Die zweite Runde des 4x World Cups ist gefahren und das gesamte Rennen war ein Plädoyer für die schnelle, spektakuläre und vor allem abwechslungsreiche Sportart. Der Umstand, dass kein Downhillrennen am gleichen Wochenende stattfindet, zeigte sich als gute Konstellation – mit Gee Atherton war beispielsweise ein Fahrer, der eigentlich nur DH fährt mit am Start und alle Fahrer schienen 100% auf ihre Rennen konzentriert zu sein.
Am Ende wird das spannendste Rennen das erste Halbfinale sein: Jared Graves, Saladini und die Gebrüder Atherton stehen am Startgatter und Saladini und Graves gehen – wenig verwunderlich – am Start in Führung. Doch schon die erste Kurve, die in beinahe jedem Rennen für Spannung gesorgt hat, dreht das Bild auf den Kopf: Mit schier unendlichem Grip schießen die Athertons an die Spitze, Gee sogar noch vor Dan.
Das Publikum ist aus dem Häuschen – damit hätte am Start niemand gerechnet. Doch die 460m lange Strecke zeigt sich auch im weiteren Verlauf noch für Überraschungen gut. Im Gegensatz zu Pietermartizburg, wo das erste Rennen stattgefunden hat, wird auch nach der ersten Kurve noch fleißig attackiert und Jared Graves arbeitet sich vom letzten Platz wieder auf Platz zwei hinter Gee nach vorne. Wer nun denkt das sei’s gewesen, der wird am Ende überrascht. Ohne, dass die Kameras es einfangen können (dabei war die Kameraplatzierung in den meisten Fällen wirklich gut, viel besser als in Südafrika), ist Jared Graves auf der letzten Gerade plötzlich in Führung und der bis dato führende Gee fällt noch hinter seinen Bruder Dan zurück, der zweiter wird. Kein Crash aber atemberaubende Positionswechsel – das ist es, was 4x zu dem macht, was es ist! Im Video wird nun deutlich, dass die Atherton Brüder einander helfen. Schon zu Beginn der Übertragung munkelt Rob Warner, was wohl passieren würde, wenn beide Brüder in einem Rennen landen. Hier sehen wir es: Gee bremst auf der letzten Gerade, um Dan den Finaleinzug zu ermöglichen. Eine brüderliche Geste einerseits, andererseits jedoch auch relativ unsportlich. Stallorder gab es bislang eigentlich nicht bei den Rennen… wie dem auch sei auf jeden Fall der mit Abstand beste Lauf des Wochenendes.
Doch es ging auch deutlich anders. Schon in den ersten Durchgängen wird viel (auch menschliches) Material verbraucht und einige Favoriten müssen frühzeitig aussteigen. Im Gegensatz zu der gewohnten Hackordnung ermöglicht es die Strecke auch den weniger erfahrenen Racern schnell mit dabei zu sein und siehe da – es Crasht. Wenn nicht in der ersten, dann zumindest in der zweiten Kurve. Hier haben sich die Kursdesigner einiges einfallen lassen, die Strecke ist breit genug für schöne Überholmöglichkeiten und der Boden staubtrocken und lose – beste Bedingungen für echte Mountainbike Aktion, die sich wohltuend von BMX-Race unterscheidet.
Bereits im dritten Rennen des Events ist für den letztjährigen Weltmeister und World Cup Gesamtsieger, Raffael Alvarez, Schluss. Er wird nach gutem Start in der ersten Kurve abgeschossen und ebenso geknickt wie sein Vorderrad scheint auch der Spanier zu sein, der im letzten Jahr noch alles Glück der Welt bei den Rennen in sich vereinen konnte. Hier nun gleich am Anfang viel Pech für ihn. Ebenso geht es auch fast Michael Prokop, er jedoch kann die Attacke abwähren und gewinnt mit schnellen Beinen verdient seinen Lauf. Auf den Schlag folgt dann eine Szene, in der alle Deutschen den Atem anhalten. Guido Tschugg wird in der zweiten Kurve Opfer eines ähnlichen Angriffs und beendet das Rennen mit einem flachen Frontflip auf das Steißbein, gefolgt vom in ihn stürzenden Rad. „He went down harder than the twintowers“ brüllt Rob Warner und hat damit definitiv Recht – dieser Crash wird der härteste des Tages bleiben, obwohl noch einige kommen. Im nächsten Rennen steht CG am Start und fährt um sein Leben, überholt auf schier unmöglichen Lines und stürzt dann, im Angriff auf den Führenden, im Rondell der Strecke. Schade – noch ein Favorit weniger. Einer derjenigen, die sich auch deutlich mehr erhofft hätten, wird kurze Zeit später auch Scott Beaumont sein. Der Brite ist in bestechender Form und wird rüde zu Boden gefahren, wofür er sich auch im Ziel noch lautstark beschwert… dieser Crash wäre vermeidbar gewesen. Von nun an kehr für die restlichen Rennen etwas mehr Ruhe ein, ohne, dass es langweilig werden würde. Johannes Fischbach gewinnt souverän vom Start weg, ebenso Roger Rinderknecht, Wichman, Tatarkovic. Auch Gee und Dan Atherton kommen natürlich weiter.
Dann kommen die Achtelfinale und hier wird zwar Johannes Fischbach noch kurz vor dem Ziel überholt, kommt als zweiter natürlich trotzdem weiter. Trauriges Highlight im Achtelfinale ist Stefan Scherz. Der Deutsche fährt hinter Gee Atherton und Michael Prokop ein solides Rennen, wird jedoch am vorletzten Sprung Opfer eines massiven Speedchecks und geht ähnlich hart zu Boden wie Guido Tschugg. Unter regem Applaus fährt er dann aber ins Ziel – zum Glück unverletzt.
Mit viel Übermut geht es sogleich im Viertelfinale weiter. Michael Prokop liegt hinter Jared Graves auf Platz zwei. Um sich seiner Lage zu vergewissern sieht er sich vor der vorletzten Kurve um und schwubsdiewubs steht er auf dem Anlieger, während Gee Atherton vom letzten Platz aus doch noch auf Platz zwei nach vorne heizt – Jared Graves ist zu diesem Zeitpunkt bereits sicher im Halbfinale.
Noch stärker als Gee zeigt sich sein Bruder Dan, der mit schier unendlicher Kraft auf den Pedalen steht und ähnlich wie Cedric Gracia auch die krassesten Lines noch zu schaffen scheint. Im letzten Viertelfinale ist dann leider Ende für die letzte deutsche Hoffnung – Johannes Fischbach. Nach starken fights die gesamte Strecke entlang muss er sich am Ende doch den noch ein wenig schneller fahrenden Wichman und Tatarkovic beugen. Und dann kommt das Halbfinale.
Jared Graves muss zum ersten mal zeigen, wie er kämpfen kann (Video ganz oben im Beitrag) und in einem weiteren guten Race qualifizieren sich Roger Rinderknecht und Wichmann für ein Finale mit Jared Graves und Dan Atherton.
2. Halbfinale der Herren
Im kleinen Finale zeigt einmal mehr Gee Atherton, was in ihm steckt. Erneut zeigt er unmögliche Lines und im Tunnel nach dem Rondell überholt er quase per Wallride seine Konkurrenten – unglaublich! Trotz diesen außergewöhnlichen Lines kann er jedoch weder Deldyke, noch Saladini schlagen und wird sieber, was alles andere als schlecht ist!
kleines Finale der Herren
Das letzte Rennen des Tages ist dann auch gleichzeitig eines der cleansten. Jared Graves dominiert die Pace und hinter ihm fighten Dan Atherton, Roger Rinderknecht und Wichmann auf extrem hohen Niveau.
Finale der Herren
Das ist Racing vom Feinsten und Jared Graves wiederholt seinen Erfolg aus Pietermaritzburg und gewinnt auch den zweiten 4x World Cup des Jahres mehr oder weniger unangefochten. So macht es momentan den Anschein, als ob Jared Graves der Fahrer in diesem Jahr sein dürfte und trotz dieses Doppelsieges ist es ungemein spannend in diesem Jahr. Mit den Athertons und Cedric Gracia sind absolute Raketen mit auf der Strecke und Michael Prokop, Raffael Alvarez und Saladini sollte man immer mit auf der Rechnung haben. Und unsere deutschen Jungs, Johannes Fischbach und Guido Tschugg. Mit den Plätzen sechs und vier in der Qualifikation haben sie erneut gezeigt, dass die Grundschnelligkeit da ist. Jetzt fehlt nur noch das kleine Quäntchen Glück, dass man im 4x mehr braucht als im Dual. Doch das wird sicherlich noch kommen!
Ergebnisse (Plätze 1-8)
Jared Graves
Dan Atherton
Roger Rinderknecht
Joost Wichman
Romain Saladini
Michael Deldyke
Gee Atherton
Kamil Tatarkovic
Auf sehr gutem Niveau wurden auch die Rennen der Damen ausgetragen. Zwar gab es bei 24 Starterinnen im Achtelfinale viele Läufe mit nur drei oder einmal sogar nur zwei Starterinnen, doch gab es im Gegensatz zu Südafrika keine „Hinterherfahrerinnen die keinen Sprung schaffen“ zu bestaunen, sondern gutes Racing mit einigen harten Positionskämpfen, auch wenn die Damen naturgemäß deutlich weniger hart zu Sache gehen als die Herren. Viele junge Starterinnen aus ganz Europa zeigen hier, was wirklich in ihnen steckt und Jill Kintner hat es nicht wirklich leicht, die deutsche Marth zu schlagen. Souverän kommen R. Seydoux (Schweiz), Melissa Buhl, Fionn Griffiths und Anneke Beerten weiter und auch Emilie Ragot gewinnt ihren Lauf vom Start weg. Im Viertelfinale setzten sich wie erwartet die großen Damen durch und nur Seyoux stürzt schwer am ersten der beiden Doubels. Ohne Stürze geht das Halbfinale über die Bühne und im Finale gewinnt Jill Kintner unbedrängt, während Anneke Beerten sich mit dem dritten Platz begnügen muss. Nach ihren Dauererfolgen im letzten Jahr eine völlig neue Erfahrung, doch sie wird mit Sicherheit schon beim nächsten Rennen wieder ordentlich am Gashahn drehen.
Das Damenfinale:
Wer sich für das Bike von Jill Kintner interessiert, sollte sich diese Video ansehen
Dieser Racing-Samstag war also in der Tat eine Paradeveranstaltung dieser noch jungen Sportart. Würde so etwas auch im Fernsehen übertragen – die Einschaltquoten wären dank der kurzweiligen Aktion und der großen Abwechslung bei den Rennen sicherlich gut. Nicht zuletzt würden auch die vielen Stürze den sensationslüsternen Zuschauer erreichen… auch wenn sie natürlich nicht im Sinne der Profis sind. Stürze stehen für Aktion und Aktion verkauft sich gut… vielleicht geht diese Rechnung bald auf die Gravitysportarten werden zukünftig nicht nur bei Freecaster, sondern auch im normalen Fernsehprogramm zu finden sein.
P.S.: Bevor es wieder Haue gibt… die Damenrennen kommen natürlich etwas kürzer, weil auch viel weniger los war. Die Ergebnisse der Damen reiche ich nach, sobald es sie in endgültiger Form gibt. Ebenso das gesamte Ergebnis der Herren.
Die Highlights des Wochenendes:
Guido Tschuggs Sturz
Hier noch Video Interviews aus Houffalize:
Jared Graves glücklich nach dem Sieg
http://videos.mtb-news.de/videos/1/_/video/gravesmpeg.m4v: im IBC TV ansehen | |
Dan Atherton erklärt die „Stallorder“ mit Gee im Interview
http://videos.mtb-news.de/videos/1/_/video/P01000102198mpeg.m4v: im IBC TV ansehen | |
Hier das Interview mit der strahlenden Siegerin Jill Kintner nach dem Finale:
http://videos.mtb-news.de/videos/1/_/video/jillmpeg.m4v: im IBC TV ansehen | |
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