Jetzt nicht ablenken hier, ich klammere gar nichts aus! Du kamst ja mit dem leicht abstrusen Vorschlag, den Einfluss des Gewichts dadurch auszuprobieren, dass ich das Mehrgewicht per Flüssigkeit in die Reifen stecken soll, was nun mal einerseits wenig Bezug zum aktuellen Fall hat und andererseits ja geradezu zur Behandlung von rotierenden Massen in größerer Tiefe, als das beim Rahmen der Fall ist, herausfordert.
Unabhängig davon kritisiere ich keine Tester, wie du an anderer Stelle ausführlich nachlesen kannst, sondern im Wesentlichen eine Formulierung des Redakteurs, der aus den sicherlich gesammelten Eindrücken der Tester den Text des Testberichts erstellt hat, und im Weiteren, was Manche dann daraus hier machen.
Doch zurück zu deinem Einwurf. Die Verwendung des Begriffs Systemgewicht ist nicht falsch und meine Berechnung ist nicht hinfällig (mal abgesehen davon, dass die tatsächliche Überschlagsrechnung hier gar nicht von mir kam, sondern von jemand anderem). Die Berechnung (oder besser gesagt Überlegung) ist nicht exakt, aber in Bezug auf das Rahmengewicht, um das es hier ja zumindest implizit vor allem geht, hinreichend genau. Ich schlüssele dir die Physik dazu gerne etwas weiter auf. Vorausgeschickt sei jedoch, dass all das auf dem Thema Effizienz aufbaut. Andererseits bin ich der Meinung (und habe das an anderer Stelle hier auch schon geschrieben), dass die tatsächliche Effizienz für solche Tests gar nicht so wichtig ist. Wichtiger ist für mich der Fahreindruck und damit eine gefühlte Effizienz, denn als Spaßfahrer ist für mich das Fahrerlebnis und nicht die Zeit beim Fahrradfahren relevant. Alles was folgt, geht also nur auf den Text des Testberichts zurück, der nahelegt, dass ein Testeindruck im Wesentlichen auf eine objektive Eigenschaft des Rads, nämlich sein Gewicht, zurückzuführen sei. Meine Ausführungen ändern also nichts an den geschilderten Testeindrücken oder an der Qualität des Rads an sich, sondern sollen lediglich ein Missverständnis aufklären, das offensichtlich weit verbreitet ist.
Also Effizienz. Effizienz ist Aufwand durch Wirkung. Je mehr Aufwand ich betreiben muss, um eine bestimmte Wirkung zu erzielen, umso weniger effizient ist etwas. Da unser Leistungsreservoir beim Sport immer begrenzt ist, mögen wir natürlich Effizienz (zumindest meistens, manchmal zu Trainingszwecke auch nicht), weil wir dann mehr tun können. Bei einem Sport wie Fahrradfahren muss ich die Effizienz aber in zwei Teile zerlegen. Da gibt es einerseits die Effizienz des Sportgeräts, also wieviel Arbeit muss ich ins Rad reinstecken, damit hinterher der gewünschte Effekt herauskommt. Dazu gleich noch mehr, aber da spielen logischerweise Dinge wie Rollwiderstand und auch Gewicht eine Rolle. Andererseits gibt es aber noch die Effizienz der Ergonomie, also wieviel Arbeit müssen meine Muskeln verrichten, damit am Rad überhaupt der Input ankommt, der bei gegebener Effizienz des Rads dann für den gewünschten Output sorgt.
Die Effizienz der Ergonomie ist jetzt insofern komplizierter zu erfassen, weil da einerseits Eigenschaften des Rads eine Rolle spielen (zuvorderst natürlich die Geometrie des Rahmens, aber auch viele andere Dinge wie Sattelform, Pedale, …) und andererseits die körperlichen Voraussetzungen des jeweiligen Radfahrers, die individuell unterschiedlich sind und mit dem Rad gar nichts zu tun haben. Wenn ich diese Effizienz dann auch noch nach dem Eindruck bewerte, kommen nochmal andere Parameter hinzu, weil sich die Arbeit mancher Muskelgruppen anders, also angenehmer oder unangenehmer, anfühlen kann als die von anderen, was dann wiederum zum Beispiel vom Trainingszustand oder einfach „Gewöhnung“ abhängen mag.
Wenn ich nun nach Testeindrücken frage, bekomme ich die Kombination von Effizienz des Rades und Effizienz der Ergonomie. Zumindest sollte ich das bekommen, denn es ist nicht Aufgabe des Testers, die beiden zu trennen. Und schließlich will ich das auch, denn mich als Leser des Tests interessiert ja vor allem, wie sich das Rad später anfühlt (also die Kombination aus beidem). Daraus wird natürlich auch klar, warum solche Tests nie total objektiv sein können, weil sich die Ergonomie zwischen Tester und Leser höchstwahrscheinlich unterscheiden wird. Deshalb ist es gut, wenn Tests entweder viele Tester haben, weil sich dann deren jeweilige Eigenheiten rausmitteln (die eigenen muss man natürlich auch einschätzen können und in Bezug setzen), oder man hat Tests von nur einem Tester, bei dem man als Leser die Eigenheiten aber einschätzen kann, weil man schon viele Tests des Testers gelesen hat. (Tests von Firmen zur Produktentwicklung oder von Wettkampfathleten zur Optimierung haben natürlich das Problem, die beiden Aspekte von Effizienz auseinanderhalten zu müssen. Das sollten dann jedoch jeweils Spezialisten übernehmen und nicht die Tester selbst. Ist übrigens ein weit verbreitetes Problem von Hobbyathleten, dass dies bei ihnen nicht in der Form geschieht.)
Worum es mir hier eigentlich geht, ist der Punkt, dass oft die Effizienz des Sportgeräts gegenüber der Effizienz der Ergonomie überbewertet wird und dann bestimmten Eigenschaften des Sportgeräts eine Wirkung zugeschrieben wird, welche diese de facto nicht haben. In diesem Beispiel ist damit das Gewicht des Bikes speziell im Hinblick auf die Gesamteffizienz beim Fahren gemeint – ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Formulierung im Testbericht „lädt nicht zu Sprints ein“. Das Verhältnis der beiden Ebenen von Effizienz nun zu beurteilen, ist nicht ganz trivial, speziell weil die Effizienz der Ergonomie nur schwierig zu messen und noch viel schwieriger zu berechnen ist. Nichtsdestotrotz kann ich zumindest die Ergonomie des Sportgeräts messen und überschlagsweise auch gut berechnen und dabei die Einflüsse verschiedener objektiver Parameter des Bikes berücksichtigen. Wenn sich nun an der Effizienz des Bikes bei Veränderung der Bike-Parameter nicht viel tut, ist es naheliegend, dass der Einfluss der Ergonomie überwiegt. Das können dann immer noch Eigenschaften des Bikes sein, aber eben andere, also z.B. der Abstand von Lenker und Sattel und nicht der Rollwiderstand der Reifen, können aber auch individuellere Parameter des Sportlers und weniger die des Bikes sein (diese sollten sich bei mehreren Testern jedoch klären).
Womit wir endlich bei der Effizienz des Fahrrads und entsprechend bei der Schulphysik
angelangt wären. Wie gesagt, Effizienz ist Aufwand durch Wirkung, also betrachten wir den Aufwand, die Wirkung soll ja gleich sein. Aufwand ist Arbeit und Arbeit ist Kraft mal Weg. Der Weg ist wiederum auch eher vorgegeben, bleibt also noch die Kraft. Welche Kräfte müssen wir nun also überwinden oder aufwenden, um die jeweils gewünschte Wirkung zu erzielen? Zu unterscheiden sind hier jedenfalls die zwei großen Szenarien, wo einmal Bike und Biker zusammen bewegt werden müssen, also um etwa von A nach B zu kommen, und andererseits vor allem das Bike unabhängig vom Biker bewegt wird, also alle möglichen Fahrmanöver.
Widmen wir uns zunächst Szenario eins (A nach B). Die wichtigsten Kräfte sind hier der Widerstand durch Rollreibung, dann bei schnellerem Fahren der Luftwiderstand und natürlich bergauf der Widerstand durch die Gravitation. Ersterer ist abhängig vom Widerstandskoeffizienten der Reifen und der Normalkraft. Die Normalkraft ist wiederum abhängig vom Gesamtgewicht von Rad und Fahrer. Ein kleiner Unterschied im Gewicht des Rades spielt hier kaum eine Rolle, während jeder zustimmen wird, das die Wahl der Reifen (also deren Reibungskoeffizient) einen ganz erheblichen Einfluss auf die Effizienz des Fahrrads hat. Der Luftwiderstand ist vom Gewicht nur sehr indirekt beeinflusst, während die Schwerkraft komplett vom Gewicht bestimmt wird, hier allerdings auch wieder von der Summe aus Gewicht von Rad und Fahrer. Der Unterschied bei einem Durchschnittsfahrer und einer Gewichtsdifferenz von einem Kilo beim Bike wurde hier schon berechnet (wenn auch leider nur auf zwei Kommastellen genau
).
Kommen wir damit zu sekundären Effekten, die sich zum Beispiel durch einen unrunden Tritt und daraus folgend aus ständigen Beschleunigungen und Verzögerungen ergeben. (Für die Verzögerungen brauchen wir als Fahrer nicht zu sorgen, für die Beschleunigungen aber schon, ist also zusätzlicher Aufwand.) Hier gilt Kraft ist Masse mal Beschleunigung. Wie groß die Beschleunigung ist, kann man nur schwer genau sagen, sie muss für ein insgesamt gleichmäßiges Tempo aber so groß sein wie die Verzögerung, die wiederum umso größer ist, je steiler der Berg und je höher das Tempo, wobei hier die Gravitation den Luftwiderstand schlägt. Wir wissen also, dies ist ein Effekt, der vor allem an steilen Bergen eine Rolle spielt. Der andere Faktor war aber wieder das Gesamtgewicht. Also: an steilen Bergen ein insgesamt nicht zu vernachlässigender Faktor, aber durch das Bikegewicht kaum beeinflusst. Vergessen haben wir jetzt allerdings die Reifen, die ja nicht nur als Masse insgesamt nach vorne beschleunigt werden müssen, sondern auch noch in (schnellere) Rotation versetzt werden müssen. (Wir sind also nun bei den rotierenden Massen!) Das kann nun ausrechnen, wer will (ist nicht sehr kompliziert, erfordert aber einiges an Annahmen über Radgrößen, Gewichtsverteilung etc., also spare ich mir das quantitativ), ich kann mir aber vorstellen, dass wenn ich ein Kilogramm bei 29“ da reinpacke, ich das durchaus merke, wenn ich steil bergauf fahre. Ist ja aber auch egal, weil das Jibb seinen Speck in den Rahmen und nicht in die Räder (die waren im Test ja zumindest hinsichtlich Reifen normiert) packt und der Rahmen zum Glück nicht rotiert.
Bleibt in diesem Abschnitt noch der durch die Federung induzierte Aufwand beim Treten a.k.a Wippen. Der ist jetzt auch quantitativ nicht so leicht zu fassen, weil abhängig vom Hub und Untergrund. Bei unruhigem Untergrund hat die Federung ja sogar Vorteile, weil sich der Schwerpunkt auf einer geraden Linie bewegt. Gleiches gilt für den Einfluss der Reifen bei kleineren Unebenheiten. Aber auch in allen diesen Fällen gilt: Bewegt wird vor allem der Fahrer, das Rad spielt hier den geringeren Einfluss und entsprechend ist ein kleiner Gewichtsunterschied des Rads unbedeutend (hier sogar noch mehr, weil ein Teil des Rads ja ungefedert ist und deshalb nicht mitgehoben wird). Zum Spaß aber trotzdem eine kleine Abschätzung: Stell dir vor, du hast 150 mm FW und 30% Sag und du wippst extrem, also sagen wir mal den halben Sag, dann hebst du deinen Schwerpunkt pro Kurbelumdrehung unnötigerweise um 5 cm an. Bei einer Kurbelumdrehung kommst du aber im Extremfall nur einen guten halben Reifenumfang vorwärts, also etwa drei Meter. Natürlich ist die Steigung groß, aber du wirst nicht viel mehr als einen halben Meter Höhe dabei gewinnen. Alle anderen Widerstände unberücksichtigt, liegt der Verlust durchs Wippen des Fahrwerks dann im Bereich von 10%, das ist durchaus beachtlich.
Kommen wir nun noch zum anderen Bereich der Bewegungen, wo nur das Fahrrad und nicht der Fahrer bewegt wird, also einzelne Fahrmanöver. Dabei können wir davon ausgehen, dass sich Fahrer und Fahrrad vor und nach dem Manöver gemeinsam gleichmäßig fortbewegen und die allgemeinen Effekte der Bewegung bereits im Vorigen behandelt worden sind. Es reicht dann also, sich für Effizienzbetrachtungen auf zB Manöver in der Ebene zu beschränken. Klar ist es schwieriger, das Bike in einem Anstieg über eine Stufe zu heben, aber das kommt eben daher, dass Bike und Fahrer zusammen den Berg hoch bewegt werden müssen und da ist der Einfluss des Bikes alleine wieder nicht so entscheidend.
Nehmen wir als erstes Szenario das Offensichtliche, also das Anheben des Bikes zum Beispiel beim Fahren eine Stufe hinauf oder bei einem Bunny Hop. Hier ist klar, dass das Mehrgewicht des Bikes gegen den Widerstand der Gravitation gehoben werden muss, der Mehraufwand übersetzt sich hier also direkt aus dem Mehrgewicht. Ein Kilogramm bei 14 oder 15 kg Bikegewicht sind also ungefähr 7% Mehraufwand, das ist nicht zu vernachlässigen, allerdings war vorhin im Extrembeispiel Wippen der Unterschied sogar größer und der Einfluss verschiedener Reifen beim Rollwiderstand dürfte auch leicht in dieser Kategorie spielen. Dazu gilt es noch zu bedenken, wie hoch die Stufe denn ist, die es zu bewältigen gilt (ich erinnere: Kraft mal Weg). Wenn das nur ein dicker Ast von 5 cm ist, bleibt der Mehraufwand in Grenzen. Eine Stufe von 20 cm ist was anderes, aber wie oft kommt die vor?
Gehen wir zu einem anderen Szenario, nämlich Kurvenfahren. Da muss man das Bike neigen. Nun, wo ist da der Mehraufwand, schließlich gibt es doch die Gravitation, die das Bike von alleine neigt? Man sollte hier den Gyroskopischen Effekt nicht vergessen, also die Kräfte, die zum Überwinden der Erhaltung des Trägheitsmoments der rotierenden Räder notwendig sind. Geschieht dadurch, dass man den Körperschwerpunkt auf dem Bike verlagert, hat also mit dem Gewicht des Bikes (also insbesondere mit dem Gewicht des Rahmens, Laufräder sind da andere Baustelle) nicht zu tun. Überhaupt sind alle Manöver, die vor allem mit einem Verlagern des Körpergewichts zu tun haben, tendenziell kaum vom Bikegewicht beeinflusst. Hier ist zu bedenken, dass der Fahrer in aller Regel deutlich schwerer ist als das Fahrrad, die Hebel also immer eindeutig zugunsten des Fahrers ausfallen und deshalb notwendige Bewegungen fast immer im Rahmen bleiben. Sieht auf Motorrädern dann auch mal anders aus.
Bleiben noch Manöver, wo das Bike nicht vertikal bewegt werden muss, sondern lateral, also zum Beispiel zum Einleiten eines Drifts. Extrembeispiel wäre hier wohl ein Tailwhip, wenn auch nicht im aktuellen Beispiel relevant. Da leuchtet es natürlich ein, dass ein Mehrgewicht des Rahmens einen deutlichen Einfluss hat. Bei eher beschränkten Bewegungen wie beim Einleiten eines Drifts ist die Frage, ob da nicht die Hebelkräfte, die sich aus der Kippung der Achse des Hinterrads ergeben, schon wieder relevanter werden als die Hebelkräfte zum Schwänken des Rahmens. Ach ja, Drift, also wahrscheinlich blockiert das Hinterrad, also keine Kreiselwirkung…
Aber es bleibt dabei, einen Einfluss des Rahmengewichts hier verorten zu wollen, ist schwierig. Andererseits spielt die Bike-Geometrie bei allen diesen Manövern eine offensichtliche Rolle. Einen Einfluss des Rahmens rein aufgrund seines Gewichts entsprechend klar zuschreiben zu wollen, halte ich daher für überaus gewagt.
Zusammengefasst bleibt für mich die Sache klar. Das Gewicht des Bikes hat natürlich einen Einfluss aufs Fahren mit dem Rad, und der ist in vielen Fällen sogar meßbar, aber er ist im Gegensatz zu häufig geäußerten Meinungen nur recht selten tatsächlich fühlbar. Dass man es in bestimmten Situationen fühlen kann, würde ich bestätigen, die sind aber relativ selten und umso seltener, je mehr es ums „normale Radfahren“ geht. Andererseits gibt es bestimmt viele Situationen, wo sich ein Bike vielleicht schwer anfühlt, wo aber der tatsächliche Hintergrund vielmehr in der Geometrie oder anderen Parametern zu suchen ist, der dann bestimmte Bewegungen auf einem Rad schwerer macht oder zumindest schwerer erscheinen lässt als auf einem anderen Rad. Manche Dinge fallen uns halt einfach schwer.