Jan Heine schreibt dazu in seinem Buch "Ein Rad für alles", für das ich jetzt mal ausdrücklich Werbung machen möchte:
Felgenbreite und Kurvenverhalten
"Die Felgenbreite verändert die Form des
Reifen-Querschnitts. Auf einer schmalen Felge ist der
Reifen O-förmig, auf einer breiteren Felge wird der
Reifen hingegen fast U-förmig: die Reifenflanken stehen senkrechter und können theoretisch das Gewicht des Fahrers besser unterstützen. Manchmal heißt es, dass dies ein besseres Fahrverhalten in der Kurve bewirken würde.
Bei geschmeidigen
Reifen sind die Reifenflanken jedoch nicht steif genug, um viel Gewicht zu tragen. Das Extrembeispiel sind Schlauchreifen, die völlig O-förmig sind. Radprofis setzen Schlauchreifen unter anderem deshalb ein, weil diese in Kurven ein besseres Handling bieten - ein Hinweis darauf, dass bei geschmeidigen
Reifen die Felgenbreite das Fahrverhalten des Rads nicht beeinflusst.
Bei geschmeidigen
Reifen wird das Gewicht des Fahrers fast nur durch den Luftdruck getragen. Daher müssen solche
Reifen etwas härter aufgepumpt werden (siehe S. 142). Jedoch können auch steife
Reifen wegsacken, wenn sie mit zu wenig Druck gefahren werden. Wenn sich der
Reifen verformt, wird er immer O-förmiger. Dadurch verringert sich seine Federkonstante, so dass es immer leichter wird, ihn weiter zu verformen.
Der optimale Reifendruck für schnelles Fahren ist niedrig genug, um zu vermeiden, dass der
Reifen auf Unebenheiten den Bodenkontakt verliert, und hoch genug, dass sich die Reifenflanken nicht zu stark verformen und wegsacken."
Weiter schreibt er zu:
Reifendruck und Wattleistung
"Breite
Reifen werden mit niedrigerem Druck gefahren und verwinden sich daher unter den Pedaltritten des Fahrers anders. Dies kann ein Vorteil sein oder sich nachteilig auswirken. Bei breiten
Reifen kann der Reifendruck die Leistung beeinflussen, die der Fahrer auf die Pedale bringt (siehe "Planing" auf S. 58). Probiere aus, welcher Reifendruck für dich am besten funktioniert."
Und zu:
Reifendruck und Planing
"Der Flex eines Fahrrads kann auch über den Reifendruck abgestimmt werden. Dazu braucht man breite
Reifen. Wenn der Druck genau richtig gewählt wird, kann ein breiter
Reifen etwas nachgeben und so die überschüssige Energie der Pedaltritte speichern, um sie dann später wieder abzugeben. Für Bicycle Quarterly haben wir eine Reihe von recht steifen Allroad-Bikes getestet, deren Performance hervorragend war, wenn die
Reifen für Gravel-Fahrten mit relativ geringem Druck aufgepumpt waren. Als wir den Reifendruck dann für eine schnelle Ausfahrt auf asphaltierten Straßen erhöhten, war vom Planing nichts mehr zu spüren. Nachdem wir ein wenig Luft aus den
Reifen abgelassen hatten, waren die Räder wieder so leicht und schnell zu fahren wie zuvor. Scheinbar kann der richtige Reifendruck dazu führen, dass die Reifenflanken nachgeben und so ein "Planing" ermöglichen. Es lohnt sich, mit dem Reifendruck zu experimentieren, um zu sehen, ob du die Leistungsfähigkeit deines Rads durch ein wenig mehr Nachgiebigkeit der
Reifen verbessern kannst."
Planing
"Das Konzept des Planings ist durch Doppelblindtests bestätigt worden. Wir haben dabei drei Räder getestet, die identisch waren (gleiche Geometrie, gleiche Komponenten, gleiche Farbe), außer dass eines eine andere Flex-Charakteristik aufwies (Ober- und Unterrohr mit dickeren Wänden). Die anderen beiden Räder waren komplett identisch. (Zwei identische Räder sind nötig, um zu prüfen, ob eine unbekannte Variable - Rahmenausrichtung, Lagerspiel, Rundlauf der Laufräder etc. - die Leistungsfähigkeit beeinflusst.)
Obwohl die Probanden nicht wussten, auf welchem Rad sie fuhren, war Fahrer A jedes Mal auf Rad Nr. 2 schneller. Im Schnitt brachte er 12% mehr Leistung auf die Pedale. Deshalb war auch seine Geschwindigkeit auf Rad Nr. 2 höher - um 6-8%. Fahrer A berichtete auch, dass sich die Räder anders fuhren: Auf Rad Nr. 2 fiel es ihm auch subjektiv leichter, mit voller Leistung bergauf zu fahren.
Die Konstruktionsunterschiede zwischen Rad Nr. 1 und Rad Nr. 2 waren gar nicht groß. Beide waren aus Stahlrohren mit Standarddurchmesser gebaut, doch waren die Rohrwände bei Rad Nr. 2 um 0,2 mm dünner. Dieser kleine Unterschied sorgte bereits dafür, dass Fahrer A auf Rad Nr. 2 wesentlich mehr Watt treten konnte.
Der Geschwindigkeitszugewinn um 6-8% ist mehr, als sich mit aerodynamischen oder superleichten Komponenten erreichen lässt. "Planing" kann auch erklären, warum manche Stahlrahmen ebenso schnell sind wie leichtere Carbonrahmen: Optimierte Flex Eigenschaften ermöglichen dem Fahrer, mehr Leistung zu bringen. Das hat einen größeren Effekt als kleine Gewichtsunterschiede zwischen den Fahrrädern. Nur wenn beide Räder die gleiche Flex-Charakteristik aufweisen, ist das leichtere Rad am Berg (geringfügig) schneller.
Aber zehrt die Verwindung des Rahmens nicht Energie? Wenn ein Rahmen sich verwindet, wird zwar Trittenergie absorbiert, diese wird jedoch zurück an den Antrieb übertragen, wenn er wieder seine ursprüngliche Form annimmt. Nur ganz wenig Energie geht durch Hysterese verloren. Theoretisch absorbieren Rahmen aus Metall weniger Energie als Carbonrahmen. In der Praxis sind die Unterschiede jedoch ohne Bedeutung."
Anhang anzeigen 1325932