine oder Andere von Euch vielleicht von
http://www.mtb-news.de/forum/t/gates-carbon-drive-vs-kette.413646/page-33#post-12421996 noch weiß, wollte ich mein vollgefedertes Faltrad namens GoBike auf Gates Carbon Drive umbauen. Nur aus diesem Grund hatte ich unbedingt ein GoBike mit seiner obenliegenden Kettenstrebe haben wollen. Es war gar nicht so einfach zu bekommen, weil es seit mindestens sieben Jahren nicht mehr hergestellt wurde. Schließlich wurde ich in Belgien fündig. Der dortige Händler hatte seit Jahren noch eines Rumstehen und baute es auch nach meinen Wünschen um. Das war ein ziemliches Theater, aber schließlich hat alles geklappt. Jetzt hat das GoBike statt einer simplen Achtfach-Kassette einen Rohloff Speedhub und dazu passende Bremsscheiben von
http://www.brake-stuff.de/.
Für den Riemenumbau standen vier Systeme zur Auwahl:
· Schlumpf bzw. Haberstock
Advanced Belt Drive mit M14-Teilung: Kam nicht in Frage, weil die erhältlichen vorderen und hinteren Riemenräder die erforderliche Primärübesetzung von mindestens 3,3:1 nicht ermöglichen. Die kleinen 20-Zoll-Räder muß man nun mal höher übersetzen als 26er, 28er oder 29er.
·
Conti Drive System, ebenfalls mit einem 14-mm-Riemen: Scheiterte an demselben Problem.
· Auf der Eurobike 2015 blieb ich am Stand von
Bernds hängen, die eines ihrer Falträder mit Rohloff-Nabe und einem passenden Riemenrad für einen M8-Industrieriemen ausgerüstet hatten. Das hintere Riemenrad hatte 24 Zähne und das vordere Riemenrad 80, also ideal. Zunächst das hintere für 117 € bestellt. Es paßte wohl auf die Rohloff-Nabe, aber nicht ans Rad: Aus unerfindlichen Gründen betrug die Riemenlinie extra breite 58 mm. Das bedeutete, daß der 10 mm breite Riemen außen an der Ketten- bzw. Riemenstrebe gerieben hätte und das vordere Riemenrad dem Kurbalarm näher gekommen wäre, als mir lieb sein konnte. Das Riemenrad zurückgeschickt, und zwar als Einschreiben. Leider nur Einwurf, und prompt ging die Sendung verloren. Und die Deutsche Post wollte nicht einmal mit 20 € haften...
· Da blieb nur noch der Marktführer
Gates Carbon Drive mit seinem 11-mm-Riemen. Das kleinste hintere Riemenrad für die Rohloff-Nabe hatte 19 Zähne. Vorne gab es nur 60 oder 70. 60 wären zur Not gegangen, 70 (und hinten 22) nicht, weil es vom Durchmesser zu groß gewesen wäre und mit der obenliegenden Kettenstrebe kollidiert wäre.
Bis mir die Idee kam, mir ein vorderes Riemenrad mit 63 Zähnen maßschneidern zu lassen. Der Tüftler heißt Dan Kirshner und bietet seine 3D-gedruckten Produkte auf
ShapeWays an. Das Material ist Nylon, und dessen Oberfläche ist ziemlich rauh, um nicht zu sagen körnig. Das sollte gegen überspringende Riemen helfen, dürfte aber die Abnutzung erhöhen. Dummerweise hatte ich mich vermessen, als ich ihm die Maße durchgab: Der Kurbelstern war 3,2 und nicht wie angegeben 2 mm dick. Glücklicherweise ist es einfacher, Material ab- als aufzutragen, auch wenn ich mit dem Stechbeitel mehrere Stunden dranwar. Außerdem hatte Dan die Löcher für die Kettenblattschrauben mit Absicht nur 9 statt 10 mm dick gemacht, weil er nicht auf die Präzision des 3D-Druckers vertraute. Zu Unrecht, wie sich zeigte, und auch die Löcher bedurften einiger Nachbearbeitung mit Bohrmaschine und Reibahle. Dann noch mit silberfarbenem Lack eingesprayt.
Abgesehen von einer Antriebsschwinge ist es nicht ganz trivial, ein Rad mit gefedertem Hinterbau auf Riemenantrieb umzurüsten. Die Diskussion mit dem Gates-Mann auf der der Eurobike brach ich schon ab, noch bevor ich das Thema überhaupt auf den gefederten Hinterbau gebracht hatte, weil er bereits meine obenliegende Kettenstrebe für „nicht riementauglich“ hielt. Gates besteht ja auf extrem steifen Rahmen und einer sehr hohen Riemenspannung. Ich halte es eher mit
Fahrradbau Stolz in Zürich, der mir anvertraute, daß die Lager unserer Räder gar nicht dafür ausgelegt sind, 24 Stunden täglich unter Hochspannung zu stehen. Auch
jopo hat ja sein Fully mit einem nur schwach gespannten Riemen auf Gates umgerüstet. Sogar mit einer außenliegenden Spannrolle. Ich hatte mal irgendwo gelesen, daß Carbon-Zugstränge das nicht mögen, und daß eine Außenspannrolle mindestens 50% größer sein sollte als das kleinste zugelassene Riemenrad. Das wären ungefähr 100 mm Durchmesser und somit ein optisches Vergehen gewesen. Deshalb entschied ich mich für eine
Innenspannrolle mit 19 Zähnen (gleich wie das Ritzel), die wieder der gute Dan für mich gemacht hat. Sie sitzt auf zwei Kugellagern aus dem Modellbau und einem
LitePro-Kettenspanner aus China. Der erste Nachteil ist, daß ich ihn zum Ausbau des Hinterrads abschrauben muß. Der zweite Nachteil liegt darin, daß die Innenspannrolle den Umschlingungswinkel des Ritzels verringert. Allerdings müssen auch nur sechs Zähne ständig im Eingriff sein, was "nur" rund 120° bedeuten würde. Da dürfte ich deutlich höher liegen.
Nun stellt Euch meine Überraschung vor, als ich auf der Eurobike das erste serienmäßige
Fully-MTB von Nicolai mit Gates-Riemen und einer winzig kleinen (38 mm) Außenspannrolle sah, und das offenbar mit vollem Segen von Gates!
Bei meinem Chainstay von 435-442 mm und meinen Riemenrädern mit 63 und 19 Zähnen brauchte ich einen Riemen mit einer Länge von 1342 mm oder 122 Zähnen. Zur Auswahl standen CDC, CDX und CDN. CDC dürfte eher veraltet sein, weil der Riemen seitlich ablaufen kann. CDX ist für Tandems, Mountain- und E-Bikes zugelassen, schien mir also ein Overkill gegenüber dem preisgünstigeren CDN-System, das nicht großartig beworben wird und ebenfalls die Mittelrille aufweist. Riemenrad und Riemen hatte ich von
www.bike-prof.de, den ich nicht empfehlen kann. Der hält sich nicht einmal an seine eigenen AGB’s. Weitere Gates-Teile kaufe ich bei
www.vaust.com.
Das nächste Problem ließ nicht lange auf sich warten: Das hintere Original-Rohloff-Riemenrad paßte nicht auf die Original-Rohloff-Speedhub. Dafür braucht es sinnloserweise einen
Adapter namens 8224. Kein Problem, denke ich, kurz aus dem Netz besorgt. Aber weit gefehlt: Darf nicht an Endkunden verkauft werden. Noch nicht mal an Fachhändler! Nein, man muß die Nabe an Rohloff einschicken, damit die das Teil montieren, und auch das tun sie nur, wenn der Rahmen für die absurd hohe Riemenspannung zugelassen ist. Andernfalls verfällt die Garantie. Ich hätte zwar einen anderen Rahmen angeben können, aber diese Spielchen mag ich nicht. Mein 3D-Tüftler Dan hat sein Riemenrad mit einiger Bastelei an das Kettenritzel genietet. Auch das schien mir nicht unbedingt der Königsweg.
Wie ich schließlich an das Teil gekommen bin? Und das sogar gleich doppelt und dreifach? Erstens über einen Radhändler in der Schweiz zu einem natürlich völlig überrissenen Preis: 90 €

Die Schweizer kennen da echt keine Schamgrenze. Er riet mir immerhin, es vorher wieder zu entfernen, falls ich die Nabe mal an Rohloff einsenden wollen sollte

Er hatte das Teil nicht etwa von Rohloff, sondern über einen anderen Händler in der Schweiz bezogen, was teilweise auch den enormen Preisaufschlag erklärt. Die Ironie der Geschichte liegt darin, daß das just der oben erwähnte Fahrradbau Stolz war, der erstens offenbar enge Beziehungen zu Universal Transmissions (Vertriebspartner von Gates in Deutschland) hat, zweitens trotzdem nichts von hoher Riemenspannung hält und drittens beim Richten meiner Bremsscheibe
ziemlich unverschämt zugelangt hat.
Zweitens kam ich mit ein bißchen Herumfragen und Googlen auf den
bikeonlineshop. Warum die das Teil trotz Rohloff verkaufen? Weil sie es selbst produzieren (lassen). Eine echte Marktnische. Damit verdienen sie sich wahrscheinlich eine goldene Nase. Aber es sei ihnen gegönnt. Mehr jedenfalls als den habgierigen Schweizern

Rohloff freilich gab sich nicht so leicht geschlagen und hat Druck auf den bikeonlineshop gemacht, so daß das Teil nur auf Anfrage im Shop erscheint. Abgesehen von der stählernen Dichtung ist es aus Alu und damit 20 g leichter als das ganz aus Stahl bestehende Rohloff-Original.
Drittens habe ich noch einen Original-Rohloff-Adapter in den USA gefunden. Allerdings nur einen. Wer mehr möchte, muß Gates die Seriennummern der Speedhubs mitteilen, sonst geht gar nichts.
Zum Glück soll der Adapter-Unsinn offenbar bald geändert werden. Neu verwendet Rohloff Steckritzel. Ob sie die auch frei verkaufen, weiß ich nicht. Als ob man das nicht von Anfang an hätte besser machen können. Hauptsache, es hat alles geklappt, und auch beim Fahren bisher keine Probleme
