03.09. 11:00 Vorgipfel auf dem Weg zum Pico Aneto, 3100m
Nach einer Stunde in der Dunkelheit passieren wir das Refugio Restanca, wo man normalerweise zwecks Gipfelbesteigung übernachtet. Die Leute sind natürlich alle schon unterwegs. Den Aneto macht man eher früh morgens, der Gewitter wegen. Ich frage an der Hütte kurz, ob wir uns dort vielleicht Steigeisen oder auch nur Wanderstöcke ausleihen könnten: Fehlanzeige. Da sollten sich die Europäer ruhig mal ein Beispiel an den Ladakhis nehmen: Für den Sechstausender "Stok Kangri" kannst du dir selbst im maultierversorgten Basecamp auf fast fünftausend Metern noch sämtliches Equipment leihen. Na gut, shit happens, haben wir halt gar nix. Ohne Stöcke bräuchte man den Gletscher eigentlich gar nicht erst versuchen, aber bitte. Jetzt sind wir hier, jetzt kraxln wir mal rauf. Und "kraxln" darf man dabei ruhig wörtlich nehmen: Die Spanier haben es augenscheinlich nicht für nötig befunden, wenigstens in den unteren Regionen einen gescheiten Weg auf den höchsten Berg der Pyrenäen anzulegen. Stunde um Stunde klettern wir mühsam durch riesige Schotterfelder bergauf, ein paar marginalen Steinmännern und der digitalen Karte folgend. Markiert ist hier gar nix, dafür strengt's an wie Sau.
Wir erreichen einen Grat und blicken über wenigstens zehn verschiedene Pyrenäenkämme und -täler nach Osten. Da stehen noch ganz schön viele Berge zwischen hier und dem Mittelmeer.
Zwischen und dem Pico Aneto (links hinten) stehen zwar keine Berge mehr, dafür noch ganz schön viele elende Schotterbrocken. Das Massiv mag von der Ferne ganz hübsch aussehen, aus der Nähe ist's leider ein einziger, riesiger Schutthaufen... wie so oft. Mich beschleicht das Gefühl, eine Besteigung im Winter mit Tourenskiern wäre deutlich spaßbringender.
Na gut, ...
... die Aus- und Tiefblicke von unserem Grat sind schon toll. Aber nach deutlich über eintausend Höhenmetern Schotterbrockenkraxelei geht mir das Fußgängerdasein doch langsam ein wenig auf den Keks. Und bevor jemand fragt: NEIN, der Aneto ist KEIN Berg zum Bikebergsteigen : - ).
Gegen elf Uhr und nach Querung einiger kleiner Testschneefelder entscheiden wir uns schließlich gegen den Gipfel.
Sind zwar nur noch dreihundertfünfzig Höhenmeter bis rauf, aber die Schneeauflage auf dem Restgletscher ist doch stellenweise arg dünn: Mit den Bikeschuhen auf blankem Eis mag niemand stehen. Und auch wo genug Schnee liegt, ist er leider noch nicht aufgeweicht genug. Man müsste wohl bis zum Nachmittag warten, für eine realistische Chance ohne Steigeisen oder zumindest Skistöcke. So viel Zeit bleibt nicht, der Abstieg ist schließlich auch noch ein ewig langer Hatscher. Und das nächste Gewitter kommt bestimmt.
Was solls, war halt ein Versuch. Und hier oben auf 3100 Metern ists auch so schon ganz schön. Wir vergessen also den Gipfel und klettern statt dessen querfeldein ein Stünderl über die schrägen, glattgeschliffenen Felsen unterhalb des Gletschers, um wenigstens einen alternativen Weg für den Abstieg zu erreichen. Durch das verblockte Brockenchaos vom Vormittag wieder runterklettern, will wirklich niemand.