Schiffahrt: Die Zukunft liegt im Wind
greenpeace magazin 3.97
Mit Segeln können moderne Frachter viel Treibstoff sparen. Die verschiedensten Typen wurden dafür entwickelt.
Segelschiffe haben für Peter Schenzle von der Hamburgischen Schiffsbau-Versuchsanstalt einen groÃen Nachteil: Sie sind zu schön. âWer sich heute für Windantrieb bei Frachtern einsetzt, gerät sofort in den Verdacht, ein Romantiker zu sein.â Dabei hat der traditionsreiche Antrieb, den die Menschheit von Anbeginn der Seefahrt bis in die 20er Jahre unseres Jahrhunderts für den Warentransport auf dem Meer nutzte, unbestreitbare Vorteile: Wind ist umweltfreundlich und kostenlos.
Die Welt-Handelsflotte verbraucht alljährlich knapp fünf Prozent des geförderten Erdöls. Die meisten Schiffsmaschinen verbrennen schweres Heizöl, dessen Abgase viel giftiger als sind als die von Dieseltreibstoff. âDie Schwefelbelastung der Luft durch Seeschiffe ist an der Nordseeküste zeitweise höher als die des industriereichen Ruhrgebietsâ, heiÃt in einem âGrünbuchâ des niedersächsischen Umweltministeriums. Ganz verzichtbar sind Motoren heute schon aus Sicherheitsgründen nicht. Trotzdem können Schiffe mit Segel(hilfs)antrieb je nach System und Einsatzgebiet zehn bis 70 Prozent Sprit einsparen. Dänische Experten haben ausgerechnet, daà zudem der jährliche Ausstoà des Treibhausgases CO2 um 300 Millionen Tonnen niedriger läge, wenn die Schiffahrt den Wind optimal nutzte.
AuÃerdem sparen die Reedereien Brennstoffkosten. Das war der Hauptgrund für den â bescheidenen â Aufschwung der Segelschiffahrt in den 80er Jahren. Unter dem Eindruck der Ãlkrise lieÃen japanische Reedereien insgesamt 17 Frachter mit Hilfssegeln bauen. Die Schiffe besaÃen ein oder zwei starre Profilkörper aus Aluminium, die sich computergesteuert in die jeweils günstigste Position zum Wind drehten. Bei Sturm oder im Hafen wurden sie einfach zusammengeklappt. Trotz der kleinen Flächen â der Tanker âShin Aitoku Maruâ (1600 Tonnen) führte nur 194 Quadratmeter Segel, 30mal weniger als ein klassischer Klipper â senkte die Windnutzung den Spritverbrauch um zehn bis 30 Prozent. Ãhnliche Schiffe fuhren damals auch unter anderen Flaggen. âZunächst waren wir zufriedenâ, resümiert die britische Reederei âStephenson Clarke Shippingâ, deren Kohlenfrachter âAshingtonâ 1987 mit Lamellen-Segeln nachgerüstet worden war. âSpäter rechnete sich die Sache nicht mehr.â Die Wartungskosten blieben hoch, der Ãlpreis sank: Als Reparaturen fällig waren, wurden die Masten wieder gekappt. Zu Beginn der 90er hatten fast alle Wind-Frachter die Segel streichen müssen.
Normale Motorschiffe mit kleinen Hilfssegeln auszurüsten war nach Ãberzeugung des Kopenhagener Marine-Ingenieurbüros Knud E. Hansen ohnehin der falsche Weg. Wirtschaftlicher seien echte Segler mit Hilfsmotor, weil die rund 70 Prozent Spritkosten sparen können. Nach seinen Plänen will ein dänisches Konsortium âWindship 1â, das gröÃte Segelschiff aller Zeiten, auf Kiel legen: einen 215 Meter langen Sechsmaster mit 10.000 Quadratmeter Segelfläche und 50.000 Tonnen Tragfähigkeit. Schlepptank- und Windkanaltests sollen nächstes Jahr abgeschlossen sein. Allerdings müÃte der Treibstoffpreis laut Hansens Hochrechnung noch um zehn Prozent steigen, damit sich der Bau lohnt.
Ganz anders kalkuliert die âBright Green Shipping Companyâ. Die britische Reederei ist überzeugt, daà sie ihre Zweimast-Schoner schon jetzt rentabel betreiben kann, wenn sie sich auf kleine Häfen konzentriert, die von anderen Linien nicht angelaufen werden. Insgesamt will âBright Green Shippingâ 14 Segelfrachter bauen lassen. Die ersten beiden 53 Meter langen Schoner werden nach Angaben der Reederei 1998 vom Stapel laufen und anschlieÃend zwischen Kanada und der Karibik pendeln. Ein weiteres Fahrtgebiet sollen die Salomon-Inseln im Pazifik sein.
Massengut-Frachter Usuki Pioneer
Mit 152 m Länge und 26.000 t Tragfähigkeit eins der gröÃten Schiffe mit Segel-Hilfsantrieb. 1984 in Japan gebaut, vor zwei Jahren nach Deutschland verkauft. Der neue Eigner lieà die Masten kappen: Trotz Spritersparnis (bis 40 %) seien die Kosten zu hoch.
Projekt-Studie Dyna Schiff
Vom Hamburger Ingenieur Wilhelm Prölss in den 60ern erdachter Segler mit Hilfsmotor (160 m Länge, 16.500 t Verdrängung, 9100 m2 Segelfläche). Die zwischen Rahen gespannten Segel können ins Innere der sechs Masten eingerollt werden. Wurde nie gebaut, obwohl Studien die Wirtschaftlichkeit belegten.
Tanker Shin Aitoku Maru
Lief 1980 in Japan als erstes Handelsschiff unter Segeln seit dem Ende der Windjammer-Ãra vom Stapel. Inzwischen nach China verkauft, dort angeblich abgeriggt.
Projekt-Studie Windship 1
Die Dänen planen das gröÃte Segelschiff aller Zeiten: 215 m lang, 10.000 m2 Segelfläche. Die sechs Masten mit Dschunken-Segeln sind für problemloses Laden auf die Backbord-Seite gerückt. Echte Chance, realisiert zu werden.
Kreuzfahrtschiffe WindCruiser
Vier Schiffe gebaut, das gröÃte für den âClub Méditerranéeâ. Die computergesteuerten Rollsegel sind theoretisch effektiv, aber oft nur zur âDekorationâ gesetzt. Deshalb keine auf Frachter übertragbare Daten zur Spritersparnis.
Konzept Rotorschiff
Sieht futuristisch aus, funktioniert aber. Der Rotor treibt direkt die Schraubenwelle an oder liefert als Windkraftwerk Energie für den Elektromotor. Kann direkt gegen den Wind segeln.
Forschungsschiff Alcyone
Seit 1985 Schiff des Meeresforschers Jacques-Yves Cousteau. Ventilatoren saugen den Wind durch senkrechte Röhren nach oben. Dadurch entsteht Auftrieb, den die Alcyone in Fahrt umsetzt. Spritersparnis: 35 %. Nach diesen und ähnlichen Prinzipien (âFlettner-Rotorâ) in den 80ern geplante Frachter wurden bisher nicht gebaut.
Wingsail-Tanker Oilman
Sicheres Prinzip, weil starre Flügel-Segel bei Sturm nicht gerefft werden, sondern wie Fähnchen in den Wind drehen. Da der Ãlpreis sank, wurde das Konzept auf der âOilmanâ bislang nicht umgesetzt.
Schoner Green Ship
Yacht-Rigg ohne groÃe Experimente, vielleicht gerade deshalb ein Typ, der bald realisiert wird. Nur für relativ kleine Schiffe geeignet.
Frachter mit fliegendem Schirm
Spielerisch anmutende Variante, die aber einiges für sich hat: kein Mast, keine Krängung, das fliegende âSegelâ nutzt den stärkeren Wind hoher Luftschichten. Statt eines Schirms mit gasgefüllten Auftriebskörpern sind auch Lenkdrachen einsetzbar.