Gerne.
Grundlage ist die Federgleichung: Kraft ist gleich Auslenkung mal Federkonstante.
Du hast an deinem MTB eine Feder. Also wahrscheinlich sogar zwei, aber egal. Um diese Feder zu komprimieren, braucht es eine Kraft. Umso stärker diese Kraft ist, umso weiter wird die Feder komprimiert, oder anders ausgedrückt, umso mehr wird der Federweg ausgenutzt.
Wo kommt diese Kraft nun her? Zum einen aus der Massenträgheit vor allem des Fahrers (der ja viel schwerer ist als das Bike, wobei da sogar nur der gefederte Anteil eine Rolle spielt) und zum anderen aus der Schwerkraft. Stell dir das so vor: Du springst, fällst dann also Richtung Boden und landest. Bei der Landung muss Deine Bewegungsrichtung verändert werden, sodass sie nach der Landung parallel zum Boden ist (sonst aua). Diese Impulsänderung benötigt eine Kraft. Dieser Kraft musst du als Fahrer widerstehen, sonst zwirbelt es dich ins Bike oder gleich in den Boden. (Im physikalischen Sinne bringst du diese Kraft auf, aber das Gefühl sagt einem halt, dass man einer äußeren Kraft widersteht, ist aber letztlich das gleiche. Kommt auf das Bezugssystem an und ist so ähnlich wie mit Fliehkräften in einer Kurve.) Dazu wirkt natürlich eh schon die normale Gewichtskraft. Kannst du dir letztlich so ähnlich vorstellen wie eine Kniebeuge mit Gewicht. Okay, nicht unbedingt eine Kniebeuge, mehr wie ein Gewicht in der Fahrposition zu halten. (Wenn das Rad einen Schlag vom Untergrund bekommt, ist es dasselbe: der Untergrund kommt dir entgegen. Da spielt halt mehr eine Rolle, wie „square“ dieser Hit ist und wie hoch und nicht wie weit du runter dropst.)
Fun Fact: Die Gewichtskraft ist für den Sag zuständig. Vereinfacht kann man sich also vorstellen, dass man bei 30% Sag etwa das doppelte seines Körpergewichts zusätzlich aushalten muss, um die Feder bis zum Anschlag zu bringen, da ja die Kraft proportional zur Auslenkung ist. Bei 25% Sag braucht es dann schon das Dreifache des Körpergewichts bis zum Durchschlag. In der Realität ist das ein bisschen anders, weil man ja meistens zwei Federn hat und selten beide Federn gleichzeitig durchschlägt bzw. die Belastung auf den Rädern beim Fahren selten so ist wie beim Sag einstellen, aber um eine Feder durchzuschlagen, müssen schon ordentliche Kräfte wirken.
So weit, so gut. Es ist also offensichtlich, dass die Kraft, die auf eine Federung im Bike wirken kann, begrenzt ist, weil auch der best trainierte Downhiller nicht das Viel(viel)fache seines Körpergewichts wird tragen können. Damit ist dann auch die eine Seite der eingangs genannten Federgleichung festgelegt. (Natürlich gibt es da eine recht große Bandbreite, aber einerseits ist das für einen bestimmten Fahrer über die verschiedenen Anwendungsgebiete von XC bis DH konstant, andererseits gleicht sich ein mehr an Kraft zwischen verschiedenen Fahrern auch wieder etwas aus, weil der mit mehr Kraft auch mehr Kraft ins Bike für Steuerimpulse stecken kann oder vielleicht mit weniger Sag sprich härterer Feder fährt. Warum das eine Bedeutung hat, siehst du gleich.)
Nun zur anderen Seite. Da steht das Produkt aus Federhärte und Auslenkung. Auslenkung ist einfach der Federweg, der verbraucht wird. Will man den genutzten Federweg nun bei vorgegebener Kraft erhöhen, muss man die Federhärte runtersetzen. Man spricht nicht umsonst von einer Downhill-Sänfte. Aber irgendwann macht das auch beim Downhill keinen weiteren Sinn mehr, weil sonst das Bike schon bei geringen Kräften, also zum Beispiel kleinen Gewichtsverlagerungen, mit deutlichen Bewegungen in der Federung reagiert. Das will niemand, weil dann ein kontrolliertes Fahren unmöglich wird. Deshalb ist der Federweg auch im Downhill begrenzt und im Vergleich zu Überschwingern vor einigen Jahren, nachdem er in der Anfangszeit von sehr gering kontinuierlich gewachsen ist, auch in letzter Zeit wieder ein wenig zurückgegangen und stagniert nun.
Bei anderen Zielsetzungen als Downhill, zB Enduro oder dann Trail und schließlich XC, will man natürlich immer höhere Federhärten haben, weil man immer direkteren Einfluss auf das Fahrverhalten des Bikes haben will. Da auf der anderen Seite das Kraftlimit aber gleich bleibt (bzw. beim XC ja eher kleiner ist als beim Downhill, weil man nebenbei noch treten muss), wird bei steigender Federhärte die Auslenkung, sprich der Federweg, den man nutzen kann, immer kleiner. (Remember: Produkt aus Federhärte und Auslenkung ist konstant.) Entsprechend macht es tatsächlich Sinn eine Kategorisierung mit steigendem Federweg von XC über Trail und Enduro bis DH vorzunehmen.
Kleine Nebenbemerkung: Das Gewicht des Bikes spielt hier keine Rolle, weil im Vergleich zum Fahrer unbedeutend. Bei Motorrädern, wo die Bikes viel schwerer sind, mag das anders sein.
Insgesamt ist die Situation natürlich deutlich komplizierter, weil Bikes zwei Federn haben und dann jedes Federelement noch eine Dämpfung, die viel ausmacht, aber der Grundsatz bleibt schon erhalten. Daneben gibt es natürlich noch andere Aspekte von Federweg, zum Beispiel bei unebenem Untergrund den Schwerpunkt trotzdem auf relativ gerader Linie führen zu können, weshalb man je nach Situation vielleicht mehr Federweg haben will, als es die reine Fahrabsicht vorgibt. Gerade bei Springen ist das ja ein Widerspruch: Fürs Abspringen will man eigentlich möglichst wenig Federweg und fürs Landen möglichst viel. Aber genau da kommt dann eben die Dämpfung der Federung ins Spiel, wo man die widerstrebenden Wünsche dennoch zusammenführen kann.
Wenn du übrigens wissen willst, wie viel Federweg du sinnvoller Weise brauchst, würde ich empfehlen einen Trail, der deinem üblichen Stil und Terrain entspricht mit einem möglichst wenig gedämpften Tuning so zu fahren, bis dir das Fahrverhalten/Feedback gefällt und dabei nur die Federhärte, also den Sag anzupassen. Dann schaust du, wieviel Federweg du tatsächlich braucht, schlägst noch einen kleinen Puffer drauf, and there you go. Der dann eingestellte Sag sollte dabei idealerweise im Prozentbereich des tatsächlich genutzten Federwegs sein, wie er vom Hersteller für den Rahmen vorgeschlagen wird. Andernfalls kann die Kinematik einen ungewünschten Einfluss haben (wenn zB die Progression irgendeinen wilden Verlauf nimmt). Also als Beispiel: der Rahmen hat 150 mm FW und es sind 30% Sag empfohlen. Dann tunst du den Sag so, dass dir die Feder passt, und du hast dann nur 120 mm Federweg genutzt und der Sag ist bei 24% vom maximalen Federweg (24% ist vier Fünftel von 30%, genauso wie 120 mm von 150 mm). Dann würde ich dir ein Rad mit 130 mm FW empfehlen (120 mm plus Puffer), wobei idealerweise die Kinematik ähnlich sein sollte. Oder du fährst deinen Rahmen weiter und lässt den Sag so, wie du ihn neu als ideal herausgefunden hast und wirst glücklich dabei.
Nur musst du halt dann damit leben, dass du den eigentlich zur Verfügung stehenden und gekauften Federweg nicht komplett nutzt, was manchen Leuten schwerfällt. Ich würde aber nicht versuchen, den Federweg irgendwie doch auszunutzen und dann irgendwie die Situation mit Dämpfung anpassen zu wollen, da wirst du eher schlechte Ergebnisse erreichen. Dämpfung ist fürs Finetuning gut, die Hauptarbeit sollte in der Abstimmung eher über die Feder geschehen.
Wenn man sich damit mal arrangiert hat, hat es den Vorteil, dass man mit einem Rahmen verschiedene Einsatzgebiete abdecken kann, indem man die Feder anpasst. Wenn du auf deinen Home Trails eher gemäßigtes Terrain hast, aber am WE regelmäßig in die Alpen fährst, würde ich daheim die Feder anpassen und nur in den Alpen dann den vollen Federweg nutzen. Den Federweg nicht komplett zu nutzen, kostest ja nichts außer ein bisschen Ego (und halt etwas Gewicht, solltest du den vollen FW nie nutzen). Insofern hat die Frage, ob es Sinn macht, zB ein Jibb zu kaufen, wenn man eigentlich auch ein Madonna haben kann, schon berechtigt. Man weiß aber halt nicht, ob nur der Federweg reduziert wurde oder vielleicht doch die Kinematik durch andere Positionierung der Lager weitergehend verändert wurde. In der Hinsicht wäre es mal interessant, ein Jibb mit einem Madonna zu vergleichen, bei dem die Feder per geringerem Sag angepasst wurde und vielleicht auch die Geometrie per Winkelsteuersatz noch angeglichen wird. Wenn dir aber 160 mm FW eh zu viel sind, dann ist der Griff zum Jibb klar. Andernfalls könnte man sich zwei Bikes zum Preis von einem holen.
Ich hoffe, ein wenig geholfen zu haben.