Ich antworte hier mal gesammelt…
Dass Vorschläge wie einen Liter Flüssigkeit in die Reifen zu kippen (oder an anderer Stelle – nicht an mich gerichtet – eine halbvolle Wasserflasche an die Gabel zu hängen) jetzt leicht am Thema vorbeigehen, sollte selbst den Vorschlagenden klar sein. Neben so gern genommenen Phänomenen wie rotierenden und ungefederten Massen (über die man noch mal extra diskutieren könnte) kommt da noch hinzu, dass die Massen in diesen Fällen nicht fest mit dem Rad verbunden sind und deshalb aus Trägheitsgründen mehr Einfluss nehmen dürften als ein schwererer Rahmen, um den es hier im Beispiel geht. Nichtsdestotrotz bezieht sich
@Orby auf eine Runde mit 1000 Hm. Die Diskussion hier entzündete sich aber an Formulierungen wie (ich zitiere etwas verkürzt): „Ausgebremst wird es jedoch recht spürbar durch sein hohes Gewicht, … macht sich dieses bei jeder Kurbelumdrehung bemerkbar.“ Also nicht oben nach langer Auffahrt oder bei speziellen Manövern, sondern eigentlich sofort und ständig. Das ist ein Unterschied.
Nochmal, ich glaube ja gerne, dass hier Unterschiede zwischen den Rädern sind. Was mich stört, ist die offensichtlich recht unbedachte Zuschreibung einer bestimmten Beobachtung der Tester zu einer bestimmten Eigenschaft des Bikes, obwohl das eben aus physikalischen (und damit objektiven Gründen) zumindest zweifelhaft ist. Grundsätzlich erschöpft sich eigentlich die Aufgabe der Tester darin, ihre Eindrücke vom Fahrerlebnis wiederzugeben. Die Erklärung dafür könnten sie den Designern der Bikes überlassen, sollten diese die beschriebenen Fahreigenschaften verändern wollen. Natürlich können sich auch Redakteure ihre Gedanken machen und diese äußern, allerdings ist es schade, wenn das dann nicht über das kritiklose Aufzählen von Stereotypen (um nicht zu sagen Vorurteilen) hinausgeht.
Um beim Beispiel zu bleiben: Ich fahre aktuell ein Bike mit Kofferraum. Da sind die üblichen Utensilien drin, dann manchmal zusätzlich Wasser und auch mal eine Klappsäge. Außerdem hab ich eine normale Wasserflasche und manchmal eine kleine Tasche mit Handy, Riegel, … am Rahmen dabei. (Ich liebe es, sehr oft ohne Rucksack unterwegs sein zu können.) Wir reden hier also über bestimmt ein Kilo an Gewichtsunterschied zwischen verschiedenen Situationen, auch mal auf gleichen Trailabschnitten. Ich könnte mich aber nicht erinnern, dass ich mir dabei mal gedacht habe „wow, das fährt sich heute aber ganz anders.“ Klar, man kann jetzt sagen, ich habe kein Bikegefühl, andererseits merke ich durchaus einen Unterschied beim Fahren, wenn der Sattel einen Zentimeter höher oder tiefer ist, der Vorbau einen Zentimeter kürzer oder länger oder der Lenkwinkel ein Grad flacher oder steiler.
Es sagt ja auch niemand, dass man Gewicht gar nicht spürt. Klar, wenn ich am Anschlag bergauf trete und dann noch das Bike über eine hohe Stufe nach oben wuchten muss, fällt mir ein Kilo Mehrgewicht vielleicht auf (wobei hier auch die Geometrie oder das Fahrwerk viel mehr entscheidet, ob das klappt), aber das ist halt nicht bei jeder Kurbelumdrehung. Und sicher, jemand der in BMX-Manier jibbt, merkt das Jibb vielleicht auch, aber das bin dann nicht ich.
Andererseits merke ich sofort, wenn ich mich auf das Vorgängerbike meines aktuellen Gefährts setzte. Ich habe beide ehrlich gesagt noch nie gewogen, ich schätze aber, dass sie sich gewichtstechnisch nicht viel nehmen. Das alte Rad hat aber einen flacheren Sitzwinkel und steileren Lenkwinkel (sonst ist die Geo jetzt nicht extrem unterschiedlich). Sowohl bergauf als auch bergab ist der Unterschied immens. Ich würde also behaupten, dass der Einfluss der Geometrie darauf, wie sich ein Bike fährt, wesentlich größer ist als der Gewichtsunterschied, über den wir hier reden. (10 kg ist dann schon eine andere Hausnummer, weil hier ja auch schon E-Bikes ins Spiel gebracht wurden.)
Apropos Effizienz: Es wird ja in Tests immer wieder hervorgehoben, dass Kinematiken so gut seien, dass ein Lock-out des Fahrwerks bergauf nicht nötig sei und man deshalb darauf beim Fahren meistens verzichtete. Ich würde mal wagen zu behaupten, dass auch mit einer sehr guten Abstimmung des gesamten Fahrwerks (also Übersetzung plus Feder plus Dämpfung) der Effizienzverlust bei offenem Fahrwerk gegenüber blockiertem Fahrwerk im Bereich eines Gewichtsunterschieds von einem Kilogramm spielen dürfte. Wenn das eine Kilo also so dramatische Auswirkungen hat, warum dann nicht immer bergauf das Fahrwerk straffen, was ja im Vergleich viel einfacher zu haben ist als Gewicht einzusparen?
Und noch eine Bemerkung, weil das hier auch schon angesprochen wurde: Ich denke, dass man die Gewichtsverteilung an einem Bike schon spüren kann. Ein Kilogramm aus der Mitte an ein Ende zu verlegen, dürfte durchaus einen Einfluss auf das Fahrgefühl haben. Das ist aber etwas anderes als ein Kilogramm Mehrgewicht, das sich recht gleichmäßig über den Rahmen (und damit relativ zentral) verteilt. Interessanterweise liest man recht selten in Tests, dass die Balance eines Bikes hinsichtlich der Gewichtsverteilung nicht passen würde, während der Vorwurf des Mehrgewichts im Allgemeinen doch eine Standardformulierung ist. Es verwundert dann schon, dass sich dieses Mehrgewicht anscheinend bei allen Bikes ganz homogen verteilt… In diesem Zusammenhang ist es auch lustig, dass es doch oft Carbonrahmen mit Aluminiumhinterbauten gibt. Andersrum wäre wahrscheinlich sinnvoller, auch wenn das insgesamt wohl weniger Gewichtsersparnis bringt. Das kenne ich aber nur von Alutech. Vielleicht ist aber der Einfluss des Gewichts halt doch nicht so groß?
Tut mir ja leid, wenn ich hier manche Illusion, die sich auf teuer erkaufte Gewichtsersparnis baut, etwas ins Wanken bringe. Und ja, wenn ich genau dasselbe auch in leichter haben kann, würde ich es nehmen, allein schon weil ich mein Bike auch mal den Berg hinauf trage (wenn auch nicht übertrieben lange). Würde ich dafür Geld ausgeben? Eher nicht. Gebe ich Geld (und Mehrgewicht) für Haltbarkeit und bessere Funktion aus? Eher schon. Ich denke, es bringt mehr, wenn man sich auf andere Faktoren wie Geometrie bzw. deren Anpassung, Fahrwerk etc. konzentriert und weniger aufs Gewicht, wenn man das Optimum aus seinem Bike herausholen will. Gilt natürlich nur für Spaß-Fahrer. Bei Rennen ist das was anderes. Wie ist das im XC WC? 75 min Fahrzeit, Abstand der Top 10 eine Minute oder so? Da bringt dann 1% Effizienz mehr schon was ein.
Ansonsten: Cooles Bike, das Jibb, wie ich finde. Und viel Spaß noch beim weiteren Diskutieren!