28.05. 18:30 Colado o Carihuela del Veleta, 3229m
Während der ausgiebigen Pause in Bubion beobachte ich die Wolken über mir in den Bergen. Ganz so trostlos wie heut morgen sieht´s eigentlich nicht mehr aus. Ist zwar schon ein bisserl spät für den Übergang, aber ich glaub ich probier´s einfach mal. Umkehren kann man immer noch.
Nach den Orten Bubion und Capileira führt ein kleines, verkehrsloses Teersträßchen stetig bergauf in die Berge hinein. Der Teer wird später zur Piste und bis zum Haupteingang und Infopunkt des Nationalparks auf ca. 2000m scheint mir die Sonne noch recht warm auf den Pelz.

Blick zurück ins Tal.
Der Parkranger am Kontrollhäuschen wird der einzige Mensch bleiben, den ich an diesem Nachmittag zu Gesicht bekomme. Einsam ist´s in der Sierra Nevada Ende Mai. Der Ranger erzählt mir, daß auf dem hohen Pass angeblich nur noch ganz wenige Schneereste liegen und die Überquerung mit dem Bici kein Problem wäre. Hört sich gut an, also weiter!
Nach unten zweigen immer wieder gut gepflegte und perfekt beschilderte Wanderwege ab, wenigstens sechs zähle ich beim vorbeistrampeln. Die Gegend hier scheint mir ein kleines "Traildorado" zu sein, glaub man könnte sich ganz gut eine Woche oder auch länger beschäftigen. Mein Weg führt heute jedoch weiter nach oben.

Blick nach oben.
Dort sieht das Wetter allerdings schon bald nicht mehr besonders freundlich aus. Die Temperatur ist mittlerweile auch auf frische 4 Grad gefallen. Am Abzweig zum einzigen bewirtschafteten Rifugio auf der Südseite der Sierra überlege ich eine Weile. Aber der Nachmittag ist noch jung, und wie gesagt, umdrehen kann man später ja auch noch. Also strample ich weiter, mittlerweile bald auf 3000m Höhe angelangt.

Weg mit den Wolken, jetzt komme ich!
Die Hartnäckigkeit wird belohnt. Plötzlich reissen die Wolken auf, der Wind legt sich und die Temperatur steigt schlagartig bis auf 20 Grad. Das gefällt mir schon besser, jetzt kann der Pass kommen!

20 Grad auf 3000m? Was ist denn jetzt los?

Piste auf 3000m
Das freundlich warme Wetter ändert leider nichts an der Tatsache, daß hier oben doch noch gewaltig viel Schnee in der Gegend liegt. Von der Piste ist allenfalls mal ein schmaler Streifen frei, und der ist dann durch Schmelzwasser völlig durchnässt und nur schwer fahrbar.

Anstregend...
Die Piste quert einige Kilometer lang mit kurzen Anstiegen und Abfahrten auf ca. 3100m viele kleine Cols in den vulkanischen Bergen der Sierra. Besonders auf den Nordseiten liegt jedoch noch so viel Schnee, daß an ein Fahren nicht im Entferntesten zu denken ist.

Oh oh, das sieht nicht gut aus.

Zu viel Schnee.

Da geht selbst mit der Rohloff nix mehr, ist ja keine "Snow"loff

.

Winterliche Kraterlandschaft.
Der viele Schnee beschert wunderschöne Ausblicke, macht die sonst leichte Piste aber zur mühsamen und teilweise gar nicht unkniffligen Schiebe- und Trageaktion. Der zu querende Hang ist teilweise recht steil und ohne Weg mit Rad auf der Schulter kein ganz einfaches Unterfangen.

Schlüsselstelle

Auch nicht leicht...
Zudem erwischt mich ab und zu eine Wolke, sofort frischt dann der Wind auf und die Temperatur fällt unter den Gefrierpunkt. Kein Spaß sondern eine üble und frostige Schinderei.
Mittlerweile ist es sechs Uhr, seit zwei Stunden kämpfe ich mich Meter um Meter voran. Die Wasservorräte sind schon lange aufgebraucht. "Kein Problem mit Fahrrad"?! Könnte jemand dem "Ranger" 1000m unter mir bitte mal kräftig in den Hintern treten? Wie lang war der Spinner schon nicht mehr hier oben? Das hier zählt ohne Frage zu meinen härteren Bike-Erlebnissen...

.. doch die Ausblicke entschädigen!

Der letzte Anstieg.
Um halb sieben, nach zweieinhalb Stunden Kampf mit den Elementen, sind die 5km Querung schließlich überwunden und ich stehe im Colado o Carihuela del Veleta auf 3229m über den Wolken. Yippieh!

Geschafft!
Der Blick nach Norden ist zwar wunderschön, bestätigt aber auch meine Befürchtungen. Hier liegt noch mehr Schnee! Nix ist´s mit einfacher schneller Abfahrt ins 800m tiefer gelegene Albergo. Vielleicht sollte ich doch lieber hier oben bleiben? Ist schon verdammt spät und hier im Joch gäbs wenigstens ein Biwakhüttlein:

Rifugio Carihuela
Die Biwakschachteln heißen hier etwas großspurig "Rifugio" und sehen von außen recht schnucklick aus. Drinnen sind aber nur ein paar angefressene Matratzen, selbst Decken suche ich vergebens. Wasser hab ich zwar mittlerweile gefunden aber zum Futtern gibt's nur noch eine halbe Tafel Schoki. Und besonders warm würde die Nacht hier oben wohl auch nicht werden. Glaub ich fahr lieber weiter, wird schon schief gehen...