Ein spannendes Video, vielen Dank dafür. Sicherlich keine Spritzgussmaschine, die man an jeder Ecke findet und defintiv auch kein Werkzeug, was man mal so eben beim Formenbauer seines Vertrauens in Auftrag geben kann. Allein diese Form mit Material voll zu bekommen, erfodert schon einiges an Erfahrung und Thermo-/ Fluidsimulation, um da einen einigermaßen stabilen Prozess zu bekommen.
Aber nichtsdestotrotz: Wenn der Rahmen spritzgussgerecht konstruiert wurde und auf die Belastungssituation vom Fahrradrahmen Rücksicht genommen wurde, warum nicht? Wenn es nicht auf das letzte Gramm Gewicht ankommt, wenn nicht die Anforderungen eine DH-WC oder einer TdF-Etappe anstehen und wenn der Invest sich über die Stückzahl rechnet, könnte ich mir das schon vorstellen. Langzeitstabilität vorausgesetzt, aber 30 Jahre klingt schon mal nach einer Ansage. Das PA müsste durch Gebrauchsdditive und/oder Modifikatoren noch entsprechend auf den Einsatzzweck getrimmt werden (Festigkeit bei Kälte, Kriechverhalten, Wasseraufnahme, Resistenz gegen Öl, etc.), aber da gibt es ja schon genug Beispiele, wo das funktioniert. Und receyclefähiger Thermoplast noch obendrein. Ich find´s spannend!
Da das Thema Additive Fertigung immer mal wieder aufkommt, just my 2 cents dazu:
Meiner Meinung nach hat die 3D-Druckindustrie hier über die Jahre viel Erwartungshaltung geschürt, mit der es aufzuräumen gilt, insbesondere was die Additive Manufacturing im Metallbereich angeht. Generell begegnet mir im beruflichen Alltag oft die Erwartungshaltung "schnell, günstig und einfach", wenn das Thema auf AM kommt. Das sieht in der Realität leider etwas anders aus.
@Guts und
@Stompy haben es in ihren Beiträgen schon thematisiert.
Beispiel Pulverbasiertes Laserstrahlschmelzen:
Das Bauteil kann nicht einfach im Pulver aufgebaut werden, sondern benötigt aufgrund der Wärmeableitung immer Stützstrukturen zur Bauplattform, da die Wärmeableitung durch das Pulver zu schlecht ist. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass diese Bauteile immer einen nicht zu vernachlassigenden Nachbearbeitungsaufwand haben, der sich entsprechend in der Kostenstruktur niederschlägt. Man muss sich das mal bewusst machen: Auf der einen Seite hat man einen High-End-Prozess, mit dem man quasi fast die komplette Freiheit der Gestaltung ausleben kann und muss dann, wenn das Bauteil fertig generiert ist, mit Säge, Hammer, Meißel, Zange und Schleifer an das Bauteil gehen, um es überhaupt von der Plattform zu bekommen und dann noch an den neuralgischen Punkten nachzuarbeiten. Ich packe mal ein Bild von der formnext aus 2019 dazu, wo man den Satz eines Atherton-Bikes auf der Bauplattform sieht. Und auch, was man dort alles wieder manuell entfernen muss....
Massentauglich sieht (zum jetzigen Zeitpunkt) anders aus, auch wenn es hier bereits Ansätze mit z.B. Multilasersystemn gibt, um die Durchlaufzeiten zu verkürzen.
Atherton nutzt das Verfahren meiner Meinung nach gut: Premium Produkt mit der Möglichkeit der Individualisierung mit dem gewissen Etwas an Technologie, dass als sexy Mehrwert verkauft wird. Sturdy scheint sich auch auf die Knotenpunkte zu konzentrieren, fährt also einen ähnlichen Ansatz von Individualisierung.
Urwahn erschließt sich mir nicht ganz. Die Idee als solche spricht mich erstmal an, der Rahmen selbst wirkt auf mich schlicht unpraktisch. Zuviele proprietäre Ansätze (Lampe, Rücklicht) und ein Design, welches den Dreck des Hinterrades schön aufs Unterrohr schleudert.
AM wird m.M.n. in absehbarer Zeit keine Substitutionstechnolgie, sondern in erster Linie Komplementärtechnologie sein, also Technologie, die keine andere ersetzt, sondern andere ergänzt.
Gruß
tebis