Autofahrer sind Weltmeister im sich selbst in die Tasche lügen:
"Das Auto habe ich eh, mich kostet die Fahrt nur ne Tankfüllung."
"Wenn ich vorsichtig fahre, komme ich mit meinem BMW auf 5,1 Liter auf 100 Km."
"Ich wäre sogar pünktlich da gewesen, aber andere waren Schuld: Baustellen, Stau ..."
Verzeihung, aber genau so ist es doch, wenn man das Auto aus anderen Gründen eh schon hat?
Will ich dann man mit dem Fahrrad in den Harz, kommt es auf den Heckträger, Klamotten, Werkzeug und Teile (damit man trotz eventueller kleinerer Defekte doch weiterfahren kann) in den Kofferraum und 3-3,5h später bin ich da. Will ich mit der Bahn fahren, muss ich erst das Rad zerlegen und als Gepäckstück verpacken. Das Gepäckstück muss ich transportieren, so dass ausser einem Rucksack sonst nicht mehr viel mit kann. Da ich vor Ort so keinen abschließbaren Raum habe wie es mit dem Auto der Fall ist, muss ich bereits in Radklamotten die Reise antreten (geht noch) und entsprechend zurückreisen (doof, wenn man sich gemault hat und was zerrissen ist oder aber wg. Wetter alles nass und dreckig ist), wo ich mit dem Bike-Koffer bleiben soll, während ich am Zielort radfahre, weiß ich spontan nicht. Dann mit dem ganzen Geraffel mit dem ÖPNV zum Bahnhof (ca. 45-60 Minuten hin und auf der Rückreise hoffen, dass überhaupt noch ein Bus in meine Richtung fährt und falls, dann gerne mit Wartezeiten von 40 Minuten und mehr, Rückreise also tendenziell eher 60-90 Minuten) und dann mit der Bahn ca. 4 Stunden bis in den Harz mit 2x umsteigen. Und dann mit dem dortigen ÖPNV zum Zielort (kA, wieder so 30-40 Minuten pro Strecke). Also alleine die Hinfahrt mit der Bahn dauert bereits länger als An- und Abreise mit dem Auto. Der ganze Hickhack kostet dann auch noch deutlich über 200€ ohne Garantie der Mitnahme, weil mein Gepäck ja so sperrig ist. Weil ich das Rad zerlegen und verpacken muss, kann ich nicht einmal Teilstrecken auf dem Rad zurücklegen, obwohl ich bereits entsprechend angezogen bin. Hin- und Rückfahrt dauern mit der Bahn so dermaßen lang, dass ein Tagesausflug eigentlich gar keinen Sinn mehr macht, also kämen noch Übernachtungskosten hinzu (was das spontane allerdings stark einschränkt, da man ja die Unterkunft buchen muss; wenigstens wäre das "wohin mit meinem Gepäck"-Problem damit gelöst) plus der Ärger mit der Familie, weil Papa keinen Tagesausflug macht sondern mal stumpf das ganze Wochenende nicht da ist. Macht man die Tour mit Kumpels (3 Personen sind problemlos möglich), kann man sich je nach Tagesform beim fahren abwechseln (kann interessant sein bei Verletzung im Park o.ä.) und die Spritkosten teilen.
Für diesen Tag zahle ich ganz normal meine KFZ-Steuer und Versicherung, egal ob ich es statt der Bahn nehme, meine Frau damit fährt oder es einfach in der Garage steht. Abschaffen geht nicht, wir brauchen bei den Verbindungen mit dem ÖPNV das Auto für den Weg zur Arbeit, zum Sportverein, zum Einkaufen. In der Freizeitgestaltung ist man ebenfalls flexibler (Meer oder Harz, Tierpark oder Museum etc.pp.). Schneller ist man meistens sowieso.
Ich hatte jahrelang als Single kein Auto und bin mit dem ÖPNV gependelt. Seit das Kind da ist, haben wir wieder ein Auto (erstens: sehr praktisch, weil Einkäufe nun größer ausfallen; zweitens: wir sind auf's Dorf gezogen, weil Wohnraum dort günstiger ist und die Kinderbetreuung besser ausgebaut). Seit dem habe ich ca. 1,5-2 Stunden mehr Freizeit täglich, die ich nicht in vollen Bussen und Bahnen auf dem Arbeitsweg verbringe. In Anbetracht der ÖPNV-Abo-Kosten von deutlich über 100€/Monat und dem Mehrwert, den ein Auto bietet, liege ich mit Sprit, Steuer und Versicherung, Regelwartungen nur ca. 70-100€ über den Kosten mit dem ÖPNV. Freizeitfahrten sind da allerdings bereits mit drin. Alle 3 Monate eine Bahnfahrt alleine ohne Familie zusätzlich zum ÖPNV-Ticket käme über's Jahr also bereits teurer. Nur, wenn ich die Anschaffungskosten einrechne und den Wiederverkaufswert herausrechne, kann die Kombo ÖPNV/Bahn den Preisvergleich gewinnen. Natürlich kauft man sich nicht für zigtausend Euro ein Auto, um sich die Monatskarte zu sparen. Aber hat man es, aus welchen Gründen auch immer, eh schon, sollte man diese Kosten auch nicht mit einrechnen.
Lange Rede kurzer Sinn: will die Bahn den Verzicht auf das Auto leichter machen, müssen die Verbindungen besser, die Preise niedriger (oder zumindest planbarer, damit man nicht Strecke A an Tag X und Strecke B an Tag Y zum Sparpreis kriegt, umgekehrt aber fast so viel wie für einen Interkontinentalflug [bewusste Übertreibung] zahlen müsste), die Qualität besser (Pünktlichkeit, technischer Zustand) und das Angebot/der Service ausgeweitet werden. So macht eine Fahrradmitnahme eigentlich nur mit betriebsbereitem Fahrrad Sinn, damit man mit dem Rad zum Bahnhof, mit der Bahn zum Zielbahnhof und dann wieder mit dem Rad zum Zielort kommen kann.