In vorweihnachtlicher Beschaulichkeit schwelgend, hier doch noch vor Jahresende ein längerer Textbeitrag für euch.
Ich hatte ihn ursprünglich zur Verwendung auf unserer Liteville Webseite begonnen, er passt aber so gut zu einigen in diesem Forum wohl schon länger angeschnittenen Themen als auch dem neuesten Vergleichstest in MountainBIKE. Die haben sich übrigens wieder einmal richtig viel Arbeit gemacht um so viele aktuelle Bikes auch noch möglichst objektiv zu vergleichen. Uns geht es in Deutschland, mit unseren zwei großen Magazinen bike und MountainBIKE, in dieser Hinsicht wirklich verdammt gut. Aller wohlfeilen Magazin-Lästerei zum Trotz: Dieses Informationsniveau findet man bis heute in keinem weiteren Bike-Land der Welt. Doch nun zum Test:
Das vom MountainBIKE Magazin in Heft 1 / 2011 mit "Überragend" getestete Liteville 301 Mk8 ist, in der von MountainBIKE gewählten 140mm Federwegoption, ist
das Testbike mit dem kürzesten Federweg (13 AllMountain Bikes im Test).
Das Liteville 301 mit seinen 140mm darf sich durchaus gegen 155 mm AM- Bikes etwas "straffer" anfühlen
ganz besonders wenn sein Federbein zur Bewertung auch noch etwas härter aufgepumpt ist (220 kg Endwert) als das der Vergleichskandidaten (175 kg). Wie aus dem Verlauf der roten Linien in den veröffentlichten Federkennlinien-Diagrammen auf Seite 29, trotzdem diese recht klein geraten sind, gut zu erkennen ist.
- Apropos Kennlinien-Diagramm: Diese kleinen, aber gemeinen Verzerrungen im direkten Vergleich von (übrigens: rein statischen!) Kennlinien durch die Verwendung unterschiedlicher Federhärten in ein und demselben Vergleichstest treten durchaus häufiger in Veröffentlichungen auf. Das Resultat ist das gleiche, als liese man quasi ein Testrad von einem 90kg-Fahrer auf sich einstellen, das andere aber von einem 70 kg-Mann
und vergliche dann die "Härte" dieser Federungen zu Beginn, im mittleren Bereich und im Endbereich.
Man kann diesen Fehler in der hier betroffenen Kennliniendarstellung des LV 301 auf Seite 29 oben, zumindest graphisch leicht selbst korrigieren:
Dazu im Liteville 301 Mk8 Diagramm einfach die obere, rote Federbein-Kennlinie
mindestens so weit nach unten parallelverschieben (knappe 1.5mm), bis die Endwerte der roten und der blauen Linie auf mindestens gleicher Höhe liegen. So wie das auch bei den zwei anderen Diagrammkandidaten ist.
Für Perfektionisten: Besser als die obige, zu stark vereinfachende Endwertbetrachtung ist es, vor jeder Kennlinienmessung an allen Testkandidaten wirklich eine identische Federhärte im typisch gefahrenen Sag-Bereich der jeweiligen Federung einzustellen. Also hier z.B. alle so auf grobe 25% Sag bei gleichem Fahrergewicht.
(Was in vorliegendem Fall bei einer realen Messung zu einer ähnlichen 301-Kennlinie wie oben bereits graphisch korrigiert führt, nur der Anlaufbuckel wäre noch flacher.)
- Übrigens: Der legendär sensible, und sich "nach mehr" anfühlende Federweg der 135 mm Dauer-Testsieger, ist
zu 110% in jedem 140mm Liteville 301 enthalten. Punkt.
Zu 110%, weil es durch eine (ohne Wippverluste vertretbare) Reibungsreduzierung und einen etwas weicheren Anfangsbereich -für jeden im direkten Fahrvergleich gut spürbar- noch feinfühliger und schneller geworden ist.
Das Einzige was sich grundlegend geändert hat ist die ab Mk 8 verwendete LV "Dynamic Level"-Anzeige, der unter der Fahrt ablesbare Sag-Indikator.
Und hier liegt der Hund begraben: Unsere, im Gegensatz zu früher, nun ganz konkrete Einstellempfehlung "Standard: Pin auf Pin".
Diese Einstellung ist die von uns erfahrene Lieblingseinstellung für sportliches Fahren mit durchaus auch höheren Geschwindigkeiten / Hindernissen und den daraus resultierenden höheren Kompressionskräften.
Für wirklichen Extrem-Einsatz zu weich (diese Cracks fahren oft 1 bis 2+ Pins härter)
aber eben für manchen schon straff.
- Tja, vielleicht sollten wir unsere Standardempfehlung beim 301 einen Pin in Richtung weich verschieben.
Generell ist diese Frage für uns, als einem sportlich engagierten Fahrwerkshersteller, die gleiche Krux wie mit der seinerzeit erfreulich offenherzigen L-Ski, A-Ski, S-Ski Einstufung (Lern, Allround, Sport): Jeder war zu Saisonstart im Skigeschäft mindestens der "A"-Typ.
Der grosse Vorteil am Bike:
Du brauchst, im Gegensatz zum Ski, nach einigen einschneidenden Erlebnissen dir nicht zu deinem "S-Ski" noch einen "L-Ski" kaufen. Sondern nur den Dämpfer-/Reifenluftdruck etwas reduzieren
oder im Extremfall ein anderes Federbein einsetzen. Durch ein bereits in die Fertigung gegangenes LV 301-Federbeinbefestigungs-Kit für 8 mm Schrauben inkl. spezieller Nadellager, lassen sich so ohne eigene Bastelei auch andere Federbeine wie zum Beispiel der Fox RP 23 BoostValve leicht
und gut funktionierend einbauen.
- Unser persönlicher Favorit in diesem Testfeld wäre übrigens das Liteville 301 Mk8 mit 160 mm gewesen. Diese Federwegshebel-Option bietet -ohne eine Verschlechterung der Kletterfähigkeit- gerade im "sportlichen Einsatz " (O-Ton Daniel Schäfer) echtes Enduro-Potential: Feines, hervorragend effektives Aufsaugen von Unebenheiten, bei gleichzeitig gutem" Jump Pop" und ausreichendem Durchschlagschutz, der selbst guten Fahrern nicht vorschnell die Fahrwerksgrenze setzt.
Abschliessend noch zu dem ebenfalls von einigen (noch)nicht-Litevillefahrern besonders interessiert diskutierten Thema "Die Progressive Federkennlinie, meine persönliche (Nicht)Federwegsausnutzung und der richtige Durchschlagschutz":
Letztgenannter lässt sich nur durch
die Kombination von ausreichend hoher Druckstufen-Dämpfung mit ausreichender Feder-Endhärte ohne eine unliebsame Kastration der Gesamt-Fahrwerksleistung bewerkstelligen.
Denn zu wenig Federrate, aber zur Kompensation sehr viel Druckstufe (egal ob hier geschwindigkeits- oder wegabhängig) macht ein aktives Anheben des Fahrwerks an Schlüssel(bein)-Stellen schwer und langsamer, bzw. gar nicht mehr möglich. Vom Vortrieb ganz zu schweigen. Leider.
Diese Nachteile mögen für den Einen oder Anderen durchaus zu verschmerzen sein. Das kann ich sehr gut verstehen
Ich würde mich selbst aber anders entscheiden. Frag zu diesem Thema in aller Ruhe ein wirklich lohnendes Vorbild auf dem Gebiet der MTB-Fahrtechnik
wie z.B. Stefan Herrmann
http://www.stefanherrmann.de/.
Der hat mir übrigens auch schon so manches Licht aufgesteckt
L&S