Ich fahre seit 1,5 Jahren mit Wachs - hauptsächlich MTB. Ohne viel Aufwand bei der Materialbeschaffung habe ich mir Paraffinkerzen und Lampenöl im Baumarkt besorgt und mische dies zur Zeit im Verhältnis 1:1, keine Festschmierstoffe. Die Konsistenz ist bei Zimmertemperatur leicht schmierig.
(Nachtrag - 4.2021 - Ich habe meine Wachsmischung angepasst und erreiche damit eine höhere Laufleistung. Siehe weiter unten im thread.)
Derzeit betreibe ich 2 Ketten im Wechsel pro Rad.
Im Sommer bin ich zu 90% in den Alpen unterwegs, hauptsächlich Schotterwege und Trails. Diesen Winter bin ich fast ausschließlich Forstwege in der Ebene gefahren, bei vielen Temperatur- und Witterungsbedingungen. Schnee, anders als die letzten 30 Jahre, hatten wir dieses Jahr nicht.
Hauptmotivation ist einfach ein sauberer Antriebsstrang, kein Ölgeschmiere an Händen und Kleidung wenn man das Rad mal tragen muss oder ins Auto lädt oder beim Radschrauben etc. , sowie keine quietschenden
Bremsen mehr, weil irgendwie Öl auf die Scheibe gekommen ist. Laufleistung der Kette ist bei mir eher nebensächlich.
Also meine
Erfahrung:
Im Sommer gibt es für mich nichts Besseres. Ich wachse neu, wenn die Kette anfängt Geräusche zu machen oder die Schaltperformance nachlässt. Das ist bei mir je nach Steigung ca. alle 7.000 hm, oder anders, ca alle 10 Stunden Fahrzeit. Dabei quere ich auch mal einen Bach, oder fahre nach ausgiebigen Regenfällen auf nassen Untergründen. Kette ist immer sauber, es dringt wenig oder kein Sand/Staub in die Kette ein. Man hat kein Knirschen, wenn man die Kette verdreht, was sonst bei mir bei Öl-Schmierung trotz Reinigung immer vorhanden war.
Im Winter sind die Erfahrungen eher gemischt. Bei Kälte (ich fahre bis -5 Grad) lässt die Schmierung sehr schnell nach, da schaffe ich kaum 30km. Ich nehme an, das Wachs wird einfach hart und aus dem Reibungsbereich verdrängt.
Bei Regen-Ausfahrten auf Schotterwegen dringt ein Wasser-Sand-Gemisch, hauptsächlich vom Vorderrad hochgeschleudert, in die Kette ein und verdrängt alles was irgendwie schmiert. Ich habe die Kette mal nach so einer Fahrt aufgemacht, unglaublich was sich da sammelt. Ich vermute fast, da macht Öl oder Wachs kaum einen Unterschied bezüglich der Wetterfestigkeit. Natürlich rostet die Kette auch nach so einer Ausfahrt, wenn die Kette unbehandelt bleibt und nicht rostfrei ist.
Das Reinigen der Kette mit Wachschmierung ist allerdings sehr einfach, Kette in ein Plastikgefäß mit warmen Wasser geben, kräftig schütteln, fertig. Staub und Sand sind dann ausreichend raus. Mit einer geölten Kette ist das nicht so einfach.
Fazit: Im Sommer für mich super.
Im Winter, naja , das Kette-wachsen im Winter ist für mich nicht sonderlich praktikabel, wenn man die Kette nach jeder Ausfahrt ausbauen muss, aber letztendlich siegen bei mir der Idealismus und der Putzmuffel. Meine Prozessoptimierungen machen es erträglich, und es ist unglaublich, wie man sich über eine Kette freuen kann, die immer Sauber ist...
Nachdem ich hier gelesen habe, das Leute fast reines Paraffinwachs fahren, kam mir folgender Gedanke.
Hypothese: (Nachtrag 4.2021 hat sich nicht bewährt, zu groß die Gefahr, dass der Lack oder Reifen anschmelzen, daher zu aufwendig. )
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Wenn man die Kette am Fahrrad z.B. nach einer Regenfahrt mit einem Heißluftfön erhitzt, dann einfach mit einer Kerze durch aufreiben neues Wachs aufbringt, dann die Kette mit dem Fön für ein Paar Umdrehungen warm hält, das ganze dann durch eine Lappen laufen lässt, sollte man doch so den Aufwand minimieren können. Ist zwar immer noch ein bisschen mehr, als Kette nur zu ölen, aber besser als die Kette auszubauen und ins Wachsbad zu legen.
Beim ersten Erhitzen mit dem Fön müsste das Wasser schnell verdunsten und sich das in der Kette verbliebene Wach neu verteilen. Man sollte nur aufpassen, dass man mit dem Fön nicht den
Reifen wegschmelzt. Mein Heißluftföhn erreicht glaube ich 250 Grad, kann mich da aber auch irren.
Ich werde das bei Gelegenheit selber mal testen, würde ich aber auch über Erfahrungsberichte diesbezüglich freuen.
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Nun
zum Aufwand. Für den reinen Kettenwechsel brauche ich inzwischen max 30 Sekunden. Alte Kette runter, neue Kette drauf, fertig - ja so einfach. Das ganze bei eingebauten Hinterrad, Fahrrad muss nicht auf den
Ständer. Benötigtes
Werkzeug: Kettenzange um das Schloss einfach aufzubekommen, ein Stück Schnur, an dessen Enden ich jeweils einen kleinen Haken befestigt habe. Damit lässt sich der Umwerfer in einer Spannungsfreien Position halten. Durch das Wachs ist die Kette beim Einbau leicht starr und lässt sich einfach einfädeln. Die Kette kommt in das Wachsbad während ich Dusche und ist mit Wachs durchzogen wenn ich mit duschen fertig bin. Nach dem herausnehmen aus dem Wachsbad wird sie einmal mit einem Tuch abgewischt und bis zum nächsten Gebrauch aufgehängt und vergessen. Ich habe keine Unterschied festgestellt, egal ob die Kette liegend oder hängend oder mit Wasser schnell auskühlt.
Zur
Sicherheit:
Wachs ist brennbar. Daher erhitze ich das Wachs mit der Kette in einem mit Deckel
geschlossenen Topf. An meinem mini-Bastel-e-Herd habe ich die Einstellung für etwas unter 100° ermittelt und markiert. Vom Schmelzen des Waches in der Küche und mit Kochgeschirr rate ich ab, Lampenöl auf Paraffinbasis ist leicht giftig.
Erstmaliges Wachsen:
Um das Jahr 2000 herum gab es wohl mal Ketten mit lebenslanger Schmierung. Daher auch das hartnäckige Gerücht. Deren Aufbau war etwas anders als der, der heutigen Ketten. Dieser Aufbau hat verhindert, dass das Fett im laufe der Zeit herausgedrückt wird, hat allerdings auch eine Neuschmierung erschwert. Einige Leute haben damals die Kette gewachst, um sie weiter zu versiegeln und das Originalfett in der Kette zu halten. Dieser Kettenaufbau wurde jedoch durch den heute üblichen Aufbau verdrängt. Im heutigen Aufbau erreichen Schmiermittel einfacher den Innenbereich der Kette. Für Interessiertere, Wiki gibt gute Auskunft über Ketten.
Trotzdem empfehlen einige Kettenhersteller heute noch die Kette auch bei Wachsschmierung nicht vollständig zu entfetten. Warum das so ist entzieht sich meiner Kenntnis.
In der Praxis nehme ich einen Mittelweg. Ich entfette meine Ketten mit normalen Benzin indem ich sie kurz einlege, schüttle und dann abwische. Das resultierende Benzin- Fett -Gemisch verwende ich wieder, bis es ein Fett- Benzin -Gemisch ist, der Umwelt zu liebe. Nach dieser Light-Entfettung lege ich die Kette in heißes Wachs. Zu Beginn hält meine Wachsschmierung nicht ganz so lange, aber das restliche Fett geht mit der Zeit und jeder Behandlung von selbst raus. Das spart mir einiges an Zeit und Aufwand.
So und jetzt Schluss, schon wider zu viel geschrieben....