HEW Classics Hamburg

Glück oder nicht Glück, diese Frage stellte ich mir gerade durch die Wortgefechte der letzten Wochen immer häufiger, wenn ich an die letztjährigen HE-Cyclassics dachte. Dieses Jahr mußten wir also beweisen, ob unsere Leistung im letzten Jahr gerechtfertigt war. Und um auch noch eine Steigerung in die Geschichte zu bringen, entschieden wir uns für die lange Strecke. Au Mann, das sollte ein ganzes Stück harter Arbeit werden.

Den Freitag und Sonnabend haben ja die anderen bereits ausführlich wiedergegeben, also belasse ich es hier mal nur bei meinen eigenen Erlebnissen des Sonntags:

Gegen 0715 stehen die 4 Helden vom letzten Jahr – Husten, RiFLi, Menis, Acke – in der ersten Reihe des Startblockes A, und allmählich füllen sich die Reihen. Witzig, wir haben fast die niedrigsten Nummern, und alle scheinen dies auch wahrzunehmen. Wir ernten nur kühle und distanzierte Blicke, nur ein paar vereinzelte Beinglatzen lassen sich zu einem lockeren Smalltalk hinreißen. Dennoch scheinen hier ganz vorn alle etwas gelassener zu sein, letztes Jahr im F-Block war die Atmosphäre wesentlich angespannter. Gegen 0800 gibt der Offizielle die Strecke für uns frei und mehrere Hundert heiße Hunde machen sich auf den Weg. Die Geschwindigkeit ist entgegen meinen Erwartungen noch relativ entspannt, die ersten Straßen durch Hamburg werden mit knapp 40 genommen, und alles fühlt sich recht entspannt an. Dennoch gibt es bereits in den ersten Minuten das typische Gerangel um die besten Plätze im Feld – keiner will am Ende fahren oder etwa an der Seite im Wind stehen.

Ich orientiere mich anfangs immer an Menis, doch es ist schwer, ständig Kontakt zu halten. Irgendwann zwischendurch höre ich Menis:“Komisch, so richtig Dampf machen die vorn aber nicht.“ Und da geht es auch schon los: Mit einem Mal kommt Bewegung ins Feld, die Pace schnellt auf knapp 50 hoch, ich muß schon ordentlich reinlatschen, um meinen Windschatten zu halten. Dann wieder unter 40. Es gibt immer öfter Attacken vorn, und das nach 20 oder 30 Km. Husten hält sich am Ende des Feldes auf, während Menis kurz vor mir zu sehen ist. RiFli bewegt sich auch mal vor, mal hinter oder mal neben mir. Man schafft es durch die Eigendynamik des Feldes nicht, beieinander zu bleiben. So wird einem bewußt, was es für eine harteArbeit sein muß, ein komplettes Team um einen Kapitän halten zu können – im TV sieht es immer so einfach aus.

Wir fahren durch verschiedene Dörfer, deren Namen ich mir nicht merken kann. Leicht wellig ist es schon, aber nicht fett genug, um unser Feld zu zerreißen. Wir nähern uns nach knappen 70 Km wieder Hamburg, und das Tempo ist seit den letzten 20 oder 30 Km extrem hoch geblieben. Meine Uhr zeigt ständig 42-48 Sachen an. Bei Km 90 soll dann die Köhlbrandbrücke kommen, in der Ferne ist sie schon auszumachen. Menis ist immer noch 5-10m vor mir, ich kann sein Eisenschwein auf dem Rücken stets gut sehen. Nur Husten habe ich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr wahrgenommen, obwohl ich einige Male fast am Ende des Feldes gewesen bin. Es geht eine leichte Linkskurve in Richtung Brückenauffahrt, als ich die fette Rampe auch schon sehen kann. RiFli ist gerade bei mir, und ich sage zu ihm:“Nur nicht überdrehen, es ist noch zu früh.“ Welch fataler Fehler, wie sich zeigen sollte.

RiFli und ich fahren relativ weit hinten im Feld die Brücke rauf, als kurz vor uns ein Loch reißt. Scheisze!!! Zwei oder drei Fahrer könenn nicht folgen, und wir müssen aus dem Windschatten raus, um den Anschluß nicht zu verpassen. Das war es, denke ich. 30m sind bereits zwischen uns und dem Feld, und wir keulen, was die Beine hergeben. Mit knapp 30 Sachen drücken wir die Köhlbrandbrücke hoch, doch der Abstand vergrößert sich leicht. Das kann doch nicht wahr sein. RiFli gibt vor mir alles, und oben am Scheitelpunkt sind wir ungefähr 8 Fahrer, die jetzt um ihr Leben fahren. RiFli schreit:“WIR MÜSSEN KREISELN!!!“ Er geht in den Wind, gleich wieder raus, dann der nächste. Als ich vorn bin, kann ich nur ein paar Kurbelumdrehungen durchhalten, die Beine brennen wie Hölle. Immer noch 30m – es wird nicht weniger! Die anderen unserer kleinen Gruppe sind nicht mehr im Stande zu führen, und ich drohe im Wind zu verhungern, als links einer vorprescht. RiFli hängt sich sofort rein und ruft mir zu:“LOS, LINKS RÜBER UND REIN!“ Ich rette mich in den Windschatten und bücke mich, so tief ich kann. Es schien wie eine halbe Ewigkeit, als wir endlich wieder ans Feld ranfahren. Die ganze Aktion hat bestimmt 10min gedauert und eine Menge Saft aus den Beinen gezogen. Dazu kommt der Gedanke, daß ich mich auch jetzt kurz vor Ende der 100er Runde nicht ausruhen kann, denn das Tempo wird extrem hochgehalten.

Irgendwann sehe ich die Schilder „Streckenteilung 100Km/155Km“ und wundere mich, daß nur ein paar vereinzelte Fahrer auf das Ende der 100er Strecke gehen. Wir preschen weiter wie vom Teufel gejagt durch die Hamburger Innenstadt, und ich weiß, es werden jetzt noch ganz harte 55 Km. Das Feld, oder besser unsere erste Gruppe ist extrem geschrumft und zählt vielleicht noch 100 Mann. Gedanken jagen mir durch den Kopf: “Wenn ich hier dranbleiben kann, bin ich vielleicht unter den ersten 100“. Eigentlich kann ich mir zu diesem Zeitpunkt gar nicht vorstellen, daß wir die Spitzengruppe bilden, aber ich weiß auch, daß vorn keiner weggekommen ist, wir aber dafür Unmengen vom Fahrern nach hinten ausspucken konnten.

Wir jagen durch den Norden des Hamburger Umlandes, und ich mache mich schon jetzt auf die harte Prüfung in Blankenesegefaßt, wo die gefürchteten Anstiege kommen sollen. Eine andächtige Ruhe schleicht durch unsere Gruppe, es fallen kaum Worte. Das Tempo ist seit der Teilung der Strecken extrem hoch, wir fahren fast ausschließlich um die 45 Sachen. Es ist immer wieder da gleiche Spiel: Hohes Tempo, dann eine Kurve, Herunterbremsen auf 30 Km/h, vorn bereits wieder voller Antritt, das Feld wirkt wie eine Ziehharmonika, wieder aus dem Sattel und volle Bulette trampeln, 53 Sachen auf der Uhr, dann das Ganze wieder von vorn. Die vielen Kurven lassen die Anfahrt zum ersten Berg vermuten, und ich nehme als letzte Instanz meine mitgeführte Colaflaschen aus dem Trikot. Kaum habe ich ein paar gierige Schlucke genommen, ziehen sie vorn wieder maximal an, und ich kann den ersten Anstieg ausmachen. Schnell die Pulle nach rechts weggeworfen, aus dem Sattel raus und alle verbleibenden Körner auf die Pedale geknallt. RiFli ist genau neben mir, und ich kann in seinem schmerzverzerrten Gesicht sehen, daß es auch leidet. Es tut sermaßen weh, daß jede Sekunde überlege, einfach aufzuhören und abreißen zu lassen. Ich schaue nach vorn, sehe Menis 3 oder 4 m vor mir. Sehr gut. Dann wieder ein Blick zur Seite, RiFli ist nicht mehr da. Scheisze, hoffentlich kann er den Anschluß halten. Wir drücken wieder mit einem Höllenspeed über den Berg, dann die erlösende Abfahrt. Denkste! Runter wird weiter voll gelatscht, die Führenden wollen hinten Opfer sehen und sich potentieller Gegner im Zielsprint entledigen. Ich habe auf der Abfahrt wieder 5 oder 6 m abreißen lassen, und zum Glück schaffe ich es mit einem anderen Fahrer, wieder an die immer kleiner werdende Gruppe heranzufahren.

Wir sind untern angekommen, da kracht es genau vor mir in einer Linkskurve. 4 oder 5 Mann gehen zu Boden, es scheppert wie nach einem Bombeneinschlag – ein grausames Geräusch. Ich muß beinahe anhalten und kann mit einem gewagten Rechtsschlenker das Schhlimmste vermeiden. Jetzt heißt es für 10 oder 15 Leute voll reinhalten und Gruppe nicht verlieren. Als wir wieder dran sind, geht es den zweiten Stich hoch. Diesmal muß ich aufs 39er schalten, da die Rampe etwas fieser aussieht. Dennoch sehe ich mindestens eine 25 auf der Uhr, ich kann aber diesmal etwas nach vorn fahren und lasse dabei ein paar Fahrer hinter mir, die oben vor der Abfahrt dann abreißen lassen müssen. Sehr gut,jetzt noch einletzter Hügel, wenn ich den schaffe, sind wir duch! Ein paar Schlenker links und rechts, dann geht es in einem weiten Bogen auf die letzte Rampe, die etwas flacher, aber dafür länger scheint. Hier gebe ich alles, kann Menis noch ausmachen und orientiere mich immer wieder an den gleichen Fahrern. Als wir oben ankommen, schaue ich mich kurz um und sehe, daß wir viele haben abhängen können, unser Grüppchen schmilzt immer weiter. Nur ist leider auch RiFli Opfer des ersten Stiches geworden. Mist!

Ich kann einen weißgelben Werbebogen ausmachen, der die Aufschrift „10 Km“ trägt. Die Erlösung naht, doch es sind noch ein paar ultraharte Km bis ins Ziel. Ich schaue alle 10 sec auf den Tacho, die Km scheinen überhaupt nicht zu vergehen. Mit jeden Km wird der Speed höher, auf den Geraden sehe ich fast immer eine 50 auf der Uhr, in den Kurven sind es immer noch 35. Dann der rote Lappen! Jetzt heißt es Zähne zusammenbeißen, und drücken, was die knallharten Beine noch hergeben. Die Zielgerade auf der Mönckebergstraße ist ganz leicht ansteigend, und trotzdem drücken wir mit 47 oder 48 Sachen in Richtung Ziel. Menis ist ein weiter vorn in der Gruppe, ich kann jeden einzelnen Fahrer bis aufs Messer kämpfen sehen. 50 m vor der Zielline kann ich noch 2 Mann überholen, und schon erscheint unter meinem Vorderrad der erlösende weiße Strich. Geschafft!

Mit trockenem Hals und völlig ausgebrannten Beinen lasse ich mich ausrollen und folge den anderen zur Transponderrückgabe, die jetzt noch relativ leer ist. Dann begebe ich mich direkt zu unsere ausgemachten Treffpunkt, wo ich zuerst auf Menis treffe. Wir fallen uns in die Arme und sind uns sofort einig: Uns kann keiner mehr etwas vormachen. Wir sind mit der Spitzengruppe, die vielleicht noch 60 oder 70 Mann zählte, mit einem wahnsinnigen 43er Schnitt auf der langen Runde reingekommen. Im Ernst, aber ich habe soetwas dieses Jahr nicht für möglich gehalten. Ganz großes Kino! Dann kommt auch schon RiFli, und später auch der Rest der tapferen Kaderschaft. Jedoch am meisten genieße ich in diesem Augenblick, daß auch meine Liebste mich in die Arme nimmt – Radrennen kann so schön sein. :)

Die Kulisse war überwältigend, kaum steigerungsfähig. Selbst an den 3 Anstiegen schien die Atmosphäre fast großartiger als in Alpe d’Huez oder Courchevel. Die Zuschauermassen auf der Zielgeraden bescherte mir eine derartige Gänsehaut, daß ich den Tränen nahe war. Eigentlich kann man dieses Gefühl nicht in Worte kleiden.

Ein fantastisches Wochenende wurde ebenso fantastisch gekrönt, und ich bin sogar einwenig stolz auf uns. Wir haben gezeigt, daß wir vorn mitfahren können, und in mir steigt die Gier nach mehr im nächsten Jahr. Ich denke, Rund um den Henninger Turm und die Mecklenburg-Rundfahrt wird wieder ganz oben auf meinem Programm stehen, und mit noch besserer Vorbereitung (Einzelzeitfahren!) hätte ich schon einmal Lust auf eine Top-Ten-Platzierung. Und wer weiß, vielleicht sehen wir uns auch in Hamburg wieder… ;)
 
Ich glaub, ich sollte damit mal zum Arzt gehen. Das sieht ja KRANK aus. Aber vielleicht ist das auch die Körperhaltung bei den man die entscheidenden Sekunden beim Zeitfahren rausholt. Es sieht jedenfallls strömungsgünstiger aus als die ballonartige Haltung der anderen....

Ritzelflitzer
 
Nun endlich will auch ich zusammenfassen wie es mir ergangen ist. Soviel vorweg: ES WAR ENDGEIL!

Das ganze drumherum haben nun wirklich schon alle schön zusammengefasst, da brauch ich nicht mehr viel zu sagen. Es war in jedem Fall mal wieder so richtig schön im Kreise gleichgesinnter Freunde ein Wochenende mit klönen, fachsimpeln, Schwachsinn labern, Messestände plündern, Mehlspeisen vertilgen, Bier mit und ohne Alkohol saufen und natürlich Rad fahren zu verbringen!

Ich glaube meine am häufigsten verwendeten Worte dieses Wochenendes waren „Oh man, ich hab die Hosen gestrichen voll.“ Und genau so war es auch. Ich hatte so dermaßen Schiß in der Hose wie noch nie. Die Geschichten aus dem Vorjahr von krachendem Metall und Massenstürzen haben mir gehörigen Respekt eingeflößt und meine Gemütslage sprang fast sekündlich zwischen riesiger Vorfreude und totaler Verzweiflung hin und her: Soll ich mich wirklich freuwillig in derartige Gefahr begeben? Werde ich morgen abend zufrieden nach Hause fahren? Oder werde ich vielleicht in irgendeinem Krankenbett meine Augen aufschlagen und mich dafür verfluchen, dass ich überhaupt gestartet bin? Die Angst kam vor allem von der Gewissheit, dass man schlicht und einfach von anderen abhängt. Wenn man sich bei einem MTB-Marathon auf die Fresse legt, ist man eigentlich fast immer selber schuld und es liegt meist am eigenen Unvermögen. Da kann man sich dann wohl auch mit abfinden. Aber bei diesem Event kann es passieren, dass vor einem einer Mist baut und man völlig unverschuldet Probleme kriegt.

Diese zweifelnden Gedanken sorgten auch dafür, dass ich irgendwelche Ziele bezüglich Platzierung und angepeiltem Durchschnitt komplett aus meinem Hirn gestrichen hatte. Obwohl ich wochenlang vorher über minimal und maximal Ziele gegrübelt hatte, war das plötzlich kein Thema mehr. Heile durchkommen war die Devise!

Die Nacht zum Sonntag verlief also ziemlich unruhig. So richtig zur Ruhe gekommen bin ich nicht und obwohl ich eigentlich zur Gattung der Langschläfer und Morgenmuffel gehöre bin ich an dem Sonntag bereits vor dem Alarm des Weckers einfach so aufgewacht. Nach einem ausgiebigen Frühstück machten wir uns also auf den Weg. Die Stadt war natürlich bereits voll mit mehr oder weniger Gleichgesinnten jeder Couleur. Das fing wirklich bei Rentnerpärchen mit Cityrädern an und hörte bei nach Sixtufit riechenden Oberposern auf und dazwischen war jede Facette vertreten. Es gab lediglich zwei Verbindende Elemente: Alle waren auf zwei Rädern unterwegs und trugen Startnummern.

Nachdem wir also die Titelverteidiger vorne im Startblock A verabschiedet hatten und uns alle gegenseitig auf die Schultern geklopft hatten, machten OnkelW und ich uns auf nach hinten in unseren Startblock. Es wurden noch etliche kleine „Warmfahrrunden“ gedreht, stillstehen hätte ich sowieso nicht gekonnt, bevor wir uns dann mit dem mittlerweile ebenfalls aufgetauchten Pda in den Startblock C begaben. Dort erblickte ich zunächst glatt noch den ein oder anderen Outlaw wie mich: unrasierte Beine und Camelbag. Auch die Fahrzeuge der Konkurrenten waren eine bunte Mischung und nicht wie ich erwartet hatte alles Carbonrenner mit einem Wert welcher näher an dem meines Vierrades liegt als an dem meines Tschechenblitzes. Erste Erleichterung machte sich breit. Vielleicht war ich doch nicht ganz falsch hier?

Der Startblock füllte sich langsam und ab etwa acht Uhr kam leichte Unruhe ins Feld. Gegen 8:15 ging es dann endlich los. In den ersten Minuten waren alle geschmiedeten Pläne erst mal vergessen. Ich versuchte mich irgendwie an OnkelWs Hinterrad zu heften. Das war nicht ganz einfach, denn der hatte offensichtlich vor sich möglichst schnell im Feld nach vorne zu arbeiten. Als dann allerdings die ersten querlaufenden Bahnschienen kamen, sah ich den ersten Verletzten aus einem der vorderen Blöcke am Rand auf die Sanis warten. Dies in Kombination mit der Durchschnittsgeschwindigkeit jenseits der 40km/h und mit den Schlenkern, welche das gesamte Feld bei jeder weiteren Querung von Schienen machte, schoben meine guten Vorsätze wieder in den Vordergrund: Mensch nauti, durchkommen war die Devise!

Also ließ ich OnkelWs Hinterrad eben OnkelWs Hinterrad sein und verzog mich nach hinten. Von dort aus hatte ich eine gute Übersicht nach vorne. Es hatte sich ganz vorne eine große Traube gebildet und diese Traube zog einen langen Schwanz an Fahrern hinter sich her, welche in Reihen von zwei bis drei Fahrern fuhren. Fragt mich nicht wie ich auf den Gedanken kam aber irgendwie erinnerte mich der Anblick dieser großen Gruppe, welche sich durch die Straßen schlängelt an ein Spermium auf dem Weg ins heiß ersehnte Ziel. In dieser Position fühlte ich mich relativ sicher, konnte ich doch ziemlich genau sehen was vor mir passiert und war der Meinung so vielleicht auch einem Sturz vor mir ausweichen zu können. Die Kehrseite der Medaille war allerdings, dass ich bereits hier den Wind ziemlich deutlich spürte und mir war bereits dort klar, dass ich so irgendwann Probleme kriegen werde das hohe Tempo zu halten. Aber was solls, Augen zu und durch.

Ein echtes Problem stellten die „Vattenfallidioten“ dar. Wie ich mittlerweile weis, war das gesamte Vattenfall Team mit 400 Fahrern aller Leistungsstufen zwischen Block B und C gestartet. Diese wurden nun in kleinen Grüppchen von unserem Feld aufgesogen und hinten wieder ausgespuckt. Solange keine Kurven kamen funktionierte das auch Problemlos. Allerdings war mir klar, dass das früher oder später zu Problemen führen würde. Also beschloß ich doch noch mal einen Versuch zu starten, bis zum Körper des Spermiums vorzudringen um nicht schon so früh den Anschluß zu verlieren. Schließlich waren wir mittlerweile aus Hamburg raus, die Unruhe im Feld hatte sich etwas gelegt und ich hielt es nichtmehr für zu gefährlich. Mehrfach scherte ich also aus, um mich langsam an dem langen Spermienschwanz (geiles Wort oder?) vorbei zu mogeln. Nachdem ich drei oder vier Reihen passiert hatte, versuchte ich mich kurzzeitig wieder einzureihen um etwas Windschatten zu genießen. Erwartungsgemäß war das natürlich nicht ganz einfach und es wollte keiner auch nur einen Zentimeter platz machen. Die etwa 150m bis da vorne allerdings voll im Wind alleine zu fahren traute ich mich auch nicht. Also versuchte ich andere zu animieren einen kleinen Kreisel zu bilden und gemeinsam nach vorne zu fahren. Die haben mich alle nur verständnislos angeguckt und genau dann passierte es: Eine kleine Gruppe Vattenfallidioten wird ins Feld aufgesogen und nach hinten durchgereicht. Als sie etwa auf der hälfte des Feldes lagen, kam eine Kurve, die Vattenfallidioten traten nicht schnell genug an, Zieharmonikaeffekt quadriert sozusagen und vorne ging der ICE ab. Nun gut, ich mußte mich wohl damit abfinden, dass ich von jetzt an nur noch im D-Zug unterwegs war.

Der Fehler sollte mir auch nur einmal passieren. Von nun an wollte ich mich in meiner Gruppe weiter vorne aufhalten. Das gelang mir auch die nächsten 10km ganz gut, allerdings hatten wir inzwischen nach Norden abgedreht und der Wind kam ziemlich fies von links vorne. Der Wind war so stark, dass sich in meiner Gruppe einfach keine Traube mehr bilden wollte. Stattdessen wurde sehr sauber in Zweier- bis Dreierreihen gefahren. Lediglich in der Spitze wurde gekämpft und einreihig dem Wind getrotzt. Ich versuchte da auch ein bisschen mitzuspielen und war erstaunt wie gut meine Beine mitmachten. Nur dass die anderen in der Gruppe sich so einen Schei$ zusammenfahren, damit habe ich nicht gerechnet. Der Wind kam von links vorne und der erste ganz vorne hielt sich schön fein säuberlich am rechten Fahrbahnrand auf. An Windschatten war also nicht zu denken. Ich versuchte mehrfach wenn ich vorne war, nach links zu ziehen um so meinem Hintermann Windschatten zu geben. Aber keiner folgte diesem großzügigen Angebot. Schlimmer noch, wenn ich dann versuchte mich wieder einzureihen, hat natürlich wieder keiner Platz gemacht. Als ich verbal versuchte einen der anderen darauf aufmerksam zu machen, dass es vielleicht etwas mehr Sinn macht wenn der erste links fährt, wurde mir ein unfreundliches „rechtsfahrgebot“ entgegengeschleudert. So kämpfte ich einige Kilometer mit den Verhältnissen und zog mich dann wieder nach hinten zurück.

Da ging es allerdings gleich weiter. Regelmäßig taten sich meterlange Löcher im Feld auf. Da ich nicht schon wieder den Anschluß verlieren wollte bin ich etliche male in den Wind gestochen und habe diese verdammten Löcher wieder zu gefahren. Ihr könnt euch vorstellen, wie viele sich da drangehängt haben. Aber es gab in dieser Gruppe neben mir nur einen anderen, der mitspielte und sich auch mal bemühte das ein oder andere Loch zuzufahren.

Bei Kilometer 70 schaltete sich aus irgendeinem Grund mein Verstand wieder ein. Die vielen Zwischensprints im Wind, das sowieso hohe Tempo und die vielen Tempowechsel zollten ihren Tribut. Meine Beine meldeten sich ganz langsam zu Wort. Nach einem Blick auf den Pulsmesser, welcher einen Durchschnitt von 177 anzeigte, fällte ich eine rationale Entscheidung: Bis zur Köhlbrandbrücke hältst du dich zurück! Gedacht, getan und so lies ich tatenlos geschehen was geschehen musste. Das bisher noch immer ziemlich Große Feld viel auseinander und vorne entstanden mehrfach kleinere Gruppen von etwa 20 Fahrern welche sich langsam entfernten.

Die Köhlbrandbrücke kam ich dann auch ganz gut rauf und oben angekommen sah ich eine der Gruppen etwa 100m vor mir. Die wollte ich kriegen und trat in die Pedale was der Körper hergab. Natürlich zogen gleich vier andere in meinem Windschatten mit und das war das einzige mal, dass sich ein funktionierender Kreisel bildete. Als ich bereits Sterne sah, schob sich langsam mein Hintermann an mir vorbei. Er hatte sogar die richtige Seite gewählt und ich konnte im Windschatten der vorbeifahrenden mich schön hinten wieder anhängen. Als sich der Fahrer zwei vor mir zu Schade war im Wind auch gas zu geben, zeigte mein Vordermann kurz nach links und während ich noch darüber nachdachte was er wohl meint, zog er plötzlich links rüber, schoß an dem anderen vorbei und schrie ihm noch ein „verpiß dich wenn du nicht mehr kannst“ zu. Dies passierte auch sogleich und er viel nach hinten weg als würde er stehen. Ich konnte grade so reagieren und den Windschatten halten. Danach musste ich noch einmal meinen Mann im Wind stehen und hatte dann sogar das Vergnügen das Loch vorne persönlich zuzufahren. Was ein geiles Gefühl, wenn man sich fast Zentimeterweise an das Feld heranarbeitet und dann aufeinmal den Windschatten spürt.

Nun musste ich aber zunächst mal wieder verschnaufen und als ich endlich wieder zu mir kam, viel mir etwas furchtbares auf. Die Gruppe an welche ich mich grade unter dem verschwenden von vielen, vielen Körnern herangearbeitet hatte, bestand fast nur aus Fahrern mit grünen Nummern. So eine verdammte Schei$e, alles umsonst. Und bei der Feldertrennung kam es wie es kommen musste. Ich war alleine mit einem anderen Fahrer aus der Gruppe übrig, alle anderen waren in Richtung Ziel abgebogen. Und schon wieder etwa 150m Abstand zur nächsten Gruppe nach vorne, nach hinten aber auch kein D-Zug im anrollen.

Ich hing mich also in den Wind und ging mit gutem Beispiel voran. Der Idiot hinter mir wollte aber partout keine Führungsarbeit übernehmen. Mehrfach forderte ich ihn auf aber er verzog nichtmal seine Miene. Starrer Blick nach vorne und keine Reaktion. Irgendwann war mir das zu blöd und ich nahm die Beine hoch um mich wenigstens neben ihn zu setzen und zu versuchen ihn zu animieren auch was zu tun. Der Penner nahm allerdings die Beine genau so hoch und blieb immer schön hinter mir. Alleine würde ich es nicht schaffen aufzuschließen und so radelte ich im gemächlichen Tempo durch Hamburg, hatte ausnahmsweise mal zwei A****löcher (mein eigenes und das was hinten drann hing) und wartete auf die nächste Gruppe von hinten.

Von nun an war das Rennen zum üblen Kampf geworden. Die Gruppen waren so klein, es wurde so unintelligent gefahren und es taten sich immer wieder Löcher auf. Fragt mich nicht wo ich die Kraft herhatte aber irgenwie konnte ich die Löcher immer wieder zu fahren. Ich geb ja auch zu, dass das ein oder andere Loch auch durch Unachtsamkeit meinerseits sich direkt vor mir auftat. Diese fuhr ich allerdings alle eigenhändig wieder zu. Leider machten die anderen ebendieses nicht. So kamen noch einige Löcher hinzu welche eben auch von mir zugefahren wurden.

Irgendwann hatte ich dann das Vergnügen, das erste mal das ganz üble langsame Abplatzen von der Gruppe am eigenen Leib zu spüren. Drei bis vier Fahrer vor mir tat sich ein Loch auf. Es war zunächst nur zwei bis drei Meter groß aber keiner reagierte. Plötzlich waren es fünf Meter und ich merkte wie die Fahrer vor mir die Hoffnung verloren und langsamer wurden. Also reagierte ich, schoß nach links aus dem Feld heraus und trat in die Pedale das die Rübe platzt. Ich hatte zwei Leute mitgezogen, die Gruppe hinten viel schnell zurück aber der Abstand nach vorne blieb Konstant. Ich betete, dass einer der beiden hinter mir endlich an mir vorbei kommt und die paar Meter noch zu fährt. Aber weit gefehlt. Der Abstand wurde nun langsam größer. Sechs Meter, sieben Meter, zehn Meter, 15 Meter, 20 Meter,... Noch immer verbiß ich mich in den Lenker und wollte einfach nicht aufgeben. Vielleicht kommt ja gleich eine Kurve und der Zieharmonikaeffekt hilft mir. Weit gefehlt! Wir befanden uns auf einer ellenlangen graden Landstraße. Irgendwann ging es einfach nicht mehr und ich nahm die Beine hoch. Langsam wurde ich wieder klar im Kopf und spürte ein leichtes Schulterklopfen. Einer der beiden anderen war neben mich gefahren und entschuldigte sich. Er sagte so was wie: „Mensch schade, tut mir auch wirklich leid aber ich hatte alle Hände voll zu tun um in deinem Windschatten zu bleiben. An vorbeifahren war einfach nicht zu denken.“ Ich murmelte so was wie „Passt schon“ und fühlte mich ganz groß. Mein erstes Rennradrennen und ich empfand das Schulterklopfen einer wahrhaftigen Beinglatze fast als Ritterschlag.

Nun standen so etwa 120km auf der Uhr und zum ersten Mal keimten die Wochenlang überdachten Zielsetzungen wieder in mir auf. Ich wollte irgendwo zwischen 4 und 4,5 Stunden brauchen und mindestens einen Schnitt von 35km/h erreichen. Der Tacho zeigte einen Schnitt von 37,4 km/h und Zahlenmensch der ich nun mal bin, fing ich gleich an zu rechnen. 37,4 km/h auf 155km. Das würde ja bedeuten, dass ich unter 4 Std 10 min bleiben würde. Wie geil! Also weiter und hoffen dass ich durchkomme.

Bis Wedel fand ich auch immer ein passendes Hinterrad und konnte irgendwie mitrollen. Dabei hatte ich nichtmal ein schlechtes Gewissen. Schließlich hatte ich bereits jede Menge fürs Feld getan. Allerdings meldeten sich meine Beine nun vermehrt zu Wort und ich lies das ein oder andere Hinterrad dann auch mal ziehen. Große Gruppen gab es sowieso nicht mehr und ich hatte die Priorität verschoben: ich wollte den Schnitt bis ins Ziel halten. Als es in den fiesen Anstieg ging, passierte es dann allerdings gleich unten. Es machte Schnapp und meine Oberschenkel quittierten ihren Dienst. Schmerzverzerrten Gesichtes zwang ich mich die Kurbeln weiter zu drehen, musste aber einen nach dem anderen Gang runterschalten. Bis auf einmal kein Gang mehr da war in welchen ich hätte runterschalten können. Die Gegner flogen nur so an mir vorbei, die Zuschauer feuerten uns an aber ich versagte kläglich. Man war ich langsam, ich hatte das Gefühl zu stehen. Die Zuschauer sahen mich wohl leiden und feuerten mich ganz besonders an. Ich habs noch immer in den Ohren:“ Hopp, Hopp, Hopp, es ist nicht mehr weit, weiter so, treten, treten, treten,...“. Alles lief wie im Film an mir vorbei. Von Krämpfen geschüttelt überdachte ich an einem kleinen Absatz meine Strategie und schaltete um von „mit dem Schnitt durchkommen“ zu „ankommen und zwar noch lebend“. So machte ich es mir gemütlich, genoß die Atmosphäre und kurbelte ganz gemächlich bergauf. Der Puls pendelte sich zwischen 140 und 150 ein, ich konnte locker atmen aber die Beine wollten einfach nicht mehr.

Ich fuhr sogar noch auf einen auf, dem es genau so ging. Ganz langsam kurbelten wir den Berg hinauf und ich textete ihn voll. Schließlich lag es nicht an der mangelnden Kondition denn der Puls war weit unten. Als er sich dann allerdings hinter mich hängte konnte ich mir nicht verkneifen, ihn darauf aufmerksam zu machen, dass er auch ruhig neben mir fahren könnte. Schließlich war bei Schrittgeschwindigkeit kein größerer Effekt von meinem Windschatten zu erwarten. Er stammelte irgendwas von er braucht das zur Motivation und wahrscheinlich hat er sich einfach gedacht das der Idiot (ich) doch endlich seine Klappe halten sollte und sich deshalb hinter mich gehängt.

Als wir so gemeinsam die letzten Berge niedergerungen hatten, hatte sich zwischen uns so was wie ein blindes Verständnis gebildet. So nach dem Motto, jetzt geht es für uns beide nurnoch ums ankommen also lassen wir die Schmach der unglaublichen Langsamkeit gemeinsam über uns ergehen. So rollten wir ganz gemächlich dem Ziel entgegen.

Die Stimmung dort brachte dann die Adrenalinausschüttung noch mal in Wallung. Wie geil das ist, dort durch die Massen zu fahren und den Alarm den die veranstalten zu genießen. Einmalig und alle Strapazen absolut wert. Obwohl ich eigentlich etwas enttäuscht darüber war, dass ich auf den letzten 20km noch etwa 15 min verloren hatte und so grade eben den Schnitt bei 35km/h halten konnte, hab ich diesen Moment genossen und mich gefühlt wie ein ganz großer. Der Zielstrich wurde nach 4 Std. 25 Min. überquert und ich hatte es geschafft. Noch schnell den Transponder zurück gegeben und dann auf zum vereinbarten Treffpunkt.

Dort warteten erwartungsgemäß alle anderen auf mich und als sie mich entdeckten, bekam ich noch meinen ganz eigenen ESK-Jubelsturm. Offensichtlich zeigten sich die Strapazen in meinem Gesicht und die anderen fühlten sich genötigt meine wenn auch höchstens durchschnittliche Leistung zu würdigen. Das ist dann halt der Vorteil, wenn man der langsamste im Team ist. Die anderen waren eben alle schon da und hatten so viel Zeit gehabt nach ihrem Zieleinlauf, dass sie wieder die nötige Kraft für diesen einmaligen Empfang geschöpft hatten. Auf jeden Fall hatte ich eine Tradition hoch gehalten: Ein nautilus gibt nicht auf!

Die weiteren Geschehnisse des Tages könnt ihr dann wieder den Berichten der anderen entnehmen, meiner ist sowieso schon viel zu lang geworden. Nur eine ganze Latte Danksagungen muß ich natürlich noch los werden: Zuerst selbstverständlich an Norbert für seine unglaubliche Gastfreundschaft, an OnkelW für seine Fahrdienste (ich wäre nicht in der Lage gewesen noch nach Berlin zu fahren), an die Cheerleader welche uns am Vorabend motivierten, am morgen vor dem Rennen Zuversicht spendeten und uns dann auchnoch einen tollen Empfang bereiteten, an die Orga (speziell natürlich an den Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. U. V., meinen persönlichen Trainingsberater) für eine spitzen Veranstaltung und zu guter letzt an das Hamburger Publikum. Wie ihr die Fahrer gefeiert und angefeuert habt, dass sucht seines Gleichen. Nicht zuletzt durch euch war dieser Tag ein unvergessliches Erlebnis! Von wegen kühle Norddeutsche...

Auf ein neues nächstes Jahr, die verdammten 4Std.10Min. will ich noch knacken!
 
also gut zwock. hier ist ein schwuckenbericht, nach allen regeln der kunst:

startnummer 30007, 30008, 30009 und 30010 reihten sich in teamtrikots an der startline auf. ich meine genau an der startlinie. als erste. hinter uns ein feld von letztendlich 20000 radfahrern, aber wir an allererster stelle. damit waren unsere ambitionen klargestellt. im feld wurde es als selbstverständlich aufgenommen, dass wir, als teamwertungsgewinner des letzten jahres hier den ganz, ganz breiten machten. vorsicht - hier stehen die megacracks.

berechenbar, wie wir - die rennradschwuppen - sind, galt unsere rückennummer fortan als freifahrschein. immer wurde ich in die kette gelassen, nie wurde ich angemeckert und selbst wenn ich unachtsam andere behinderte, gab es kein geschrei, sondern höchstens ein “mann, die anderen fahren hier wie die letzten idioten”. klar - wir nicht.

so ging es durch die südöstlichen bezirke des hamburger speckgürtels. nach etwa 40 kilometern zuckten das erste mal meine beine. schockiert, wirklich schwer bestürzt nahm ich das zur kenntnis, war doch bisher wirklich nicht hart gefahren worden! oh gott - noch 115 kilometer und meine waden zuppeln schon! meine moral war derartig tief im keller und angesichts des einen oder anderen sturzes war ich mir darüber im klaren, dass diese teilnahme ein fataler fehler sein würde. aufgeben - nur wie? warum, bitte warum platzt nicht endlich mein reifen? verdammt - ich könnte anhalten und mich zu den typen in der hollywood-schaukel setzen und paar mollen schlürfen.

während ich in tiefer verzweiflung durch die gegend rollte, fing das feld langsam an etwas - ja - motivierter zu fahren. ich ejakulierte mir zwei tüten gel in den mund, spülte mit wasser nach und wartete auf irgendein wunder.

und tatsächlich. nachdem wir die ersten bodenwellen überfahren hatten, ich dabei aus dem sattel ging und richtig nach vorn fuhr, merkte ich, dass die harte belastung einen art “anpassungsvorgang” in meinem gehirn mit sich brachte. mit stetig wachsendem tempo und damit auch steigender belastung, schien es mir immer besser zu gehen. war es das gel? ich hatte schon mal beobachtet, dass mein motor immer erst nach kurzen, aber harten belastungen “anspringt”.

es kam diese brücke. inzwischen lief es wirklich besser. ich fuhr locker im feld, fuhr auf 50-60 position und ganz langsam verschwand der tiefe wunsch, einfach bei 100km auf die mittlere distanz abzubiegen. nach der trennung der felder bildete sich ein kompaktes feld. es wurde schnell gefahren und ich erwischte mich bei dem gedanken einfach vorn aus dem feld auszubrechen. doch vorn, in 500-600 meter entfernung fuhren bereits 6, oder 7 fahrer. ohne sie zu schnappen wurden sie vom feld ausgetrocknet. sie kreiselten, strampelten, kämpften und gaben schliesslich auf.

also hiess es auch für mich schnautze halten und mitrollen. blankenese. um mich herum wurden oberschenkel ausgeschüttelt, waden gewabbelt - schnitt 44,1 km/h. nun ging es in die beiden anstiege hinein. auf der scheibe ging ich in die steigung und merkte, dass ich noch wirklich frei drehte. da war kein zucken und kein mucken - meine beine wussten, dass es langsam ernst werden wird. auf der abfahrt rasselten wieder fahrer in die abspeerung. boras flogen an mir vorbei, braungebrannte, eingeölte beine mit roten übersocken zeigten gegrätscht weit in die luft - tempo 65 - holla, da fuhr ich liebe weiter rechts. krachen, splittern, schreien und - ruhe. die räder zirrten wieder unschuldig über den asphalt. elbchaussee, es wurde ernst. ich fuhr vorn aus dem feld. unterlenker, 46, 47, 48 “haltenhaltenhalten” - doch die blieben dran. achja die rückennummer… . ich zog nach aussen, das feld klebt an mir, folgt mir verzögert, wie eine schlange. ich drehte ab, puls anschlag, klammpe an - ********, ein anstieg. dann auf die reeperbahn. leicht bergab. mein gott - das tempo war echt hoch. alle am unterlenker. ich nahm mir vor bei kilometer 1, am roten teufelslappen voll anzugreifen, meine beine fühlten sich super - ich, ich - ja, ich hatte total spass an der hatz!

höhe rödingsmarkt emfängt uns das tosende meer des feiernden publikums. gänsehaut. ich staune, vergesse wo ich bin - begeistert starre ich in die menge, rasseln, klappern, hektische lautsprecherdurchsagen. es trifft mich voll - hinter mir wird geschrien, ******** - ich habe abreissen lassen. ohgott. im unterlenker gebe ich vollgas, schliesse auf das feld auf, warte auf den letzten kilometer, fertig, gespannt, voll adreanlin - und da: 300meter! was? ich will ansprinten, doch werde einfach zur seite gedrängt. so geht es nicht, ich habe den sprint verpennt, rolle ins ziel - acht sekunden hinterm dem ersten, platz 41.

ja. was soll mann sagen. anders als alle anderen mir bekannten veranstaltungen bieten die hews glück und unglück tür an tür. es kann so schwer und hart sein, frustrierend, man ist am ende und dann die woge der euphorie, adrenalin, hochgefühle und geschwindigkeitsrausch.

mach ich nochmal mit?

auf jeden fall auf keinen fall auf jeden fallauf keinen fall auf… menis
 
Hier noch mal und in aller Form:

Herzlichen Glückwunsch den Helden der staubigen Landstraße!!!

wir, die daheim Gebliebenen, sind stolz auf Euch. Atemlos lesen wir die Berichte und hoffen, dass ein klein wenig von Eurem wohlverdienten Glanz auf uns abstrahlen möge. Nacht für Nacht liegen wir wach und gedenken Eures Heldenmutes. Danke.

@ menis:
wirklich nur ein ganz kleines bischen langatmig ;)
 
Schöne Berichte, Jungs! Schön, dass es diesmal geklappt hat, Nauti! Macht doch irre Spaß, oder?

Und ich bin echt froh, dass keiner von Euch den Rettungswagen gebraucht hat!
 
Alles sehr mysteriös!!!

In der Teamwertung auf der 155er liegt jetzt ein Team Bioland vorne, die Zeiten sind absolut astronomisch... Die Jungs haben zwar 33000er Nummern sind aber nach der Einzelwertung eindeutig nur die 100er Strecke gefahren. Dank der 500er Wertung bin ich jetzt von Platz 176. auf 518. zurückgestuft worden, dafür liegen jede Menge mit nem 34er Schnitt vor mir :lol:
Naja, ganz so ausgereift ist das System meiner Meinung nach nicht, aber dafür weiß ich jetzt, daß ich ca. 5000 Leute überholt habe... An Position 5500 gestartet und im Ziel als 518. auch net schlecht :D
Und ein Schnitt von 38,43 Km/h mit dem Mounti, manoman, ich bekomm das Grinsen nicht mehr von der Backe...
dd

PS: Wer war denn der ESK-Fahrer für Icke? Übrigens selbst wenn Nico gewertet würde, reicht es zum 4. Platz in der Mannschaftswertung, um allen Unkenrufen zuvor zu kommen. Wofür ich alles Zeit habe...
 
Wie stellt man sich das vor: ein Jedermannrennen, auf dem Rennrad und dazu noch mit 20000 anderen übermotivierten und dem Ereignis entsprechend angespannten Radlern von nebenan? Die spannenden Berichte aus dem letzten Jahr hatten mich neugierig gemacht, es dieses mal auch bei den Cyclassics in Hamburg zu versuchen. Über den Namen "Cyclassics" wundere ich mich jedesmal, schließlich gibt es die Veranstaltung erst seit 10 Jahren, da ist ja mein Rennrad selbst älter.

Als Hahn im Korb der weiblichen Fans kam ich schon Freitag Abend in HH an, und die gute Stimmung beim Begrüßungssekt in der frisch und äußerst geschmackvoll eingerichten Bleibe von Sylvie, machte die zwischenzeitlich immer feuchter werdenden Hände vergessen. Samstag mittag dann war großes Treffen mit den restlichen Team angesagt. Selbst Eule verkündete ,daß er mitfährt: zwar nur 55km aber dafür auf Stollen! Danach war allgemeines Rumprollen auf dem Fahrradartikel Basar angesagt. Aus Nervosität wurde dann doch noch das ein oder andere Zuckerkonzentrat und Ersatzhosen mitgenommen.
Abends wurde noch ein Italiener in Eppendorf heimgesucht, und dann ging es zeitig in die Falle.

Sonntag morgen: ich schalte den Wecker kurz vorm klingeln aus. Ich habe gut geschlafen und von draußen scheint der blaue Himmel zu Fenster rein. Jipp! Damit war auch die Bekleidungsfrage gelöst. Sabine und Iris machen sich mit den Bahn auf, während ich gemütlich die 20min zum Start kurble. Am 55er Startbereich ist schon aufgeregtes Treiben, obwohl hier doch erst später gestartet wird. Am 155er Block C angekommen sehe ich sofort OnkelW. Nauti trifft auch kurz später ein. So suchen wir uns etwa in der Mitte ein Plätzchen, was ich aber nicht nur einmal kurz verlassen muß.
Ab kurz nach acht wird es ganz still im Startblock, scheinbar scheint es vorne los zu gehen. Man hört Hubschrauber. Für uns zieht es sich noch eine elende Viertelstunde hin. Vorne hörte man unverständliches Megafongebrabel, dann kommt eine Welle klickender Pedal auf einen zu. Ich rolle los. Ganz gemächlich wird das Tempo höher und höher. Es bildet sich eine lange Kette auf dem Weg durch den Hafen. Ich glaube es kaum, aber ich habe immer so zwischen 43 und 47 auf der Uhr. Mal sehen wie es hier weitergeht. OnkelW sehe ich immer ein ganzes Stück vor mir, ich versuche permanent an ihn ran zu fahren, aber durch die Kurven erwischt er im Feld immer eine schnellere Linie, als ich doch noch etwa vorsichtig fahrender. Das kann doch nicht sein, ich werde doch die paar Meter da vor fahren können. Also hopp. Doch während ich so im Wind links mich vorarbeite, reißt vorne auf einmal hinter Onkel auch noch ein Loch. Ich fahre jetzt schon fast Anschlag, Mann, ich muß da hin. Mit der Zunge in Kette schaffe ich es auch, mehr Luft für ein kurzes "bin da" is nicht.

Wir befinden uns in der Spitzengruppe des C-Gruppetos und rollen nun die ersten Fahrer aus dem B-Block ein. Hier tummeln sich auf einmal ganze Busse "Vattenfall" Kontrollfahrer, die sich teilweise aus Startblock I oder auch T schon bis hierher vorgearbeitet hatten. Alle Achtung. Das Tempo verschleppt sich jetzt einmählich. Auch nachdem sich die Gruppe nach den Überhohlmanövern wieder zusammengerottet hat, will keiner so richtig vorne fahren. Onkel hält sich immer in den ersten fünf sechs Positionen auf, ich ein bißchen dahinter, schon in der Zweierreihe. Es könnte eigentlich etwas schneller gehen, aber es macht allgemeines Lutschen breit. Am Streckenrand stehen in den Dörfer schon viele Zuschauer. Einige hatte sich sogar ihren Frühstückstisch an die Strecke gestellt. Als wir in den Gegend von Buchholz kommen wird es hügeliger, die kleine Stiche machen mir nicht viel aus, und ich befinde jetzt meist mit drei vier Leuten in der Spitze der Gruppe, aber irgendwie klappt es mit dem kreiseln nicht, auf den Kuppen angekommen fahre ich ein Stück vorne um das Tempo mit drüber zu nehnem, gehe links um für den Nächsten platz zu machen und was passiert: der kommt mit rüber und bleibt hinter mir. Nachdem das zweimal passiert ist, reicht's mir. Ich suche mir auch wieder ein Hinterrad. Plötzlich taucht aber links ein ELIXIA Fahrer auf, der locker scheinbar alleine von hinten das Feld aufrollt. Am folgenden Hügel hänge ich mich zusammen mit drei anderen an Ihn ran und wir können so dem Feld entkommen. Jetzt geht es richtig zur Sache: immerwieder leicht hoch und runter, viel Kurven mit Antritten und mir ist klar: lange mache ich das nicht mit. Es stoßen noch ein paar andere dazu und wir sind auf einmal so ca. 15 Mann und es läuft gut. OnkelW kommt auch wieder zurück, er war wohl noch pinkeln. Kurz quatsche ich noch mit einem eingeholten Singlespeeder, er muß aber reißen lassen. Wenn ich so bedenke war ich bis jetzt nur "auf Scheibe" unterwegs, viel geschaltet habe ich auch nicht.
Die Straße wird langsam breiter und es macht sich ein seltsame Ruhe im Feld breit. Ich ahnte schon warum: nach ein paar Kuppen und Kurven taucht am Horizont das Monster auf: die Köhlbrandbrücke. Aus dieser Perspecktive sieht es nach einer fiesen Rampe aus. Die Straße macht erst eine Schleife unter der Brücke, so daß ich erst mal tief Luft hole. Im Anstieg orientiere ich mich vorne in der Gruppe und der Zenit ist schneller als gedacht erreicht. Oben knippse ich noch eben eine Panoramaaufnahme mit Gefühlsabdruck fürs Hirnalbum, und schon brausen wir die Abfahrt runter. In der Hafendurchfahrt wird es nochmal eng. Das Tempo wird durch die 100km Leute, die links auf die Zielgerade abbiegen, recht hoch. Nach der Streckenteilung klaffen gleich größere Lücken, die es zuzufahren gilt. Irgendwo höre ich Eule rufen:“Peeeedaaaaa“. Puh, gerade jetzt fangen meine Beine an zu krampfen. Vorne scheint jetzt die Post abzugehen. Ich kann mich gerade noch so am Ende der Schlange halten. *******, Du fängst Dich schon. Gleich bist Du wieder fit. Aber jetzt war Schluß mit Lustig. Der Äther vor mir wurde zäher und zäher, das Hinterrad vor mir immer unschärfer und kleiner. ...Schei?eeee... Ich komme wieder ein paar Meter ran, doch der Vordermann ist auch schon breit. Die breite Landstraße nach Pinneberg hat unbarmherzig Wind schräg von vorne. Mit drei Abgehängten versuche ich nochmal kreiselnd ranzukommen, aber nach kurzem Strohfeuer ist nur noch einer bei mir. Am liebsten will ich jetzt umdrehen...so eine Grütze, eigentlich wollte ich an OnkelW dranbleiben. Nach so 10km zu zweit, kurz vor Wedel kommt von hinten ein größere Gruppe angerollt. Ich hänge mich gleich rein, und siehe da, hier befinden sich wieder viele Bekannte aus der C-Gruppe, der ich in Buchholz wegfahren konnte. So ein bißchen Lutschen macht doch Laune, und als die Hügel in Blankenese kommen, macht es wieder Spaß die übersichtlichen Rampen hochzudrücken und sich dabei immerwieder vorne in der Gruppe wiederzufinden.
Langsam steigt in mir ein Hochgefühl, das Rauschen der Reifen und des Windes, die ersten Häuser Hamburgs: es ist gleich geschaft. Da ist auch schon das 5km Schild. Zwei, drei Leute versuchen nochmal auszubrechen, werden aber gleich wieder gestellt. Ist auch ne blöde Idee, wegen Platz 423 noch 11sec rauszufahren, oder? Meine Sorge gilt nur noch, das ESK Trikot in eine gute Position für die Zieleinfahrt für Foto und Fernsehen zu bringen, so hänge ich mich an die zweite Stelle an der 1000m Marke. Ich freue mich dermaßen darauf den Rest der Truppe im Ziel. Doch was ist das: von links kommen auf einmal Scharen von Trekkingradfahren mit Gesundheitlenkern. Auch ja die Nachzügler der 100km. Trotzdem ist die Einfahrt in die Möckebergstraße wie die in ein brodeldes Stadion. Die Stimmung ist riesig. Das Getöse spült mich über den Zielstrich.
Was für ein Segen: am Treffpunkt sind bis jetzt alle heil angekommen und wir fallen uns in die Arme. Dafür haben sich die Strapatzen gelohnt. Kann man dazu nächstes Jahr nein sagen?

Gruß, PDa

noch Fotos
 
darkdesigner schrieb:
Übrigens selbst wenn Nico gewertet würde, reicht es zum 4. Platz in der Mannschaftswertung, um allen Unkenrufen zuvor zu kommen. Wofür ich alles Zeit habe...
momentan erscheint die liste "firmenwertung", wenn man "teamwertung" anklickt. also bei allem respekt - die zeitnahme, beziehungsweise deren auswertung war in diesem jahr wirklich - sagen wir mal - nicht optimal... menis
 
Habe soeben mal wieder die Buschtrommeln abgehört:

Das Team Bioland fliegt natürlich aus der Wertung, die sind schon nach 100km ins Ziel gefahren. Damit sind wir wieder auf Platz 4.

Außerdem gibt es wohl noch Ungereimtheiten bei einem weiteren vor uns platziertem Team. Wer weis, vielleicht wird es noch Platz 3!!!

Und zu guter letzt, ist ein kleiner Verbesserungsvorschlag von meiner Wenigkeit ebenfalls dabei umgesetzt zu werden: Es werden alle Teammitglieder in der Teamwertung aufgeführt und nicht nur die besten 4 Fahrer pro Team. Schließlich wollte ich da auch irgendwo auftauchen...

Bis später...
 
OnkelW schrieb:
Ja aber...wer war es denn dann?

OnkelW

Da ich nicht extra für das bissken Radeln, von Öttingen nach HH fahren wollte habe ich in der Startplatzbörse meine Nummer angeboten und einen Hamburger verkauft nennen wir Ihn Kai .... des DAtenschutzes halber.
Ick wäre doch wohl Schneller gewesen oder eben auch etwas langsamer.
 
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