Welche Schlussfolgerung? Im Ernst: Welche?
Dass die tiefen Tretlager bedauerlicherweise die Wahl der Kurbel einschränken. Das finde ich überhaupt nicht bedauerlich. Ich mag tiefe Tretlager.
Was meinst du? Dass der Kraftverlauf im Bezug auf die Kurbelstellung schwankt oder das unterschiedliche Fahrsituationen verschiedenen Kraftinput verlangen? Und was willst du damit sagen? Worauf willst du hinaus? Beide Phänomene sind ja unabhängig von der Kurbellänge immer da. Ganz im Ernst
?
Gemeint ist natürlich, dass der Kraftverlauf über eine Kurbelumdrehung schwankt. Und klar ist das immer so, dass der Kraftverlauf über die Kurbelumdrehung sich verändert, egal ob ich eine kurze oder lange Kurbel fahre. Aber du gehst in deiner Argumentation, die sich eben nur auf einen Kraftwert stützt, der ja dann nur der Mittelwert sein kann, davon aus, dass dieser Kraftverlauf strukturell immer gleich ist, egal mit welcher Kurbellänge gefahren wird. Wäre dem so, dann ist es klar, dass bei der kürzeren Kurbel über der gesamten Kurbelumdrehung das Drehmoment mit der kürzeren Kurbel um genau den Faktor geringer ist, um den die Kurbel kürzer ist. Will ich die Leistung konstant halten, muss ich dann klarerweise entweder die Kraft gleich halten und die Trittfrequenz um eben genau denselben Faktor erhöhen, oder die Kraft um den Faktor erhöhen und die TF gleich halten (oder eine beliebige Mischung davon). Es ist aber nicht gesagt, dass der Kraftverlauf mit einer anderen Kurbellänge strukturell genau derselbe ist, der kann auch anders sein, was aus biomechanischen Gründen durchaus denkbar ist. Wenn der Kraftverlauf aber strukturell anders ist, dann gilt die Schlussfolgerung mit dem einfachen Faktor nicht mehr und dann kannst du Kraft, Drehmoment, Trittfrequenz und Leistung nicht so skalieren, wie du das in deiner Rechnung eben machst, nämlich mit einem einfachen Faktor. Wie dann stattdessen der Unterschied ist, wissen wir solange nicht, solange niemand den Kraftverlauf bei einer Kurbelumdrehung und verschiedenen Kurbellängen misst, und das am besten mit einer größeren Kohorte, um auf Ergebnisse zu kommen, die einigermaßen im Mittel der menschlichen Konstitution liegt. Dass das dann für den Einzelnen immer noch abweichen kann, ist klar, wie alles was mit Biomechanik zu tun hat. Aber man wüsste zumindest, ob es da eine große Streuung zwischen Individuen gibt oder nicht und natürlich auch, ob es diese Unterschiede strukturell im KraftVerlauf bei verschiedenen Kurbellängen gibt oder nicht (oder vielmehr, in welchem Bereich sie auftreten und ob es einen evtl. größeren Sweetspot Bereich gibt - abhängig von der Beinlänge natürlich - wo es eben keine großen Unterschiede gibt; wenn die Kurbeln abstrus lang oder kurz werden, dürfte ja klar sein, dass es die Unterschiede gibt).
Übrigens, ich behaupte auch gar nicht, dass es diese Unterschiede gibt, jedenfalls nicht derart, dass es in jedem Fall einen Unterschied machen würde, wenn man eine 160er oder 170er Kurbel fährt. Aber ich behaupte auch nicht, dass es diese Unterschiede nicht gibt - was man aber implizit macht, wenn man global mit einem Wert für Kraft, Drehmoment, Leistung etc. argumentiert. Der Punkt ist, wir wissen es nicht, solange nicht jemand die Messung macht oder eben jemand mit einer entsprechenden Arbeit vorbeikommt, die das schon gemacht hat (was ich ja nach wie vor für wahrscheinlich halte, weil es ja eigentlich naheliegend ist, sonst wäre ich da ja auch nicht so einfach drauf gekommen).
Natürlich kann man sich zur Vereinfachung auch mal überlegen, wie das so ist, wenn der Kraftverlauf über eine Kurbelumdrehung bei verschiedenen Kurbeln zumindest sehr ähnlich ist. Das ist ja zur Orientierung auch sinnvoll. Man sollte sich aber eben bewusst sein, dass man dann eine Vereinfachung macht, die unter Umständen nicht gerechtfertigt ist, und entsprechend sollte man diese Einschränkung mit kommunizieren und man sollte sich später nicht wundern, wenn die Überlegungen, die mit den Vereinfachung gemacht wurden, nicht mit gemachten Erfahrungen übereinstimmen; dann weiß man auch warum. (Und es gibt ja hier genug Berichte, die nahelegen, dass dies so sein kann, wobei die auch wiederum kein Beweis sind, sondern eben nur Erfahrungsberichte.) Sollte sich herausstellen, dass zumindest in einem Bereich, der im Moment üblich ist, also bei den aktuellen Standardkurbeln bezogen auf die Standardbeinlänge, die Vereinfachung in der Regel passt, umso besser. Dann kannst du fahren, was dir passt oder was deine Tretlagerhöhe zulässt.
Dass es dann für Leute, die deutlich kürzere Beine haben, aber tendenziell Standardkurbeln fahren, weil es bisher wenige Alternativen gibt, mit der Vereinfachung nicht aufgeht, kann aber immer noch gut möglich sein.
Das ist auch schon alles, was ich sage, wenn auch mit vielen Worten. Es ist eben eine Situation, wo uns eine wichtige Information fehlt, und entsprechend ist es schwierig, Schlüsse zu ziehen, die eindeutig sind.
Da muss ich
@MTB_Daniel jetzt mal mit einem Praxis Exempel beispringen.
Es gibt in der Tat eine Situation: Steher im (Trail)Uphill und Ratcheting/Pedalkicks. Sobald man nicht gleichmäßig durchtreten kann und die Kraft schön verteilt und im flüssigen Schwung ausüben kann, sondern aus einer Halte- oder Umkehrposition knapp über 3-Uhr mit Kraft das Pedal runter pressen muss. Da hilft dann leider garnichts mehr außer: Maximalkraft und Hebel. Und da merkt man dann tatsächlich ohne Umschweife, wenn letzterer kleiner geworden ist.
Jetzt ist halt wieder die Frage, wie relevant diese Situation im Gesamtbild ist? In gewissem Maß wird es eh kompensiert dadurch, dass man mit einer kurzen Kurbel mehr flüssig durchtreten kann und Steher/Ratcheting seltener werden im Uphill. Der einfache Grund: Bodenfreiheit. Ich würde noch einen dazufügen: Grip, da ist dann wieder die Sache mit der Kraftverteilung.
Das ist klar, dass bei kürzerem Hebel und gleicher Kraft das Drehmoment geringer ist, wenn man es an einem Punkt betrachtet. Wenn man dann zum Punkt mit der optimalen Kraftentfaltung schaut und es um Maximalkraft geht, die ja nicht skalierbar ist, dann hast du bei gegebenem Antriebsstrang mit kürzerer Kurbel weniger Wumms. Das spielt aber nur dann eine Rolle, wenn das ungeplant eintritt. Wenn man solche Situationen antizipieren kann, dann kann man immer noch schalten (außer du fährst Single Speed).
Und wie du ja sagst, ist das jetzt keine Situation, die relevant ist, wenn man auf die Leistung über längere Zeit bei dann ja doch eher unter-maximaler Belastung schaut.