Edelziege schrieb:
Bisher habe ich noch keine Gesamtkennlinie gesehen, die vom Nullpunkt ausgeht und ín der ersten Hälfte des Federweges linear ist, sofern man inklusive Negativfeder berechnet.
Und in der Regel ist es ja so, daß schon eine Kraft den Dämpfer auseinanderdrückt, bevor er eingefedert ist. Sonst erreicht der Dämpfer ja nie die volle ausgezogene Länge. Deshalb muß ja auch die Negativfeder auf den Dämpferdruck abgestimmt werden.
Natürlich gibt es keine Gesamtkennlinie, die in der ersten Hälfte linear ist, das ist aber ein "Ideal", an welches ich die Gesamtkennlinie annähern möchte.
Dass die Kennlinie nicht genau von Null Kraft auf den Dämpfer startet, ist mir auch klar.
Welche Eigenschaften wünsche ich mir für ein Bike?
1. Beim Uphill sollte die grössere (Gewichts-) Kraft auf den Dämpfer nicht ein sehr starkes eintauchen des Dämpfers im Vergleich zum Sagpunkt in der Ebene zur Folge haben, da sonst die Front des Bike schnell zu steigen beginnt: Kennlinie sollte vom Sagpunkt an nach rechts nicht zu flach sein.
2. Beim Downhill sollte die kleinere (Gewichts-) Kraft auf den Dämpfer nicht ein so starkes Ausfedern des Dämpfers zur Folge haben, dass er in einen steilen Bereich der Gesamtkennlinie (Anlauframpe) kommt, wo feine Schläge nicht gross zu einem Einfedern des Dämpfers führen (Mangel an Sensibilität ist die Folge), zusätzlich würde die Überschlagstendenz grösser: Die Anlauframpe sollte nicht zu steil sein bzw links von der Dämpferposition beim Downhill sein.
3. Leichte Gewichtverlagerungen auf dem Bike sollten keine zu grossen Ein- oder Ausfederbewegungen zur Folge haben: Gesamtkennlinie um den Sag sollte nicht zu flach sein.
4. Der Federweg sollte gut ausnutzbar sein: Die Endprogression sollte nicht zu früh einsetzen und nicht zu steil nach oben führen, das setzt eine eher grosse (lange) Luftkammer voraus.
5. Vom Sag an sollte man noch relativ viel Restfederweg haben = mehr Reserven: Nicht zu viel Sag fahren, 20-30% am Dämpfer, je nach Einsatzgebiet.
6. Ich möchte nicht mehr oder weniger pumpen müssen, nur weil ich einmal einen vollen Rucksack mitnehme und dann wieder mal weniger: Hier ist es so, dass beim Viergelenker / VPP die Federung nur in einem kleinen Bereich möglichst neutral arbeitet, sprich, relativ unabhängig von Tretbewegungen ist. Um in diesem Bereich zu bleiben, sollte der Sag in der Ebene in einem relativ engen Bereich liegen. Beim Eingelenker spielt es keine grosse Rolle, ob man jetzt etwas mehr oder weniger Sag fährt, dort ist dieser Punkt irrelevant (ausser für die Geometrieveränderung für Berg- und Talfahrten): Die Kennlinie sollte um den Sagbereich nicht zu flach sein.
Was habe ich sonst noch vergessen?
Edelziege schrieb:
Warum braucht es viel Kraft, um den Dämpfer die ersten paar mm zu komprimieren, wenn die Kennlinie durch Null geht? Dann fängt es ja auch erstmal mit Null Kraft an.
Wobei auch hier wieder fraglich ist, ob die Kraft durch den Nullpunkt gehen sollte. Das sehe ich nicht so. Und das wäre bei Dämpfern mit Negativfeder auch nur dann der Fall, wenn der Dämpferdruck die Negativfeder beim Ausfedern nicht komplett komprimiert. Die Dämpferlänge erreicht also nie Nennwert, der Dämpfer beim Ausfedern durch die Reibung die ursprüngliche Länge nicht wieder...
Wenn die Kennlinie in den ersten paar Millimetern steil ist, braucht es für die
ersten paar Millimeter Federweg auch viel Kraft, wenn der Kraftaufwand bei Null Millimetern auch bei Null Newton beginnt, dann aber steigt er rasch an...
Edelziege schrieb:
Hier auch wieder die Frage, ob das Ziel ist, mit fast nicht vorgespannter Stahlfeder zu fahren.
Hier würde ich sagen, dass das erstens Geschmackssache ist und abhängt von der Vorliebe des Fahrers und der verfügbaren Stahlfeder und zweitens auch von der Kennlinie des Fullies abhängig ist.
Aus den oben von mir aufgelisteten Punkten, die mir wichtig sind, geht ein Punkt relativ klar hervor: Die Kennlinie sollte um den Sag nicht allzu flach sein. Bei der Stahlfeder ist das ja automatisch schon erfüllt. Fährt man nun eine weichere Stahlfeder mit mehr Vorspannung, nutzt man bei gleicher Schlaggrösse mehr Federweg aus, da die Gesamtkennlinie flacher ist. Das Bike fühlt sich komfortabler an, man kommt aber bei grossen Schlägen schneller an den Endanschlagspuffer. Bei SPV oder ähnlichen Dämpfern kann man das Durchschlagen gut durch entsprechende Druckstufendämpfung verhindern, bei andern geht das nicht. Hier ist eine degressive Hinterbaukennlinie nicht von Vorteil.
Eine härtere Feder muss nicht vorgespannt werden, sie fühlt sich aber etwas weniger komfortabel an, dafür kommt man bei grossen Schlägen weniger schnell an den Endanschlag.
Nach meiner Erfahrung muss die Hinterbaukennlinie progressiv sein, damit man bei Stahlfederdämpfern bei grossen Schlägen / Landungen nicht dauernd auf das Endanschlagselastomer kommt. Eine härtere Feder entschärft die Problematik etwas.
Edelziege schrieb:
Ich glaube da liegt der Knackpunkt, der unsere Positionen da durchaus vereinbar macht.

Von wie viel Sag gehst Du da denn aus?
Eine solche wie von Dir beschriebene Kennlinie halte ich für sinnvoll für abfahrtsorientierte Räder mit viel Federweg.
Warum:
- Man muß mit viel Sag fahren (bis zu 50%), damit bei der Abfahrt bei entsprechender Gewichtsverlagerung der Sag wieder stimmt.
- Trotz des großen Sag darf der Hinterbau nicht zu oft durchschlagen, also muß der Federweg zum Ende hin recht progressiv sein.
Für CC oder Touren finde ich aber eine durchgängig leicht progressive und flache Kennline sinnvoller. Und zwar mit relativ wenig Sag gefahren. Das ist einfach uphill- und flachlandtauglicher.
Ich ging bei "meiner" Kurve mit zuerst linearem Bereich und dann progressivem Verlauf (nicht stark progressiv, erst ganz gegen Schluss deutlich progressiv) von 20-30 % Sag aus.
"Deine" Kurve führt sicher zu einem komfortableren Hinterbau, aber dafür hast Du genau das Problem von starken Federbewegungen bei Gewichtsverlagerung und wenn Du mit nur wenig Sag fährst, dann bist Du in einem steilen Kurvenabschnitt und beim steil Runterfahren hast Du keinen Komfort mehr auf kleine Schläge.
Edelziege schrieb:
Das sehe ich eben nicht so. Baut man einen Luftdämpfer anstelle eines Stahlfederdämpfers ein, hat man im mittleren Bereich zwar eine flachere Kennlinie, die gesamte Kennlinie liegt aber unterhalb der Kennlinie des Rades mit Stahlfederdämpfer, gleiche Maximalkraft vorausgesetzt. Also führt das zu mehr Sag... Pumpt man dann mehr Luft auf, um gleichen Sag zu erreichen, hat man eine höhrere Maximalkraft und nutzt den Federweg nicht mehr aus...
Vielleicht bin ich da auch zu perfekt, aber für mich gehören Rad und Dämpfer zusammen. Wobei es durchaus mal vorkommen kann, daß es noch einen Dämpfer gibt, der gut reinpaß. Oder sogar einen der das Rad besser macht. Aber dann wurden die Fehler schon bei der Auslegung auf den ersten Dämpfer hin gemacht. Das Ganze natürlich mal abgesehen von unterschiedlichem Geschmack

Was den einen freut, muß der andere nicht mögen.
Viele Grüße von der
Edelziege
Die Anlauframpe beim Luftdämpfer führt dazu, dass der erste Teil der Kurve rechts von der Rampe relativ weit oben liegt, daher kann man einen eher kleineren Druck fahren, um auf den gleichen Sagwert zu kommen wie der Stahlfederdämpfer.
Es stimmt, dass die Kurve des Stahlfederdämpfers "rechts" vom Sag (bei gleichen Sagwerten!!) für lange Zeit über derjenigen des Luftdämpfers liegt, aber wer sagt dann, dass der Luftdämpfer, wenn man ihn so pumpt, dass man den gleichen Sag fährt wie beim Stahlfederdämpfer, nicht trotzdem den gleichen Federweg ausnutzen kann? Das kommt ja nur auf die Länge der Luftkammer an, die bestimmt dann, wie früh die starke Endprogression einsetzt, die die Kurve über die "maximale" Kraft hinausführt.
Somit kommt es sehr stark auf den verwendeten Luft - Dämpfer an.
Wir haben viel Erfahrung mit Manitou Luft- und Stahlfederdämpfern auf demselben Modell und es gibt da einen riesigen Unterschied zwischen dem 04-er und dem 05-er Manitou Luftdämpfer. Beim 04-er konnte man den Luftdämpfer (bei gleichem Sag wie beim Stahlfederdämpfer) gut durchschlagen, da die Luftkammer relativ lang war und das interne Anschlagelastomer sehr knapp bemessen, beim 05-er ist das nicht mehr möglich, trotzdem nutzt man den Federweg (bei nicht extrem progressivem Hinterbau) noch gut aus.
Beim Fox AVA Dämpfer mit verstellbarer Luftkammer kann man sogar die Position der Endprogression bestimmen, wobei sie nach meinem Gefühl maximal nicht weiter hinten kommt als beim Manitou 05-er Dämpfer.
Schade, dass man nicht einfach so schnell eine Gesamtkennlinie nach Wunsch "bauen" kann und sie dann testen, dann fände man wohl eher eine schlüssige Antwort...
Gruss
Dani