"Wir müssen mehr wissen als unsere Kunden und das Internet!"

"Existenzzerstörung" durch geteiltes "Insiderwissen" im Internet?
Titelbild

Das es einmal so weit kommen könnte, hätte ich auch eher nicht gedacht. Da organisiert man sich in einem Forum, tauscht News, Tips und Tricks aus. Andere wiederum diskutieren Bilder und auch alles andere, was auch nur entfernt mit dem Mountainbiken zu tun haben könnte. Eine echte Plattform eben. Und genau diese Internet-Gemeinschaft soll nun ein Problem sein?

Worum geht es hier? Konkret beziehe ich mich auf einen in der SAZ (Fachzeitung für Fahrradhändler, Ein- und Verkäufer, http://www.saz.de/sazbike/index.html) veröffentlichen Leserbrief, in dem ein Händler zu folgender Schlussfolgerung gelangt: „Wir (Fachwerkstatt, Einzelhändler, Großhändler und Hersteller) müssen mehr wissen als unsere Kunden und das Internet. Sonst verlieren wir unser letztes Ass im Blatt.“ Er lobt, dass fundiertes Wissen allen zugänglich sei und erkennt doch, dass genau diese Errungenschaft des Internets auch eine Gefahr für seine Berufsgruppe birgt: Die Kunden gewinnen an Unabhängigkeit gegenüber dem Händler, der teilweise selbst bei mtb-news.de nachschauen muss, um Anleitungshilfen zu finden.

Am Beispiel einer Federgabel berichtet nun dieser Händler, dass der Händlersupport seitens des Herstellers bescheiden ausgefallen sei und so mehr Zeit notwendig gewesen wäre, um das System selbst zu verstehen. Einige Tage später hätte er die komplett bebilderte Anleitung auf mtb-news.de gefunden sieht dadurch offensichtlich seine Zukunft bedroht. Auf diesem Wege gelangt der Händler zu oben genanntem Fazit und zu eben diesem möchte ich hier gerne Stellung nehmen.

Das Lob für die Qualität von mtb-news.de und seinen Unterforen nehme ich gerne stellvertretend entgegen, auch wenn ich weiß, dass so manche Schmuddelecke der Plattform sich nicht mit diesen Lorbeeren schmücken darf. Andere Bereiche sind jedoch einzigartig und hier besteht ein grundlegender Unterschied wissensstruktureller Art. Kann ein Händler ernsthaft den kompletten Überblick über alle Produkte und Details haben? In einem Forum, wo unzählige Menschen zusammentreffen und vor dem Hintergrund eines gemeinsamen Interesses Wissen diskutieren und ansammeln, entsteht (wenn das wirklich das Ziel ist) in jedem Fall mehr gesammeltes Wissen, als wenn einer alleine versucht, sich durch Lehrgänge und Selbstversuche das Wissen anzueignen, was andere ohnehin schon haben.

Dennoch bezweifle ich, dass ein Forum mehr wissen kann als die Entwickler eines Herstellers. Was es jedoch kann, ist das Wissen vieler verschiedener Hersteller zusammen zu führen und genau das ist es, was ursprünglich als Idee dahinter steckt. Nur um es zu erwähnen: Wikipedia funktioniert nach eben diesem Prinzip. Anders als der aufmerksame Händler glaube ich jedoch nicht, dass die technisch herausragenden Inhalte von Zweirad-Mechanikern oder den Herstellern selbst auf mtb-news.de veröffentlicht werden. Mittlerweile bieten viele Hersteller sehr gute Tutorials auf ihren Homepages oder youtube an – hier muss man als Händler einfach mitziehen und wer bislang nur einen Computer nutze, um Rechnungen zu schreiben, der sollte erkennen, was für einen Vorteil es sein kann, wenn vom Flachbildschirm in der Werkstatt geschulte Hände sprechen und zeigen, was wie funktioniert. Und wenn Kunden kommen kann man mit dieser Investition noch nette Bilder und Clips anzeigen oder einfach eine interaktive Werbefläche gestalten.

Aber ich schweife ab – darum geht es ja gar nicht. Wie der Händler letzten Endes selbst mit den Möglichkeiten des Internets umgeht, bleibt seine Sache. Klar sein sollte jedoch, dass das Internet auch für ihn eine Chance darstellt und nicht den Beruf vernichtet. Dieser Fatalismus wäre unangebracht. Selbstverständlich bricht durch Onlineshops ein Teil das Umsatzes weg und natürlich entgeht so manche Stunde Arbeit, wenn die Biker einfach selbst Hand anlegen. Der Grund für das Selberschrauben ist jedoch nicht der Wunsch nach einer eventuellen Schädigung des Händlers, sondern mehr Ausdruck der Liebe zum eigenen Rad. Trotz alledem bleiben dem Händler in meinen Augen jedoch viele Chancen. Mehr Wissen als das Internet wird er nie können und selbstverständlich kann ein Kunde sich im Internet auch auf einen entsprechenden Wissensstand bringen. Ausschlaggebend ist letzten Endes jedoch, was man sich zutraut. Welcher Biker, der eine Schaltung einstellen kann, geht direkt im Anschluss an seine Federgabel, um diese zu servicen? Und wer, der einen Achter korrigieren kann, speicht sich selbst ein neues Laufrad ein?

Es bleiben noch genügend Arbeiten, die nur ein Händler ausführen kann (größtenteils auch wegen des benötigten Werkzeugs). Nur müssen sich die Händler vielleicht daran gewöhnen, dass sie mit ihrem Wissen lange nicht mehr exklusiv da stehen und sie eventuell über den Tellerrand der Ausbildung schauen müssen und im Internet selbst ihre Informationen beziehen. Schließlich können sie auch etwas liefern, dass keine noch so gute Plattform im Netz bieten kann: Den direkten Kontakt zwischen Menschen. Wenn der Händler es schafft, Dreh- und Angelpunkt der örtlichen Bike-Infrastruktur zu werden, wird er auch kein Problem damit haben, dass seine Kunden teils Arbeiten selbst ausführen und nur in den schweren Fällen zu ihm kommen – bleiben sie ihm doch treu! Als sozialer, realer Treffpunkt wird der Händler von nichts im Internet bedroht es sollte genug Leute geben, die den Internetshops kritisch gegenüberstehen und lieber direkt vor Ort kaufen.

So gehe ich nicht davon aus, dass der örtliche Händler am Internet und dem vermittelten und geteilten Wissen zu Grunde gehen wird. Eher glaube ich, dass ein Händler, der nicht meint, mehr als das Internet wissen zu können, sondern seine Lage und seine Vorteile realistisch betrachtet, noch vom Internet profitieren kann. Über die Beziehungen zwischen Herstellern und Händlern kann ich selbstverständlich keine Einschätzung liefern, doch hat diese Zusammenarbeit auch nichts mit dem Internet, mit geteiltem Wissen, mit mtb-news.de zu tun.

Genau so sieht das übrigens auch der oben angeführte Händler in seinem Leserbrief. Er bildet sich selbst praktisch fort und fordert von den Herstellern „mehr aussagekräftige technische Zeichnungen und Handbücher“.

Ganz einfach sage ich: Die sind vielfach schon im Internet verfügbar.

Und zwar auf der Seite des Herstellers.

Und damit im Internet, wo jeder frei auf sie zugreifen kann.

Update von Thomas: Danke an die SAZ und an Martin Hartwig von Malpaso Bikes, die den Original-Artikel freigegeben haben. Ich habe gerade eben kurz mit Martin telefoniert – sein Leserbrief sollte ausdrücklich kein „Jammern“ sein, sondern auf die in seinen Augen verschlechterte Zusammenarbeit zwischen einigen Grosshändlern und den Einzelhändlern hinweisen und dazu als Denkanstoß dienen.

198 Kommentare

» Alle Kommentare im Forum
  1. Im Schnitt wurden 2009 etwas über 600€ für ein MTB bezahlt, während der Durchschnittspreis aller Räder etwas unter 400€ lag. Trekkingräder
    liegen etwas unter den MTB, sind aber insgesamt deutlich wichtiger für den Gesamtumsatz.

    Zudem MTB seit Jahren im Trend liegen, wenn das vorbei ist und die Kiddies wieder Inline Skates fahren oder so was, dürfte der Anteil noch weiter sinken...

    Relevanter für die Diskussion ist diese Tortengrafik (aus der gleichen Quelle wie die obere, von 2008):



    Hochwertige MTBs werden lt. der Delius Klasing Umfrage sogar zu 90% im Fachhandel gekauft...

  2. es war überspitzt, aber du verstehst schon was ich meine?
    Ein Race-Downhiller für 4500 Euro oder ein Stadtflitzer für 600 Euro, das macht schon einen Unterschied..

    Ja klar, bei ca. 4 Mio. verkauften Fahrrädern pro Jahr in Deutschland machen die Race-Downhiller sicher den Löwenanteil aus.smilie
    Quelle
  3. mach dich doch nicht zum idioten, als ob du nicht wüsstest was er meint!

    am-fullys, cc-ht und fullies, enduros, freerider und downhiller liegen wohl alle preislich bei min. dem doppelten eines durchschnitts trekking rades!
    und jetzt erzähl du mir mal das wir in einer realistischen aufstellung wo die preise mit einberechnet werden hinter trekking und city räder liegen.
    alleine schon was ich für zubehör kleidung und ersatzteile im jahr ausgebe ist schon nen hochwertiges treking rad mit z.b. xt-ausstattung.
    also pack deine kleine statistik wieder ein und hör auf hier so nen müll zu verbreiten.

  4. Wenn mal nicht im 100% sportlich orientiertem Laden aufschlägt und die Tourenräder von 500-2500€ sieht kann man sich schon gut vorstellen, dass das ganze "Rentnerpack" in der Statistik mit ihren Luxustourern sehr gut mithält ebenso bei Klamotten und Zubehör bzw. Wartung im Radladen.
    Zudem viele gekaufte sogenannten MTB in unseren Augen wohl eher Spielzeug sind.
    Wir "extremen" MTBler sorgen zwar für Umsatz aber selbst eine nach Umsatz sortierte Statistik sieht nicht viel besser aus. Auf ein Billigbike ausm Kaufhaus und zwei mittelpreisigen um 600€ kommt vielleicht mal einer der +1000€ für seine Kiste ausgibt. Sogenannte MTBs sind ja mittlerweile Massenwahre und all zu oft nur Gurken die in der Stadt herumrollen.
    Auch der Zubehörmarkt bei MTBs ist teils unlukrativ, zumindest alles wo Shimano und Sram drauf steht ist so hart umkämpft, dass einige Händler ihren EK + Mehrwertsteuer dem Kunden direkt weiterreichen oder gar unterbieten. Bei anderem Zeug ist es genauso geartet, umsobald sich einpaar ungeliebte Versender einschalten war es das. Mit XLC Zeug bekommt man mittlerweile auch kein Gewinn mehr eingefahren das Zeug wird einfach überall rumgeworfen fürn Appel und ein Ei.
    Kurzum die Leutchen mit viel Umsatz kaufen leider auch oft das Falsche aus Sicht der Händler. Die informieren sich und kaufen oftmals Preisoptimiert, das bringt dem Händler nix.

  5. mach dich doch nicht zum idioten, als ob du nicht wüsstest was er meint!

    am-fullys, cc-ht und fullies, enduros, freerider und downhiller liegen wohl alle preislich bei min. dem doppelten eines durchschnitts trekking rades!
    und jetzt erzähl du mir mal das wir in einer realistischen aufstellung wo die preise mit einberechnet werden hinter trekking und city räder liegen.
    alleine schon was ich für zubehör kleidung und ersatzteile im jahr ausgebe ist schon nen hochwertiges treking rad mit z.b. xt-ausstattung.
    also pack deine kleine statistik wieder ein und hör auf hier so nen müll zu verbreiten.

    An wen war denn dieser kleine Aggroanfall gerichtet? Und wieso fühlst du dich von Marktdaten persönlich angegriffen? Wenn ich dein Alter richtig einschätze, hält die Welt noch ganz andere Überraschungen für dich parat, wenn du dich schon so über eine Statistik aufregst, wird das noch ganz schön hart für dich...
Was meinst du?

Wir laden dich ein, jeden Artikel bei uns im Forum zu kommentieren und diskutieren. Schau dir die bisherige Diskussion an oder kommentiere einfach im folgenden Formular: