Hallo Newmi,
eines vorweg: Egal wie dieser Beitrag klingt, ich habe nahezu keine Erfahrung im Laufradbau, sondern stehe wie Du vor meinen ersten (kompletten) Eigenbauten. Ich habe mich nur in den letzten Wochen intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt und fasse Dir mal eine Menge Grundlagen zusammen, die sich hier immer wiederholen.
Ich möchte nur den erfahrenen Mitgliedern die Erklärungen/Empfehlungen für Dich erleichtern und es Dir leichter machen, die Grundlagen aus der Diskussion zu extrahieren.
Ein paar Dinge zur Dimensionierung:
1.)
Anzahl Speichen: Für einen 75Kg Fahrer/Fahrerin brauchst Du definitiv keine 32 Speichen und auch keine 28 Speichen pro Laufrad. Sofern Du keine extrem dünnen Speichen/
Felgen nimmst, reichen 24 Speichen.
2.) Reifenbreite und
Maulweite der Felgen: Da Du sowieso eine neue Felge kaufst, solltest Du beste Felgendimension wählen. Für 37-40mm breite
Reifen hätte die Felge 24mm Maulweite. Von
DT Swiss gibt es da die R540 (gesteckt, 564gr., Montage ohne PHR-Wascher) und die RR531 (geschweisst, 535gr., Montage mit mitgelieferten PHR-Washern)
3.)
Belastungsgerechte Speichenwahl: Die Speichen sind auf den beiden Seiten des Laufrads unterschiedlich lang. Die Speichen der kurzen Seite werden idealer Weise mit 1200N gespannt. Die langen Speichen werden nur gerade so stark gespannt, dass die Felge mittig über der Achse steht. Vorn sind die Speichen links, an der Scheibenbremse stark gespannt. Hinten sind die Speichen an der Seite mit der Kassette/Kette kürzer. Die Seite mit den stärker gespannten Speichen (mit den kürzeren Speichen, also vorn links und hinten rechts) werden mit etwas stärkeren Speichen bestückt, als die schwächer gespannten Seite. Die leichtesten/dünnsten Rundspeichen, die man für Scheibenbremsen verwenden
soll*, sind Sapim D-Light (2,0mm / 1,65mm / 2,0mm). Ein direktes Pendant von
DT Swiss gibt es nicht, vielleicht kommen die
DT Swiss Competition Race (2,0mm / 1,6mm / 2,0mm) dem am nächsten.
4.) Verarbeitung der Speichen: Am einfachsten ist die Verwendung von
Messerspeichen, weil diese mit einem
Werkzeug gegengehalten werden können. Allerdings gibt es in Deutschland nicht so viel Auswahl an Speichenmodellen. Entweder nimmst Du Sapim CX-Ray / Sapim CX-Sprint oder
DT Swiss Aerolite / DTSwiss Aero-Comp. Leider müssen wir als Gelegenheitskleinstabnehmer für die eine benötigte Sorte 3 Euro pro Stück zahlen und für die andere benötigte Sorte 2 Euro pro Stück (egal ob von Sapim oder
DT Swiss). Allein der Satz Messerspeichen kostet unsereins deshalb: 24-Loch => 120 Euro, 28-Loch => 140 Euro, 32-Loch => 160 Euro.
5.) Wenn Du trotzdem als Anfänger
Rundspeichen verwenden möchtest, hast Du das große Problem, dass Du sie nicht gegenhalten kannst
(ohne die Speichen mit einer Zange zu verkratzen/einzukerben). Die Speichen verdrillen sich häufig, statt der Reibung der
Nippel auf dem Gewinde standzuhalten/gegenzuhalten. Wählst Du Aluminium Nippel, laufen die Gewinde noch schlechter, als bei Messingnippeln, was das unerwünschte Verdrillen verschlimmert. Dass
DT Swiss in die Nippel Schraubsicherungskleber einfügt (Pro Lock Nippel) ist kontraproduktiv. Wenn Du die Speichen-/Nippelgewinde jedoch mit Leinöl benetzt, gleiten die Gewinde leichter beim Spannungsaufbau und verkleben sich nach ein paar Tagen/Wochen durch die Verharzung dieses Öls. Nach der Montage aller Speichen und Nippel, also vor dem Aufbau der Speichenspannung solltest Du das Laufrad von äußeren Ölresten befreien, dann nervt die Leinöl-Sauerrei nicht mehr beim Zentrieren/Spannungsaufbau.
6.)
Gewicht des Laufradsatzes: Fast alle bezahlbaren und leichten Laufradsätze verwenden leichte
Felgen mit einer Masse von je 400-450 gr., Sapim Aluminium-Nippel, CX-Sprint/CX-Ray-Speichen. Viel von der Gewichtsersparnis wird durch leichte Naben ereicht. Da diese im Zentrum der Naben liegen, wirken sie kaum als
Rotationsmasse, sondern wie leichtere/schwere Bremsscheiben, Kassetten, Centerlockadapter. Der Unterschied einer schweren Nabe gehört tendenziell eher zum "stehenden Gut". Wenn man Komponentengewichte bei der Zusammenstellung berücksichtigt, sollte man unbedingt auch die montierte Bremsscheibe miteinberechnen: Es erscheint wenig sinnvoll, 200 Euro mehr für einen 100gr. leichteren Nabensatz zu investieren, wenn man dann seine 6-Loch-Scheiben mit zwei je 55gr. schweren Centerlockadaptern montiert. Gewicht am Laufrad gilt es zu vermeiden und umso weiter außen Massen liegen, desto wichtiger ist die Reduktion. Leichte
Felgen und Nippel liegen außen, aber viel zu sparen gibt es da nicht:
Felgen unter 500gr. sind schwierig abzustützen und richtig teuer, mit Nippeln aus Aluminium kann man 19gr./16,6gr./14,3gr. je Laufrad sparen (Sapim Polyax bei 32-/28-/24-Stück), das macht die Verarbeitung aber etwas schwieriger und soll weniger widerstandsfähig gegen Streusalz u.ä. sein. Aber wer sich viel Sorgen über wenige Gramm am Laufrad macht, sollte nicht vergessen, dass
Reifen noch weiter außen liegen. Wer sich superleichte Laufräder für Gravel baut/kauft und dann bei
Schlauch, Milch und
Reifen aufhört mit Masse zu knausern, hat viel Geld verbrannt. Vittoria Terreno Zero, Pirelli Cinturato Gravel Hard Terrain oder Schwale G-One Speed (alles ziemlich tolle Semi-Slicks zum Graveln) bringen alle 60-70gr. mehr Masse mit, als beispielsweise ein Conti Terra Speed. Man sollte beim
Schlauch (Latex, Turbolito oder wenig Milch) und der Reifenbreite anfangen mit Gewicht zu sparen, dort ist es nahezu kostenlos und nur mit minimalen Nachteilen verbunden.
(Hintergrund: Bitte den Artikel auf bicyclerollingresistance.com mit allen Conti GP 5000 Breiten bis ganz zum Ende lesen: https://www.bicyclerollingresistance.com/specials/grand-prix-5000-comparison)
7.)
Werkzeug: Informiere Dich über Speichentensiometer, Messerspeichenhalter, gute Nippelspanner, Zentrierlehre.
8.)
Finanzieller Aufwand: Schau Dir mal an, was Du bei sehr günstigen Anbietern an Eigenaufbauten bekommen kannst. Slowbuild bietet Laufradsätze mit DT350 Naben (allerdings straightpull), je 24 CX-Ray/CX-Sprint Speichen fertig zu Preisen an, die unter unseren Materialpreisen (ohne
Werkzeug und ohne Arbeit) liegen.
Viele Grüße
2RadBanause
* Es gibt hier trotzdem viele Fahrer, die sich vorn Laufräder mit Sapim D-Light (2,0/1,65/2,0) und Sapim Laser (2,0/1,6/2,0) bestückt haben und dauerhaltbar nutzen. Evtl. haben sie mehr Speichen als sonst notwendig verbaut, aber je dünner die Speichen sind, desto schwieriger sind sie zu verarbeiten. Für uns Anfänger wäre das sicher keine gute Empfehlung.