Mal ein ganz anderer Denkansatz zu dem Thema:
Ich habe mir ein Monster-Gravel auf Basis eines Mtb-Hardtails mit einigermaßen progressiver Geometrie aufgebaut. Das Rad ist mittlerweile zum Alltags Lieblingsrad avanciert, quasi fast eine Eierlegendewollmilchsau. Daneben steht im Keller noch ein Rennrad, ein klassisches Gravel und ein mittlerweile ausgemusterter alter Cyclocrosser (furchtbar nervös die Karre, außerdem intolerabler Toe-Overlap).
Warum so ein Dropbar-Rad, das im Moutainbike-Terrain wildert?
Nun, es ist einfach back-to-the-roots. Es fordert die Fahrtechnik auch im (mit dem Mtb) nicht so anspruchsvollen Terrain. Ein Forstweg ist nicht mehr schlimm, sondern kann sogar Spaß machen. Man geht einfach mal raus um die Landschaft zu genießen, statt manisch nach der nächsten Schlüsselstelle zu suchen.
Meine Mountainbikes sind mittlerweile hochgezüchtete Hightech-Maschinen. Das ist auch gut so, denn sie machen in ihrem eigenen Terrain so am meisten Spaß, nach dem Motto: warum Kompromisse machen? Aber genau deswegen machen sie eben auch fast nur noch Spaß im anspruchsvollen Gelände, beim Stolperbiken, oder wenn man die Bremse offen stehen lässt. Mit shared-use Wanderwegen ist das nicht immer kompatibel. Und mittlerweile bin ich da angekommen, dass neue Herausforderungen oft mit nicht unerheblichen Risiken einhergehen. Manchmal bin ich dazu einfach nicht in der Stimmung: Herausforderung bitte ja, Risiko/Gefahr bitte minimiert.
Ein starres Dropbar-Bike mit dünnen CC-Reifen stellt an Gelände und Geschwindigkeit viel geringere Anforderungen, indem es viel mehr Anforderungen an den Fahrer stellt. Das in Terrain, wo es nicht wirklich gefährlich wäre wenn es doch mal schief geht. Und in einem Tempo mit dem ich ruhigen Gewissens leben kann, ohne mich am Ende des Tages fragen zu müssen, ob das nicht doch unverantwortlich war. Wo ich an meinen Mtbs Kompromisse und Unzulänglichkeiten ausmerzen will, am Dropbar-Rad suche und will ich sie.
Warum nicht einfach ein CC-Mountainbike, ist doch dasselbe?
Mein CC-Mtb hab ich vor sehr langer Zeit verkauft, ich konnte damit nichts anfangen. Der Flatbar ist auf langen Strecken (für mich) so unkomfortabel wie ein Flatbar eben ist. Hörnchen bringen's mir nicht. Das lange Feldweg-Stück ist also immer noch lästig und ungeliebt. Und wenn man kompensatorisch wieder nach den Trail-Schlüsselstellen sucht wird's sketchy. Die Federung macht was eine Federung macht: sie ist schwer und frisst Energie, und macht einfache Trails "platt" so das man wieder anfangen möchte zu heizen.
Also ein Starr-Rad. Effizienter, spritziger, leichter, anspruchsvoller. Aber das geht für mich irgendwie nur mit Dropbar. Die Bügel können unten gegriffen viel besser flexen, und die erzwungene Armhaltung tut ihr übriges. Am Dropbar-Bügel unten gegriffen kann ich über Rumpeltrails poltern, auf denen mir mit einem starren Flatbar-Rad schon längst die Handgelenke explodieren würden. Und für lange Forstpisten-Strecken habe ich eine Unzahl von Griffmöglichkeiten und Arm/Schulterhaltungen um die Sache angenehmer zu gestalten (nein, Hörnchen in irgendwelchen Ausgestaltungen können für mich zumindest nicht mal ansatzweise dasselbe leisten).
Warum kein klassisches Gravel?
Nun, das habe ich eben auch. Aber das wildert bei mir mehr im Rennrad-Terrain. Auf Trails limitiert es dann doch wieder zu sehr, ist auf Dauer zu sketchy, zu anstrengend, zu langsam. Manchmal ist es witzig sich damit noch ein wenig mehr herauszufordern, aber auf Dauer ist damit bei S1 Schluss und Forstwege sind die angenehmere Wahl.
Außerdem: über den Tellerrand schauen macht doch Spaß. Es muss nicht immer alles so sein wie man es schon immer kennt. Sich selbst mit Abwechslung zu fordern bringt erst die Würze. Und nicht alles muss auf maximale Effizienz getrimmt sein. Manchmal kann man auch einfach was fahren, was eigentlich albern und ungeeignet erscheint, und hat damit den meisten Spaß. Und die Wanderer auch, selbst wer sichtlich die Schnauze voll hat vom x-ten Mountainbiker überholt zu werden, fängt an zu grinsen oder hat einen netten Spuch parat, wenn er statt motorisierten 180mm Fullies unsere bekloppten starren Rennradmonster sieht