01.08. 14:00 Im Hermosa Creek Valley, 2600m
Das Coloradowegerl hinab vom Blackhawkpass ist wirklich ein fluffiges: Beinahe sechshundert Tiefenmeter S0 bis S1 im Wald, wie eigentlich fast der gesamte Coloradotrail, bergauf wie bergab. Klar sieht man fast immer irgendwelche Fotos von hoch oben mit weiten Panoramablicken, aber schlussendlich liegt die Baumgrenze in den Rockies doch bei fast dreieinhalbtausend Metern. Da kommt man zwar schon desöfteren drüber, ...
... aber meistens regieren unterwegs doch eher die Bäume. Das ist jetzt kein trostlos dichter Nutzforst wie daheim, sondern schon eher was natürliches, luftiges, halbwegs angenehmes. Aber nichtsdestowenigertrotz rollt man halt durch Wald ohne Aussicht, weit entfernt von "spectacular" und "amazingly alpine", wie die blumigen Beschreibungen der Amerikaner vermuten lassen. Und selbst über der Baumgrenze sehen die Rockies dann doch eher gemütlich gutmütig und almig aus, so etwa wie daheim in den Vorgebirgen. Sind hier halt uralte und von der Erosion längst rundgeschliffene Buckel. Riesig hoch zwar, aber von der Optik her kaum vergleichbar mit den zackigen Alpen.
Coloradotrailschild am Ende der Abfahrt vom Blackhawk-Pass. Freundliche "Trailangel" deponieren manchmal Trinkwasser an per Jeep zugänglichen Stellen, scheinbar gibt's hier auch trockenere Perioden. Wir können uns vor Wasser aus allen Richtungen derzeit kaum retten.
Blick zum Himmel nach einem weiteren Uphillstück zum nächsten Minipass "Corral Draw": Heute ist wirklich Land unter auf dem Coloradotrail. Ringsherum zucken bereits die Blitze, oben weiter fahren wäre keine besonders gesunde Idee. Sieht jetzt auch nicht gerade danach aus, als ob sich daran nochmal irgendwas ändern würde. Der Tag ist schon seit dem frühen Frühstück eher großräumig versaut. Klar könnte man sich schon wieder um zwölf Uhr mittags in's Zelt verkriechen und einfach bis morgen abwarten, aber da spielt unsere Vorratsplanung nicht mehr mit. Hatten die Rucksäcke in Silverton eher minimalistisch bestückt, um die Schlepperei auf dem Trail auf ein Minimum zu reduzieren. Schlussendlich sitzt das Gewicht beim Coloradotrail auf dem Rücken statt auf Zorrocarry, das kann ich beim strampeln überhaupt nicht mehr leiden. Kann man sich vermutlich als normalbikender Nichtgepäckträgerfahrer kaum vorstellen, aber wer seit zwanzig Jahren primär oberkörperfrei bergauf radeln darf, dem geht ein schwerer Rucksack dann umso mehr auf den virtuellen Keks, echte Kekse sind nicht mehr vorhanden.
Der Vorratsminimalismus rächt sicht jetzt: Wegen der ungünstigen Wetterlage und weil Kettle auch kein großer Highspeedfan von Singletracks bergauf ist, kommen wir insgesamt zu langsam voran. Für einen weiteren Abwartenachmittag und dann möglicherweise noch zwei Tage auf dem Coloradotrail reichen das Essen in keinem Fall. Also fällt die Entscheidung, den Weg am Corral Draw zu verlassen. Find ich jetzt nicht so besonders dramatisch furchtbar. So dürfen wir doch nochmal einen absolut feinen...
... und viele Kilometer langen, handtuchschmalen Singletrack ins tiefe Tal des Hermosa Creek abreiten, anstatt weiter auf dem auf Dauer doch etwas nervigen Coloradotrail ständig vierzig Meter runter und wieder fünfzig Meter hoch zu strampeln. Ich erinnere mich daran, dass ich diesem Weg schon beim Rockymountix nicht besonders viel abgewinnen konnte. Bin damals auch lieber links und rechts in die Täler abgetaucht und später wieder irgendwo anders raufgeklettert, anstatt oben rum in vielen Wellen durch die waldig voralpigen Grünhügelgegenden zu kurbeln. Das katastrophale Wetter heute und die leeren Rucksäcke machen die Entscheidung für dem "chicken exit" auch nicht unbedingt schwerer.
Freilich entgehen wir dem Gewitter auch auf unserer Abfahrt nicht. Bald schon setzt sintflutartiger Dauerregen ein und der flowige Corraldraw-Weg wird binnen Minuten zu rutschig glitschiger Schmierseife. Immer noch leidlich fahrbar, aber bei Sonne wär's dann schon angenehmer.
Selbige zeigt sich ganz kurz unten im Tal des Hermosa-Creek...
... und wir hoffen schon, unsere patschnassen Sachen ein wenig trocken zu bekommen. Ist aber eher Pustekuchen, nach kaum zehn Minuten zieht uns schon das nächste Gewitter direkt über die Köpfe. Und dann noch eins. Und noch eins. Langsam vermisse ich die durstigen Wüsten Utahs. Wenn in Colorado mal Sauwetter ist, dann scheinbar richtig. Hoch oben auf dem Coloradotrail wär's jetzt gerade vermutlich äusserst unangenehm. Hier unten eintausend Meter tiefer am Hermosa Creek haben wir's dagegen wenigstens halbwegs warm, wenn auch reichlich feucht von allen Seiten.
Regenhosen befinden sich nicht im Gepäck, für's gewitterbekannte Colorado natürlich ein Fehler. Hatten wir allerdings absichtlich so entschieden, schlussendlich müsste man die Dinger sechs Wochen lang nutzlos durch Nevada und Utah schleppen. Da wird man dann lieber in Colorado untenrum mal ein bisserl nass... und eingeschlammt. Dieser Tag ist heute...