Du musst auch beachten, wieviel Federweg ein Rahmen hat, je mehr Federweg vor allem hinten, desto mehr flachen die Winkel beim steil Hochfahren ab. Wenn dann ein Winkel bei einem 160mm Hinterbau optimal zum Hochfahren ist, darf bei derselben Kettenstrebenlänge der Winkel beim 100mm Hinterbau ein bis zwei Grad flacher sein, um eine ähnliche Schwerpunktlage ohne eine Änderung der Körperhaltung relativ zum Bike zu erreichen. Zudem ist, wie schon angesprochen, bei Racebikes auch die Traktion am Hinterrad ein Thema, da dort viel weniger griffige Reifen verwendet werden, die bei zu steilem Sitzwinkel und weniger Gewicht auf dem Hinterrad schneller durchdrehen.
Ich denke auch, dass die meisten Hersteller sich nicht trauen, ein Bike mit komplett unorthodoxer Geometrie auf den Markt zu bringen, aus Angst, dass es deswegen schlecht verkauft wird. Die meisten Hersteller sind in der heutigen kurzlebigen Zeit wohl auch damit beschäftigt, die neuen Modelle rechtzeitig halbwegs serienreif zu bekommen und nehmen sich keine Zeit für Experimente.
Welcher Entwickler bekommt vom Management schon freie Hand, Geld und Zeit zu investieren, um "verrückte" Ideen zu testen? Gerade in der heutigen Zeit, wo viele Hersteller mehr und mehr optimieren, um mit möglichst kleinem Aufwand möglichst grossen Gewinn zu machen.
Meist sind es dann sehr kleine oder kleine, eher unabhängige Hersteller, die sich an solche Experimente wagen, weil sie ihren Beruf aus Liebe ausüben und wirklich viel versuchen, um ein gutes Bike besser zu machen, auch mit dem Risiko, dass man halt manchmal Zeit und Geld investiert, "nur" um zu erfahren, was nicht gut ist - aber genau das macht die "Tüftler" besser: Auch unübliche Wege gehen, testen und Erfahrung daraus mitnehmen und in Zukunft darauf aufbauen.
Im Artikel steht: "Insbesondere im steilen Abschnitt waren die getretenen Watt bei gleichem Puls höher. Unabhängig ob die Fahrt mit der langen Kettenstrebe die erste oder die zweite Fahrt am selben Tag war."
Das zeigt für mich klar, dass es wirklich um die Gewichtsverlagerung auf dem Bike geht, um bei der steilen Steigung das Vorderrad am Boden halten zu können. Bei kurzer Kettenstrebe ist der Körperschwerpunkt ohne Gewichtsverlagerung relativ zum Bike schneller über der Hinterradachse als bei langer Kettenstrebe. Also muss man sich bei der kurzen Strebe nach vorne beugen, wenn man mit der langen Strebe noch enspannt und aufrechter treten kann. Mit der aufrechten Sitzposition ist die Atmung besser und es braucht weniger Arm - und Rumpfmuskulatur.
Erwartungshaltung spielt bei gemessener Herzfrequenz und gemessener Leistung wohl kaum eine Rolle. Dass man allenfalls grössere Kräfte mobilisiert durch die Erwartungshaltung, das kann ich nachvollziehen, aber das geht meiner Meinung nach dann auch mit höherer Herzfrequenz einher.
Je höher der Fahrerschwerpunkt (grosser Fahrer), desto eher wird sich eine Verlängerung der Kettenstrebe positiv bemerkbar machen, weil der höhere Schwerpunkt schneller hinter die Hinterradachse "kippt" bei steilen Auffahrten als der tiefe Körperschwerpunkt. Ich denke auch, dass es für jede Konfiguration eine kritische Steigung gibt, ab welcher der Schwerpunkt verlagert werden muss, um die Linie halten zu können - ab dieser Steigung wird dann die längere Kettenstrebe effizienter sein.