02.06. 13:30 Sierra de Grazalema, Schlucht der Geier, Talboden
Von Ronda aus nehme ich mangels Karte und besserer Ideen ein Stück lang die Hauptstraße nach Sevilla. Der Verkehr hält sich in Grenzen und selbst die andalusichen "Autopistas" führen kurvenreich und interessant durch schmale grüne Täler. Eigentlich könnt ich so die ganzen 120km bis Sevilla abspulen, so kommt man wenigstens mal gescheit voran.
Nach wenigen Kilometern jedoch zweigt linkerhand ein kleines Sträßchen ab. Am Rand steht ein Schild "Sierra de Grazalema", darauf ein Bild von einem hübschen Bergdorf unter steilen Felswänden. Schon leg ich meine Sevilla-Pläne erst mal beiseite. Wenn dieses "Grazalema" wirklich so toll liegt wie das Foto verspricht, dann ists bestimmt einen Abstecher wert. Nach einer halben Stunde durch knorrige Korkeichenwälder komm ich auch schon an.

Grazalema.

Die alte Dorfkirche.
Scheinbar bin ich hier in einer Art Nationalpark gelandet, die Visitor-Info ist allerdings geschlossen. Ein Teersträßlein führt über einige kleine Pässe mehr oder weniger nach Norden, das ist ungefähr meine Richtung. Die nehm ich dann einfach mal, und werde belohnt:

Straße durch die Sierra de Grazalema.

Traumblicke in jede Richtung.
Nach einer rasanten Teerabfahrt erreiche ich so gegen Mittag einen kleinen Parkplatz, hier beginnt laut Infotafel der "Sendero Garganta Verde". Was das wohl ist? Ich hab keine Ahnung. Radln darf man hier jedenfalls nicht, obwohl der Weg leidlich fahrbar aussieht. Die "Kernzone" des Parks ist besonders geschützt, dann wollen wir mal nicht so sein und uns brav daran halten. Eigentlich dürfte man wohl laut Schild hier nicht mal wandern ohne eine spezielle Erlaubnis des Visitorcenters, aber da wollen wir dann mal auch nicht so sein und die Regeln etwas lockerer interpretieren, das Visitorcenter war schließlich geschlossen

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Ich parke also den Drahtesel und mach mich auf Schusters Rappen daran, den Park zu erkunden. Meine Erwartungen sind nicht besonders hoch, vielleicht geht's zu einem Mirador zur Vogelbeobachtung. Eine Schautafel erklärt jedenfalls zahlreiche Spezies.

Eine Schlucht? Von oben mal wieder recht unscheinbar.
Die Strecke führt zunächst mehr oder weniger eben in ein Seitental hinein. Anfangs vermisse ich noch mein Bike, doch schon bald schwingt sich der Pfad kühn über eine Kante und stürzt sich steil bergab.

Schade um den Trail? Wohl kaum. S5-Stufen sind nix für Zorro.
Immer tiefer geht's in den felsigen Canyon hinunter, am Ende werdens fast 300m Abstieg. Dann ist endlich der Talboden erreicht. Nur wenige Meter breit ist hier die Schlucht, steil ragen die Wände zu beiden Seiten in den Himmel. Trotzdem wachsen im trockenen Flußbett viele Bäume und Sträucher, daher wohl der Name "Garganta Verde".

In der Garganta Verde.

Eng und hoch, genau wie ichs mag!

In den Seitenwänden finden sich zahlreiche Höhlen, teils sogar mit Tropfstein-Formationen.

Blick aus einer Höhle auf die Wand gegenüber.
Der angelegte Weg endet am Schluchtboden. Als alter Canyoning-Freak kraxle ich natürlich noch ein Weilchen talwärts, vielleicht kommt man ja irgendwo hin? Bin allerdings schlecht ausgerüstet, nix zu essen, kein Wasser, sogar meine Reepschnur hab ich oben am Radl gelassen. Schließlich sollte das ja nur ein kurzer Spaziergang zu einen Mirador werden.

Felsbrocken-Hopserei in der Garganta Verde.
Nach ungefähr dreissig Minuten Kletterei geb ichs auf. Das könnte ja noch viele Stunden so weiter gehen und am Ende muss ich dann doch umkehren. Dazu reicht ja schon ein drei Meter hoher, glatter Felsblock. Außerdem steht mein Radl ja auch noch oben am Berg, also trete ich lieber gleich den langen und schweisstreibenden Rückweg an. Die komplette Durchwanderung der Garganta Verde muß jemand anders probieren, vorzugsweise mit Abseilausrüstung.