Da bin ich wohl nicht mehr ganz so informiert. Persönlich kenne ich nur zwei Titanrahmenbauer die mit ewigen Lieferzeiten "glänzen" bzw. so gut wie gar keine Lust auf irgendwelche Arbeiten mehr haben. Und die Bikes von Noell sind ungefähr so aufgrend wie ein Einkaufsrad von Mutti mit Lenkerkörbchen und der dubbeligen Rohloff Speedhub.
Ich habe vor einigen Monaten einen Rahmenbauer gesucht der ein MTB mit Pinion und Gates Carbon Drive anfertigen kann - und bin schliesslich doch bei Nicolai geblieben.
War dann auf der Eurobike und habe dort auch so gut wie keinen Rahmenbauer getroffen - daher gehe ich davon aus das es in Deutschland so gut wie keine Rahmenbauer mehr gibt. Zumindest für den Bereich der MTB Fraktion. Renn- und Reiseräder werden nach wie vor von vielen Anbietern nach Mass gefertigt.
Aber ich bin nicht so eitel und fahre viel zu wenig Rennrad um mir da wirklich die Ausgaben für ein neues Bike leisten zu wollen. Mit einem schon älteren Eddy Merckx Rahmen fahre ich im Jahr so knapp 2000km, aber nur bei wirklich gutem Wetter. Sonst halt viel und oft mit MTBs.
Bei Nicolai ist die optische Qualitätsanmutung sehr technisch und industriell wirkend. Ich finde es unterstreicht den Charakter des Rahmens. Und die Rahmen sind haltbar, wirklich sehr lange haltbar.
Die letzten Bikes der Woche habe ich mit positivem Erstaunen wahrgenommen, ich bin ganz verblüfft wie private Fahrer sich selbst einen Rahmen bauen können. Dazu gehört viel Geschick und die passende Ausrüstung.
Aber nur weil ich ordentlich löten kann, mein Schutzgasschweissgerät verstehe zu bedienen muss ich nicht gleich annehmen das ich einen Rahmen bauen kann. Dazu gehört Erfahrung, Erfahrung und Wissen um die Besonderheiten im Rahmenbau. Glaub das ist sogar ein Ausbildungsberuf.
Da will/muss ich jetzt doch darauf antworten...
1. Die Eurobike ist für mich als Rahmenbauer gänzlich uninteressant, weil a.) zu teuer und b.) geht man unter zwischen dem ganzen Einheitsbrei. Ich spreche aus Erfahrung, weil ich dieses Jahr bei einem Kollegen auf dem Stand mit ausstellen durfte (gleiche Halle wie Nicolai übrigens). Wie oft ich auf die Frage antworten musste, wo denn jetzt die Batterie zum Motor sei, habe ich unzählige Male antworten dürfen. Ausgestellt war mein
eigenes Pinion Rad.
Deshalb sind kleinere Messen wie die Berliner Fahrradschau deutlich interessanter, weil erschwinglich und entsprechendes Publikum vorhanden ist und dort steht nicht nur hippes Zeug rum...
In D gibt es aktuell drei Titanrahmenbauer, die ihr Handwerk verstehen. Flori Wiesmann, der wohl schon immer "Lieferprobleme" hatte und bei dem ich selbst ein paar Monate gearbeitet habe. Dann Mawis aka Mathias Scherer, auch ein guter Mann, bei dem man nicht unendlich lange warten muss sowie Daniel Pleikies aus Berlin als Wheeldan. Ich werde im Laufe des Jahres auch meinen ersten Ti-Rahmen angehen, weil es im Grunde wie Stahl zu verarbeiten ist. Lediglich die Übungstücke schmerzen, weil das Material so teuer ist.
Ich sehe das "Problem" mit der langen Lieferzeit so:
Heutzutage sind wir es doch gewohnt zu konsumieren. Alles muss möglichst schnell verfügbar sein, damit mein Wunsch nach etwas Neuem erfüllt ist. Fast alle Custom Rahmenbauer sind aber eine One Man Show und damit ist deren Kapazität grundsätzlich begrenzt. Somit haben wir eine reale Verknappung, die für Unmut oder für ganz viel Vorfreude sorgt. In den USA gibts übrigens einige Rahmenbauer, die unglaubliche Wartelisten haben, wie z.B. Richard Sachs mit sieben! Jahren oder Vanilla mit ca. fünf. Mag sein, dass das völlig übertrieben ist, aber die Nachfrage ist vorhanden und die Kapazität der Erbauer nun mal begrenzt.
Vielleicht sollten wir uns deshalb tatsächlich mal in Geduld üben und sich darauf freuen, dass das was da für mich gebaut wird individuell gefertigt wird und eben nicht aus dem Regal genommen werden kann. Der Spruch ist abgedroschen und hat doch Richtigkeit: Vorfreude ist die schönste Freude!
Beim Thema modernes MTB haben sich viele "alte" Rahmenbauer mittlerweile ausgeklinkt, weil sich wohl zu viele verschiedene Gattungen entwickelt haben und die Technik teilweise sehr viele Kenntnisse über den Bauraum erfordert, wie z.B. 29er mit dicken Reifen, kurze Kettenstreben und einem Umwerfer. Das kann man entweder im 3D erschlagen wie ich es mache, weil ich auch Ingenieur bin, oder man baut und probiert aus. Letzteres ist äußerst mühsam und selten wirtschaftlich. Beim Thema Pinion sind noch mehr raus wie jetzt zu letzt auch Flori Wiesmann, wobei er eher aus Überzeugungsgründen die Fertigung von Getriebe-Bikes eingestellt hat.
Ansonsten ist Rahmenbau keine Raketenforschung und wird teilweise künstlich mystifiziert! Einen eigenen Ausbildungsberuf gibt es nicht. Der Feinwerkmechaniker kommt dem Ganzen am nächsten, wobei ein Zweiradmechaniker-Meister während des Kurses auch einen Rahmen bauen muss.
Wiesmann hat aktuell einen Azubi, der als Feinwerkmechaniker angestellt ist und wofür ich ihn wirklich bewundere, weil er bereit ist in junge Leute zu investieren und ich bei ihm lernen durfte mit einem WIG-Brenner umzugehen.