Sehr geehrte Damen und Herren,
in unserem Mountainbike-Forum las ich von Ihrer Absicht, das Landeswaldgesetz Baden-Württemberg dahingehend zu ändern, dass Mountainbikern das Befahren von Wegen, die schmaler sind als 3,50 m, untersagt wird. Bevor Sie zur Abstimmung schreiten, möchte ich Ihnen gern einige Argumentationshilfen an die Hand geben, die Sie, sofern Sie für die Einführung dieser Regelung stimmen wollen, hoffentlich zum Umdenken bewegen.
Setzen wir eine Anzahl von Bikern von
100% voraus, die sich auf
100% der Wege verteilt. Sperren Sie z.B. 50% der Wege für Biker, drängen sich nun 100 % Biker auf der Hälfte der vorhandenen Wege. Das Ergebnis ist, dass es nun auch auf den breiten Wegen eng wird.
Unter Umständen vertreiben Sie die Biker gänzlich aus Baden-Württemberg. Damit verringern Sie den Umsatz vieler Restaurants, die wir Biker zur Erholung und körperlichen Stärkung nutzen. An meinem Stammimbiss (im Taunus in Hessen) treffen z.B. sich pro Tag hunderte Biker, die eine ganze Menge Kuchen und Getränke verzehren. Und am nächsten Tag kommen sie wieder. Und das an 52 Wochen im Jahr.
In Baden-Württemberg sind einige Firmen ansässig, die in der Bikebranche Weltruf geniessen. Nehmen wir das Beispiel Gustav Magenwirth GmbH & Co in Bad Urach. Die Mitarbeiter dieser Firma, die
Bremsen für Mountainbikes produziert, drehen regelmäßig eine Stammrunde auf dem Bike, die auch Wege unter 3,50 m Breite beinhaltet. Wollen Sie dieser Firma diese Runde vermiesen und sie u.U. aus Ihrem Bundesland vertreiben? Weitere Firmen in Baden-Württemberg (Auszug):
Cheetah Bikes in Gingen
I.B.I. Innovative Bicycle Industries GmbH in Bretten
Merida Centurion Germany GmbH in Magstadt
HOT CHILI & D.A.R.T. in Schorndorf
Wie Sie sehen, gefährden Sie den Mittelstand Ihres eigenen Bundeslandes.
Im Friedrichshafen am Bodensee findet alljährlich Ende August die Eurobike statt, die größte Fahrradmesse Europas. Es wäre absurd, wenn im Gastgeberbundesland dieser so bedeutenden Messe das Biken verboten wäre.
In Todtnau und Bad Wildbad gibt es jeweils einen Bikepark. Diese sind sowohl (bike-)touristische Zentren als auch Austragungsorte für Sportveranstaltungen. Ein Fahrverbot auf sog. Singletrails würde auch solche Angebote gefährden.
Der Sinn des Mountainbikens erschließt sich häufig erst dann, wenn man auf einem mit Wurzeln und Geröll gespickten Pfad den Berg bezwungen hat. Würde man das Biken auf breite Wege beschränken, würde man einer ganzen Sportart den Reiz nehmen. Weniger Biker bedeuten weniger Bikes bedeuten weniger Hersteller bedeuten mehr Arbeitslose. Eigentümer von Pensionen, Zeltplätzen, Hotels und Gaststätten hätten weniger Gäste, denn kaum ein Biker aus anderen Bundesländern würde noch nach Baden-Württemberg kommen. Und die Einheimischen würden auf andere Bundesländer ausweichen. Kein auswärtiger Biker würde in Baden-Württemberg essen, übernachten, tanken, einkaufen, Steuern zahlen, Urlaub machen.
Wie es funktionieren kann, zeigen Beispile wie Willingen im Sauerland oder St. Wendel im Saarland. Diese Gemeinden haben sich dem Bikesport verschrieben, ziehen immer wieder Unmengen an Besuchern in die Gegend, organisieren große Events (Bikemesse, Bike-Marathon-Rennen, Europameisterschaften, Weltmeisterschaften, Weltcuprennen). Es werden spezielle Angebote für Biker erstellt; Veranstalter etablieren sich vor Ort. Und trotzdem bleibt dem Wanderer das Revier offen. Im Saanenland in der Schweiz ist man als Biker offiziell willkommen und erhält zur Begrüßung sogar gratis Informationsmaterial über das Saanenland als Bikerevier. So entspannt kann das Verhältnis zwischen Wanderern und Bikern sein. Die Gegend war wegen ihres Engagements für den Mountainbike-Sport sogar Austragungsort der Mountainbike-Weltmeisterschaften 1997 und lockte an die 50.000 Besucher an.
Eigenartigerweise hat noch kein Biker einem Wanderer verbieten wollen, irgendeinen Weg zu benutzen. Immer erheben Wanderer Anspruch auf den Wald. Würden sich die Fußgänger so verhalten, wie es der gesunde Menschenverstand gebietet, gäbe es gar kein Konfliktpotential. Stattdessen führt man seinen Hund nicht an der Leine, lässt kleine Kinder unkontrolliert umherlaufen, spaziert in großen Gruppen nebeneinander. Auch hat noch kein Biker Nagelbretter verlegt, versteckte Fallgruben ausgehoben oder Fangleinen quer über Wege gespannt, um Wanderer am Wandern zu hindern. Ihre Bestrebungen, das Verhalten von Bikern zu maßregeln, um Wanderer zu schützen, ist vergleichbar mit der Neuregelung des Verhaltens von Fahrzeugführern an Bushaltestellen: Weil die Buspassagiere nicht in der Lage sind zu warten, bis der Bus abgefahren ist, müssen eben die Autofahrer warten, bis der Bus weg ist. Und weil sich die Wanderer falsch verhalten, sollen jetzt die Biker weichen?
Ein weiterer möglicher Anlass, das Landeswaldgesetz zu ändern, ist sicher Ihr Eindruck, der Biker würde der Natur schaden. Garantiert richtet jeder Waldarbeiter, der mit Traktor und Unimog Schneisen in den Wald schlägt und dabei unkontrolliert den Boden aufwühlt, mehr Schaden an. Und Biker biken auf Wegen. Sonst würden Sie ja nicht versuchen, sie von diesen Wegen zu vertreiben. Hunde, die Ihre Notdurft an jedem Baum verrichten, Wanderer, die ihre Taschentücher, Getränkedosen, Bonbonpapier und Zigarettenstummel im Wald entsorgen, mit dem Auto bis kurz vor ihr Ausflugsziel fahren, damit sie nicht so weit laufen müssen und aus Platzmangel auf Wiesen und zwischen Bäumen parken, Pilze sammeln, die ja auch nicht auf dem Weg wachsen, Kinder, die aus Neugier abseits der Wege umhertrampeln - das sind die wirklichen Gefahren für die Natur. Vergleicht man die Masse der Wanderer mit der Anzahl der Biker, so stellt man ein deutliches Übergewicht an Wanderern fest. Unterstellt man, dass ein Paar Mountainbikereifen tatsächlich Erosion bewirkt, so sollte spätestens beim zweiten Wanderer das Verhältnis mindestens ausgeglichen sein. Allerdings wurde in mehreren Gutachten festgestellt, dass Biken eher weniger Schaden anrichtet als das Wandern. Und gerade das Getöse der Wanderer mit bellenden Hunden und schreienden Kindern erschreckt sicher mehr Wild als dahinrollende Biker, die schon aus Gründen der körperlichen Belastung sicher keinen Lärm respektive Geschrei veranstalten können.
Oberstdorf ist Startpunkt für Alpenüberquerungen mit dem Bike. Eine weitere Attraktion, die verschwinden würde.
Stuttgart bewirbt sich um die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2012. Mountainbike ist olympische Disziplin. Sollte Stuttgart den Zuschlag erhalten, würden die Bikewettbewerbe dann außerhalb von Baden-Württemberg statt finden?
Immer wieder muss festgestellt werden, dass genau der Anteil der Bevölkerung Entscheidungen trifft, der gar nichts mit dem Thema zu tun hat. Ist eigentlich eine/einer unter Ihnen selbst Biker? Können Sie einschätzen, was Sie der sport- und naturbegeisterten Klientel antun, wenn Sie das Biken derart einschränken? Möchten Sie Jugendlichen die Freizeitbeschäftigung nehmen? Möchten Sie den Menschen die Möglichkeit nehmen, ihr Hobby zur Stärkung ihrer Gesundheit zu nutzen? Ich bitte Sie, nicht über die Köpfe Ihrer Wähler und Steuerzahler hinweg zu entscheiden, sondern sich die Argumente beider Seiten anzuhören. Ihre Entscheidung, das Gesetz zu ändern, würde sowohl der baden-württembergischen Industrie als auch dem Tourismus schweren Schaden zufügen. Bitte bedenken Sie, dass Sie Volksvertreter sind. Und auch Biker gehören zum Volk.
Mein und ich denke unser aller Dank geht an diejenigen unter Ihnen, die uns Bikern den Spaß an unserem Sport nicht nehmen wollen.
Auf Ihr Verständnis hoffend
Mit freundlichen Grüßen