Würde mich wundern, wenn die auf Totalentlastung genauso empfindlich reagieren wie Stahlspeichen.
Oder meinst Du mit problematisch, dass die weniger straff gespannte Seite oftmals auch größere Schwankungen bei der Speichenspannung hat?
Hier geht es sicherlich um die Funktionsweise der jeweiligen Speiche. Die Stahlspeiche hat ihre bekannte Wirkung bei Totalentlastung, die Textilspeiche eine andere. Hier geht es vorrangig um das Ereignis des wieder belastens. Einmal hebt das Nippel komplett ab und die Belastung erfolgt im wahrsten Sinne des Wortes schlagartig.
Ich glaube eher, dass auf der weniger strammen Seite eher eine Totalentlastung auftritt, da sie teilweise nur 60% der anderen Seite beträgt. Die Speichenspannung auf dieser Seite ist trotzdem weitestgehend homogen (so bau ich das zumindest auf).
Ja, wir bauen auch möglichst homogen auf.
Jetzt nochmal zu unserer Herangehensweise:
Um die Kraft unserer Speichen genau bemessen zu können, haben wir damals mit dem Hersteller des Tesiometers gesprochen und die genaues Herangeshensweise abgestimmt. Hier ist es wichtig, dass wir sehr viel Varianz im wichtigen Messbereich haben. Also hier gerade im Bereich zwischen 1.000 und 1.300 N. Die Kennlinie eines Tensiometers ist nicht linear, damit auch die mögliche Anzeige im entsprechend niedrigen Bereich.
Jetzt nützt uns der Tensiometer relativ wenig, wenn wir nicht wissen, was er anzeigt. Deswegen haben wir mehrere Messungen (in 100 N Schritten) durchgeführt. Dazu haben wir eine Zwick-Zugprüfmaschine verwendet, die die notwenige Kraft einer jeden Stufe sehr konstant halten kann. Für jede Stufe wurde der Messwert aufgenommen. Damit gibt es für jede Messreihe eine Kurve. Das wird dann mehrfach auch mit neuen Abschnitten unseres Speichenkörpers wiederholt. Damit hat man eine relativ sicher Aussage über die vorherrschende Kraft und deren Verteilung im Laufrad.
Jetzt kommt das ABER:
Wie bereits erwähnt, kann man entsprechend des Messbereiches eines Tensiometers verhältnismäßig genau messen, oder in einem sehr feinen Verformungsbereich relativ ungenau. Dazu kommt noch, dass es wichtig ist, in welchem Winkel und an welcher Stelle das Tensiometer angesetzt wird.
Beim Kalibrieren sind bereits Abweichungen aufgetreten, die u.a. auf eine Oberfläche eines Textils und auch der einen oder anderen Formabweichung zurückzuführen ist. Dies tritt vor allem im unteren Meßbereich auf.
Für uns ist es sehr wichtig, die Speichen sehr genau zu bestimmen, die an die Belastungsgrenze der Felge oder die Vorgabe des Herstellers herangehen.
Zurück zur Funktionsweise der Speiche. Da das Kraft-Dehnungsverhalten des Körpers linear verläuft, ist die Reaktion auf die Felge immer die gleiche. Das bedeutet (etwas übertrieben, dass der Vergleich greifbar ist) dass die Verformung nominal bei 1.500 N und einem Unterschied von 300 N genausogroß ist wie bei 1.000 N. Das, so lange sich die Speiche in der Felge abstützen kann.
Jetzt nochmal zu der Seite mit den geringen Kräften. Wie am Anfang beschrieben, gibt es Reaktionen der einen Art von Speichen, die Schläge auf das Felgenbett durch Entlastung ausüben. Das haben wir auf Grund der Beschaffenheit (Geometrie und Materialverhalten) und der Wirkungsweise der Speiche so nicht bei uns. Gerade bei verformten Alufelgen müsste es ja hier zu merklichen Folgen der Ungleichverteilung der Speichenkräfte kommen. Langzeittests zeigen das nicht.