Lokal, global … egal?: Kommt mein Bike bald aus Europa?

Lokal, global … egal?: Kommt mein Bike bald aus Europa?

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Erwartungsgemäß hat sich die schwierige Liefersituation innerhalb der Bike-Industrie auch 2021 nicht entspannt und für 2022 sehen die Aussichten kaum rosiger aus. Angesichts überfüllter Fabriken an den Produktionsstandorten in Asien und dem immer bedrohlicher wirkenden Klimawandel rückt das Thema „lokale Produktion“ wieder mehr in den Fokus. Doch geht das denn so einfach?

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Lokal, global … egal?: Kommt mein Bike bald aus Europa?

Was denkst du: Werden wir bald mehr Räder, die vollständig in Europa hergestellt wurden, in den Läden sehen?
 
Wenn man sich Mal das BIP von Taiwan anschaut, dann sollten wir Deutsche da Mal ganz schnell von unserem hohen Ross absteigen. Die reale Kaufkraft ist dort auf einem sehr ähnlich Level wie in der BDR.
Osteuropa kann dieses Level nicht halten. Und genau das ist der Grund, wieso Pon und Giant in Osteuropa produziert (Giant) oder produzieren möchte.
Es ist günstiger als eine Rahmenproduktion in Taiwan, wo immernoch ein Großteil der Rahmen für den europäischen Markt herkommen.
Moin

yeh. Taiwan ist sicherlich kein Billiglohnland. Die haben halt inzwischen die Kompetenz in der Alufertigung - das fehlt hier.

Gruß
 
bei Pedalen finde ich immer Superstar Components ein gutes Beispiel. Vor Brexit hat man die immer um die 50€ bekommen. Technisch echt top und 100% Made in UK ( - Lager und Dichtung)
In den Onlineshop wird für 0815 Taiwan ( meist Wellgo) Pedale um die 100€ aufgerufen.
Kann sich ja jeder selbst überlegen ob Er sich dermassen verarschen laßen will.

Helme oder Goggles genauso. zB Uvex aus Passau bzw Bayerwald/Böhmerwald kosten nicht mehr als setze jede beliebige Marke ein die alle aus ein paar wenigen Werken in China kommen.
 
Ich habe beruflich viel mit dem Thema "automatisiertes Schweißen" zu tun und bin zu Beginn der Pandemie von einem deutschen Fahrrad-Hersteller zu dem Thema angesprochen worden. Da ging es darum, nur einen Teil der Rahmen-Modellpalette eventuell in D zu fertigen, sprich: Alurahmen schweißen.

Wir haben das im Team und auch mit befreundeten Kollegen in der Branche besprochen, weil wir den Ansatz gut und charmant fanden. Auch wir versuchen unsere Zukaufteile möglichst lokal zu beschaffen, einfach weil die Wege und die Kommunikation kurz sind. Wirtschaftlich betrachtet haben wir aber die Finger davon gelassen. Punkt 1 ist Material & Co und da pflichte ich @luniz bei. Da müsste man erstmal viel Geld in die Hand nehmen, um die Infrastruktur zu schaffen. Weil ohne den Punkt, karrt man doch wieder das Material um die halbe Welt und hat wenig gewonnen.

Punkt 2 und 3 sind Fachkräftemangel und Lohngefüge für eine Massenfertigung. Es fehlen einfach Leute, die so etwas können (und machen wollen). Im Jahr vor der Anfrage war ich bei einem unserer Kunden (Branche im weitesten Sinne Automotive), der auch überlegt hat zu automatisieren, weil sein Produkt zu sehr an Stückzahl zugelegt hat. Als ich auf den Hof gefahren bin, stand ein Großteil der Mitarbeiterparkplätze voll mit Fahrzeugen, die alle osteuropäische Kennzeichen trugen. Auf Nachfrage wurde mir bestätigt, dass es extrem schwierig sei, qualifizierte Schweißer in Deutschland zu bekommen, vor allem wenn man viele Mitarbeiter braucht. Wenn man welche bekommt, haben die meist Ihren Preis. Auch die osteuropäischen.

Den Ansatz, das ganze über Roboter zu automatisieren, ist sicher naheliegend. Das Problem ist, dass für eine gescheite Automationslösung Stückzahl benötigt wird. Und es ist nicht nur der Roboter, sondern die rahmenspezifische Vorrichtung, die man braucht. Auch muss dann das Ausgangsmaterial top sein und vor allem in wiederholgenauer Qualität. Denn: Der Roboter ist prinzipiell dumm. Sicher, es gibt technische Hilfsmittel wie Nahtsuchsystem u.ä., aber Rohre und Dünnblechbereich sind einfach eine besondere Nummer. Preislich kommt man damit gegen das Lohngefälle in Fernost m. M. n. nicht an.

Damit sich so etwas in Deutschland rechnet, musst Du:

  • entweder von vorneherein das obere Preissegment anpeilen und entsprechend im Marketing kommunizieren, wie Du produzierst (z.B. Nicolai),

  • entsprechende Technologie einsetzen, die für Dich den Preis rechtfertigt und den Kunden triggert (z.B. Atherton) oder

  • einen anderen Mehrwert nachweisen (umweltfreundlich, recourcenschonend, etc.), der es der Kundschaft wert ist, bei Dir zu kaufen. (Und wie wir erst vor kurzem bei einer Vorstellung eines neuen Herstellers hier gesehen haben, reicht es nicht, das Thema etwas oberflächlich anzugehen.)

Egal welche Strategie man verfolgt, große Stückzahlen sind damit nicht zu erzielen. Und günstig ist etwas anderes. Ich zitiere mal Kalle Nicolai aus diesem Artikel: "Bei uns bekommt man nicht das beste Preis Leistungs Verhältnis, sondern Luxus – und genau das ist es, was unsere Kundschaft von uns erwartet."

So gerne ich eine größere Produktion in Europa sehen würde, glaube ich nicht, dass das über Nischen hinausgehen wird.

Gruß
tebis
Okay,

Vielleicht lässt du uns etwas genauer dran teilhaben wo technisch die größten Probleme liegen beim automatisierten Fertigen.
Mich würde es sehr interessieren, da ich auch "Robotergeschädigt" bin.
Ich meine grundsätzlich eine Vorrichtung braucht man doch auch beim händischen Schweißen grundsätzlich, richtig?!
Den Rohrsatz durch Laserschneiden, Biegen etc. mit hoher Wiederholgenauigkeit zu fertigen, da ist soweit ich weiß genug Know How in Deutschland Anlagentechnisch vorhanden?!Mein Vater ist Schweißer und bei den passiert da gerade sehr viel im Betrieb.

Die Schweiẞnaht sauber mit dem Robi zu führen sollte auch keine Probleme machen.
Oder ist es rein durch teachen der Bahn zu ungenau und man müsste vorher die Nahtstelle jedesmal mit dem Roboter detektieren und vermessen vor dem Schweißen?!

In Portugal gab/gibt es eine Firma, Triangel, die haben das wohl versucht um großen Stil.Was daraus geworden ist, dazu findet man eher keine Informationen.

Ich freue mich auf eine Antwort.
 
Wär super wenn ansässige Firmen sich größere Anteile sichern könnten. Die Situation bietet doch Chancen, wenn die Preise so eskalieren.
Man müsst halt Mut haben eigene Wege zu gehen und sich nicht an der Elektrifizierung von Bikes und Komponenten beteiligen nur weil halt da der Rubel rollt.
Es gibt ja auch viele gute Unternehmen, die das so machen und für Vielfalt auf dem Markt sorgen.
 
Sollte sich China irgendwann mal Taiwan zurücknehmen - dann ist auf Corona bezogen - die Verfügbarkeit von Biketeilen unser kleinstes Problem. Davon abgesehen dass in diesem Fall die Welt andere Probleme hätte.
 
Der Artikel vergisst einen Aspekt komplett: Rohstoffe
Aluminium und Carbon fallen nicht vom Himmel, sondern werden aufwendig hergestellt. Und das in der Regel auch nicht in Europa.

Wikipedia sagt: Im Jahre 2016 war das bedeutendste Herstellerland von Aluminium mit großem Abstand die Volksrepublik China (31,0 Millionen Tonnen)

https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_größten_Aluminiumproduzenten
bedeutet auch, dass die Hersteller in Fernost einen einfacheren, vermutlich auch günstigeren Zugriff auf die Rohstoffe haben dürften. Um in Europa eine Rahmen schweißen zu können muss man vermutlich für die Rohre schon mehr Geld ausgeben, als man in China für ein komplettes Fahrrad bezahlt!
 
bedeutet auch, dass die Hersteller in Fernost einen einfacheren, vermutlich auch günstigeren Zugriff auf die Rohstoffe haben dürften. Um in Europa eine Rahmen schweißen zu können muss man vermutlich für die Rohre schon mehr Geld ausgeben, als man in China für ein komplettes Fahrrad bezahlt!
Genau das.
Ich mag es auch wenn der Kram nicht aus Chinesien kommt, aber am Ende machen wir uns mit Rohstoffen auch abhängig, da ist die Branche völlig egal.

Mir persönlich ist eine gute Preis-Leistung wichtig, habe nicht tausende Euros im Monat zur Verfügung um nicht in China shoppen zu können. Bei manchen Produkten achte ich auf Nachhaltigkeit, unterstütze lokale Geschäfte, bei anderen ist es mir egal - es ist und bleibt eine Mischung.
 
Der Artikel vergisst einen Aspekt komplett: Rohstoffe
Aluminium und Carbon fallen nicht vom Himmel, sondern werden aufwendig hergestellt. Und das in der Regel auch nicht in Europa.

Yupp. Und der Kautschuk für die Reifen, die Continental mit "Deutsche Techik" bewirbt (was streng genommen nach deutschem Duden aber "deutsche Technologie" heißen müsste 🙄 ), wächst auch nicht in Hessen und Umgebung:
Bildschirmfoto 2022-02-07 um 09.01.09.png
 
In Portugal gab/gibt es eine Firma, Triangel, die haben das wohl versucht um großen Stil.Was daraus geworden ist, dazu findet man eher keine Informationen.

Ich freue mich auf eine Antwort.
Vor ungefähr einem Jahr war ich in Kontakt mit diesem Unternehmen, da ein mir bekannter Hersteller sich überlegte, dort ziemlich spezielle Rahmen fertigen zu lassen. Als Triangles mir die Mindestbestellmenge mitgeteilt hat, habe ich sehr grosse Augen gemacht (sprich ziemlich hohe Menge). Scheint also zu funktionieren.
könnt ihr einige Rahmenhersteller in Europe nennen?
Carbonrahmen wurden schon genannt. Zu Stahlrahmen schau doch am besten mal hier vorbei: https://stahlrahmen-bikes.de/hersteller
Da sind wir locker im dreistelligen Bereich.

Alu: Actofive, Ancilotti, Crossworx, Kavenz, MDE, Nicolai, Omen, Orange, Pole, Zumbi, um nur einige zu nennen.
Aluminium und Carbon fallen nicht vom Himmel, sondern werden aufwendig hergestellt. Und das in der Regel auch nicht in Europa.

Wikipedia sagt: Im Jahre 2016 war das bedeutendste Herstellerland von Aluminium mit großem Abstand die Volksrepublik China (31,0 Millionen Tonnen)
Exakt, und deswegen stimmt leider häufig das Argument "umweltfreundliches Produkt, da hier hergestellt und somit kurze Transportwege" nicht. Das stimmt in der Regel nur, wenn Recyclingmaterial aus der Region verwendet wird. Wenn das Alu für den in DE gefrästen Vorbau aus China, Australien oder Russland kommt, ist der Transportweg nicht so kurz. Da kann man dann als lokaler Hersteller eher mit guten Arbeitsbedingungen und vielleicht Solarpanels auf dem Dach punkten.
 
Ich fände es ja auch super, wenn mehr innerhalb Deutschlands / der EU produziert würde, zumal das gut bezahlte Arbeitsplätze schafft. Letztendlich finde ich solche Artikel aber oft zu einseitig. Hier wird "made in EU" mit Umweltschutz gleich gesetzt. Letztendlich ist es doch aber so, dass die der Großteil der Fertigung eines Mountainbikes quasi nichts mit dem "Fahrradhersteller" zu tun hat. Schaut euch doch mal an, wie kompliziert die einzelnen Komponenten bei so nem Rad sind (Schaltwerke, Fahrwerk...). Der "Hersteller" baut ja nur den Rahmen (oder lässt bauen). Ich weiß nicht wie sehr das ins Gewicht fällt. Dann muss man sich die Frage stellen, wieviel der Transport des Rahmens nach Deutschland wirklich ausmacht im Vergleich zur Herstellung des Rahmens oder der Komponenten (ich glaube der Anteil ist letztendlich sehr gering) und auch im Verhältnis zu anderen Konsumgütern, die wir um die halbe Welt verschiffen oder fliegen. Dann wird immer so getan als wäre Carbon böse und Alu gut. Tatsächlich hat Alu eine ziemlich beschissene Energiebilanz und die Gewinnung geht mit Unmengen an Schadstoffen / Umweltverschmutzung einher. Klar, würde man das in der EU machen, könnte man hier andere Standards anlegen, aber selbst wenn die Alurahmen hier produziert würden, würde das Alu vermutlich immernoch aus anderen Regionen der Welt kommen. Der Nachteil an Carbon ist hingegen, dass es nicht recyclebar ist. Ich denke wenn man Umweltschutz betreiben möchte, dann sollte man doch eher darüber nachdenken, das eigene Bike vielleicht eine Saison länger zu fahren oder die Produktlebensdauer zu erhöhen, indem man bevorzugt gebraucht kauft.
 
Exakt, und deswegen stimmt leider häufig das Argument "umweltfreundliches Produkt, da hier hergestellt und somit kurze Transportwege" nicht. Das stimmt in der Regel nur, wenn Recyclingmaterial aus der Region verwendet wird. Wenn das Alu für den in DE gefrästen Vorbau aus China, Australien oder Russland kommt, ist der Transportweg nicht so kurz. Da kann man dann als lokaler Hersteller eher mit guten Arbeitsbedingungen und vielleicht Solarpanels auf dem Dach punkten.
Da wird im Container zumindest weniger Luft transportiert als wenn da Fahrradrahmen oder gar ganze Fahrräder drin sind.

Ein Fokus allein auf die 2-5kg Rahmen bei 10-18kg Gesamtgewicht greift aber eh etwas kurz.
 
So sieht es aus.Arbeite bei einem Großen Halbleiter Bund-Metall Erzeuger ,und kann mich in den Letzten Jahren bei Betriebsversammlungen nicht dran Erinnern das,das Wort Chinesen nicht gefallen ist.Mehr Marge höher schneller weiter als Standort Sicherung.Der oder die Aktionäre Wohlen schließlich 25 Rendite.Und so ist es bei allen großen Player dieser Welt ob Fahrrad Industrie oder sonstige.
Muss ich leider widersprechen. Klar geht´s allen nur um Rendite, dass die aber nur mit billiger Fertigung zu erreichen ist stimmt nicht. Ich arbeite selbst bei einem Global Player, ein US Konzern noch dazu, und der deutsche Standort ist der profitabelste im ganzen Unternehmen! Wir haben eine Fließband Serienfertigung, allerdings eine derart hohe Anzahl an Optionen, dass da nicht viel automatisiert ablaufen kann. D.h. es werden viele Arbeitskräfte benötigt und die werden auch noch überdurchschnittlich bezahlt. Der große Vorteil ist halt, dass die Mitarbeiter sehr gut ausgebildet sind und auch flexibel eingesetzt werden können.
Man muss ja auch das Gesamtbild betrachten, da sind die Lohnkosten ja auch nur ein Bestandteil von vielen anderen. Wenn alles andere passt, Angebot, Qualität, Service, etc.. kann sich auch die Fertigung in D lohnen.
Muss aber auch sagen, dass wir Investitionsgüter herstellen und keine Konsumgüter, da schauen die Kunden auch eher auf die gesamten Kosten über die Laufzeit und nicht nur auf den Anschaffungspreis.

Edit: In Europa wird momentan in meinen Augen häufig recht aufwändig gefertigt, auch wenn es einfachere Verfahren gäbe (Fräsen und Lasern statt stanzen und schmieden etc.).
Das ist rein Stückzahlabhängig.
Stanzen mach nur bei höheren Stückzahlen Sinn, da so ein Stanzwerkzeug auch nicht ganz günstig ist.
Bei kleineren Stückzahlen wird gelasert.
Das ist eine einfache Kostenrechnung. Im Fertigungszeitraum erwartete Stückzahl x Teilepreis + Kosten Stanzwerkzeug vs. Im Fertigungszeitraum erwartete Stückzahl x Teilepreis gelasert.

Was das "einfacherere" Verfahren ist, ist immer relativ ;-)
 
Es kommt immer so rüber als gäbe es in Deutschland keine oder nur wenige fähige Schweißer. Es gibt sie !!! Aber für diese Löhne finden sich natürlich nur wenige ,die sagen was soll's ich machs auch für wenig €. aber für 40€ /h würde ich es mir überlegen.
 
Okay,

Vielleicht lässt du uns etwas genauer dran teilhaben wo technisch die größten Probleme liegen beim automatisierten Fertigen.
Mich würde es sehr interessieren, da ich auch "Robotergeschädigt" bin.
Ich meine grundsätzlich eine Vorrichtung braucht man doch auch beim händischen Schweißen grundsätzlich, richtig?!
Den Rohrsatz durch Laserschneiden, Biegen etc. mit hoher Wiederholgenauigkeit zu fertigen, da ist soweit ich weiß genug Know How in Deutschland Anlagentechnisch vorhanden?!Mein Vater ist Schweißer und bei den passiert da gerade sehr viel im Betrieb.

Die Schweiẞnaht sauber mit dem Robi zu führen sollte auch keine Probleme machen.
Oder ist es rein durch teachen der Bahn zu ungenau und man müsste vorher die Nahtstelle jedesmal mit dem Roboter detektieren und vermessen vor dem Schweißen?!

In Portugal gab/gibt es eine Firma, Triangel, die haben das wohl versucht um großen Stil.Was daraus geworden ist, dazu findet man eher keine Informationen.

Ich freue mich auf eine Antwort.
Aus meiner Erfahrung heraus, die sich auf über 15 Jahre Vorrichtungs- und Anlagenbau für Automotive im Bereich Schweißen stützt, waren es Rohre und Drähte, die bei Schweißbaugruppen immer wieder zu Problemen führten, die Toleranzen des fertigen Teils einzuhalten. Ich hole mal etwas weiter aus, weil es vielleicht für den einen oder anderen interessant ist:

Eine kurze Exkurs über automatisierte Vorrichtungen.

Vorrichtungen haben die Aufgabe, dass sie jedes zu fügende Einzelteil wiederholgenau aufnehmen können, dabei aber genügend Platz lassen, damit der Schweißbrenner ohne Zwangslage sauber an alle Nähte kommt. Zum Schluß muss es die Vorrichtung zulassen, dass das fertig geschweißte Bauteil auch wieder herausgenommen werden kann. Bei der Aufnahme der Einzelteile geht man oft, z.B. bei Blechen bzw. Blechumformteilen nach der 3-2-1 Regel vor. Das bedeutet, das Bauteil wird über drei Punkte in der Ebene aufgenommen (z.B. mit drei Auflagen), über einen Stift in einer Bohrung fixiert und über einen weiteren Stift wird die jetzt noch möglich Verdrehung des Bauteils herausgenommen, z.B. in einem Langloch. Vereinfacht dargestellt, sieht das so aus (rot= Auflage, gelb= Stift):

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Im Idealfall sind alle Stifte noch pneumatisch ziehbar, sodass das geschweißte Bauteil nach dem Schweißen frei liegt. Wenn keine Bohrungen im Teil vorhanden sind, werden dann Flächen oder Beschnittkanten genommen, um das Einzelteil sauber zu fixieren, was aber in Bohrungen mit Stiften definitiv besser funktioniert. Was man unbedingt versucht zu vermeiden ist, dass Bauteile andere Bauteile als Bezug nehmen, da sich so reltaiv schnell Toleranzen der Einzelteile gegenseitig beeinflussen.

Jeder Aufnahmepunkt, egal ob Stift oder Anlage, ist einstellbar, meist mit sogenannten Shimsblechen oder Passscheiben in 0,1mm Schritten. Wie groß der Verstellbereich ist, hängt vom Kunden ab. Das kann von +/-2mm bis +/-10mm gehen. Welchen Sinn hat diese Verstellung? Mit dieser Verstellung werden:

  • herstellerbedingte Toleranzen der Einzelteile ausgegleichen (die jedes Teil hat, egal wie hergestellt)

  • schweißbedingten Verzügen entgegengewirkt. Die Einzelteile werden also quasi "schief eingespannt" (ich weiß nicht, wie ich es sonst nennen soll), damit sich nach dem Schweißen durch den Verzug ein i.O.-Teil präsentiert.

Zusätzlich zu den Aufnahmepunkten werden alle Einzelzeile an neuralgischen Punkten gespannt. Entweder mit Handspannern (die der Werker manuell schließen und nach dem Schweißen auch wieder alle öffnen muss) oder Automatikspanner, die nach dem Schweißen automatisch pneumatisch öffnen. Diese Spanner spannen nur. Sie haben nicht die Aufgabe, Bauteile zu verformen!

Eine Vorrichtung wird eingefahren!

Wir messen unsere Vorrichtungen gegen CAD-Null ein. Soll heißen: Alle Aufnahmepunkte werden so eingestellt, dass die Aufnahmepunkte an Ihrer Position liegen, wo sie laut CAD liegen sollten. D.h. man gleicht zuerst die Fertigungstoleranzen der eigenen Fertigungsteile aus. Dann schweißt man das erst Teil. Danach wird dieses vermessen, ggfs. Schliffbilder der Nähte gemacht (A-Maß, Einbrand, etc.) und anhand des Messberichtes die Vorrichtung geshimst, Schweißparameter verändert oder Roboterstellungen verändert. Dann schweißt man wieder, mißt das Teil, shimst, etc.

Das macht man so lange, bis ein Teil i.O. ist. Leider bleibt der Prozess nicht immer stabil. Mit der nächsten Einzelteilcharge kann das Teil plötzlich wieder Probleme aufwerfen. Dann geht das Spiel von Neuem los.

Ich habe unten mal ein Bild einer älteren Vorrichtung angehängt. Da bekommt man eine ungefähre Vorstellung, wie so etwas aussieht. Mit der Vorrichtung wurde die durchgehende Lehne der zweiten Sitzreihe einer Limousine geschweißt, damit man ungefähr ein Vorstellung der Größe hat. Stückzahl war wenn ich mich richtig erinnere im sechsstelligen Bereich pro Jahr, aber da nagelt mich bitte nicht fest. War auf jeden Fall ein sehr gängiges Auto und kein BMW Z8.

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Soviel zu Vorrichtungstechnik.

Der Roboter ist in meinen Augen weniger das Problem. Dieser führt die Bahn wiederholgenau aus (der eine mehr, der andere weniger). Ich sehe eher das Probelm im Bereich der Einzelteile. Drähte und Rohre haben nach meiner Erfahrung immer mehr mit Toleranzen zu kämpfen als Blechumformteile. Woher das im Speziellen kommt, kann ich auch nur mutmaßen, da ich den Herstellungsprozess der Rohre dazu zu wenig kenne, jedoch das Ergenis als solches viele Jahre mitbekommen habe.

Ich vermute, dass durch das Ziehen und Umformen der Rohre sich Spannungen im Material aufbauen, die sich dann in irgendeiner Richtung austoben. Sei es beim Schweißen oder bereits vorher beim Transport, diese Teile neigen stärker zum Verzug als andere. Dummerweise nicht immer in die gleiche Richtung.
Man kennt das, wenn man mal ein Alurohr oder Profil im Baumarkt in die Hand nimmt und von einem Ende aus längs schaut, ob das Rohr gerade oder verzogen ist. Metallurgisch kann ich das nicht begründen, da fehlt mir das nötige Fachwissen.

Hoffe, eine Hilfe gewesen zu sein.

Gruß
tebis
 
Keine Ahnung ob die Preise noch stimmen, ab klingt nicht unrealistisch...
 

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