#1 – Going South

Die Tage werden kürzer, die Temperaturen niedriger, die Trails nasser. Also den Kopf in den Sand oder das Internet stecken, neue Bike-Teile unter den Weihnachtsbaum legen und bis nächsten Frühling warten?

Das ist gar nicht nötig – denn in der „Winterwärmer“-Serie stellen wir euch Süßstoff vor, mit dem die kalte Jahreszeit zum Zuckerschlecken wird.

The earth is not flat – und das ist auch gut so. Konsequenz: Wenn es bei uns Winter wird, wird es anderswo Sommer. Garantiert. Also den Globus rausgeholt, auf Kopf gestellt und siehe da: Je südlicher, desto besser (kurz vor der Antarktis sollte man dann doch halt machen, aber dort Land zu finden dürfte auch schwierig werden).

Eine Reise gen Süden führt uns zunächst durch die verschneiten Alpen, die zum Biken derzeit nur sehr begrenzt geeignet sind. Im Anschluss: Bella Italia, Frankreich, die Mittelmeer-Küste. Sicherlich schon wärmer, aber nicht zwangsläufig angenehm und trocken, im Grunde Glücksspiel mit Gewinnen zwischen Sommergefühlen und Sintflut. Also weiter in Richtung Äquator, Korsika, Sizilien, Spanien, Portugal – die Situation sieht ähnlich aus, kann traumhaft sein, muss aber nicht.

Um die Sache abzukürzen: Am 21. Dezember steht die Sonne senkrecht über dem südlichen Wendekreis, 23,5° Südlicher Breite, wärmer wird’s auf der Südhalbkugel nicht mehr. Für die Temperatur ist also gesorgt, da braucht es nur noch Trails, eine Mountainbike-Szene, internationale Zweiradfetischisten. Davon gibt es mittlerweile auf jedem Kontinent einige, am größten sind die Szenen aber wohl in Südafrika, Australien und Neuseeland. Biken in Südamerika ist möglich, aber noch abenteuerlicher und zumeist nur in Reisepaketen möglich, wer auf eigene Faust unterwegs sein will, ist im Ex-Empire besser aufgehoben – scheinbar haben die Briten ihre Bikelust gleich mit exportiert.

Alle drei genannten Staaten haben inzwischen genügend Talente entwickelt, um auf internationalem Niveau mitzufahren: Die Neethlings und Greg Minaar aus Südafrika, Nathan Rennie, Sam Hill und Jared Graves aus Australien und Sam Blenkinsop sowie Justin Leov aus Kiwi-Country Neuseeland. Dass diese Talente sich ohne adäquate Strecken nicht derart hätten entwickeln können, versteht sich von selbst.

In Südafrika empfehlen sich für Mountainbiker zwei Regionen: Die Caperegion mit den Zentren in Stellenbosch und auf der Kap-Halbinsel sind das Revier von Andrew und Jonty Neethling, die Gegend rund um Pietermaritzburg (die einheimischen bevorzugen „Maritzburg“) hat Greg Minnaar hervorgebracht und wurde durch die Austragung des Weltcups bekannt. Allgemein lässt sich sagen: Die Kapregion ist weniger alpin, die Berge sind nicht höher als 1000m, dafür bildet Kapstadt am Fuße des Tafelbergs das kulturelle Zentrum, die Halbinsel bietet mit dem Kap der Guten Hoffnung und dem Cape Point die südwestlichste Spitze des afrikanischen Kontinents. Die Gegend punktet neben staubigen Trails durch dorniges Gebüsch mit erstklassigen Weinen und Surfspots, Nervenkitzler tauchen mit Haien und klettern in den brüchigen Cedar-Mountains.

Pietermaritzburg hingegen liegt in den Drakensbergen, die den mit 3482m höchsten Gipfel Südafrikas beheimaten und allgemein wilder und ursprünglicher als die Berge am Kap sind. Die Gegend hat sich voll auf Adrenalin-Touristen eingestellt, das ist Fluch und Segen zugleich, denn die Akzeptans für außergewöhnliche Sportarten kommt immer zusammen mit Angeboten für Menschen, denen eine Dosis Endorphine auf jede Art und Weise recht ist.

Die Republic South Africa gilt unter Reisenden ja als „Afrika für Anfänger“, was leicht abschätzig klingt, die Sachlage aber nur unscharf erfasst. Denn zwar ist das Land im Vergleich zu weiten Teilen des Kontinents was Löhne, Konsumgüter und Infrastruktur angeht weit voraus, doch die Diskrepanz zwischen Arm und Reich ist dadurch nur noch größer. Wer in Kapstadt aus dem Flugzeug steigt, wird von einem erste Welt Flughafen empfangen, um dann durch ein kilometerlanges Township hindurch wieder in eine Stadt zu fahren, die gerne schon den Wohlstand der westlichen Welt hätte – Schwellenland pur.

Doch der Schein von der wohlhabenden Weltstadt trügt das Auge nur kurz: Sobald es in Kapstadt Nacht wird, ändert sich das Bild: Selbst günstige Unterkünfte schützen ihre Gäste mit 2m hohen Mauern, Stromzaun obendrauf, vergitterten Fenstern und bewaffnetem Guard, die Autos der Gäste werden ähnlich behütet. Weiße empfehlen nach Sonnenuntergang nur noch im Auto von sicherem Ort zu sicherem Ort zu fahren, die Spuren der erst 1994 abgeschafften Apartheid sind noch deutlich zu spüren. Wer sich mit den Zahlen zum Land anschaut, kann nur erschrecken: Die Lebenserwartung liegt bei 45 Jahren, die Inflation bei 25% und die Arbeitslosigkeit bei ca. 35% – trotzdem sind die Südafrikaner ein lebenslustiges Volk, dass Touristen sehr freundlich gegenüber steht. Wer mit dem Mountainbike unterwegs ist, sollte nur immer im Hinterkopf behalten, dass sein Sportgerät unter Umständen mehr kostet als ein Südafrikaner in einem Jahr verdient.

Fazit:

Wer an Afrika generell interessiert ist – auf hin! Die Landschaft ist unglaublich schön, die Kultur reich, die Menschen offen – und wer weiß, dass „Vorsicht die Mutter der Porzellankiste“ ist, wird auch mit Fahrrad und Besitztümern wie Digitalkamera, Kreditkarte und Mobiltelefon zurückkehren. Wer sich einfach nicht in seiner Freizügigkeit einschränken will, sollte vorher eine großzügige Versicherung abschließen und schnelle Schuhe einpacken…

Wer von Euch war schon zum Biken in Südafrika? Ist der Sonne hinterherzufahren eine Option oder muss man sich mit den örtlichen Gegebenheiten einfach nur anfreunden?

  1. benutzerbild

    -MIK-

    dabei seit 06/2007

    Moinsn Tuete,,

    wie lange bist du gewesen und was hat dich der trip gekostet?

    grüße
    tommy

    Würde mich auch interessieren, Afrika wär mir nicht ganz geheuer (auch wenns vermutlich leicht unbegründet ist)
  2. benutzerbild

    -Felix

    dabei seit 03/2010

    ich war letztes jahr für 3 monate in Südafrika (schüleraustausch)...hab mir echt voll oft gedacht: WOW wenn ich jetzt mein bike dabei hätte...

  3. benutzerbild

    mooose

    dabei seit 07/2006

    1. @nuts: gut geschrieben, da macht das lesen Spass!
    2. zum Thema: Ich finde so nen Trip sollte unsereins schonmal machen(notwendiges Kleingeld vorrausgesetzt). Wenn ja, dann würd ich aber immer Land&Leute mit erkunden, nur dann wär die Reise für mich komplett. Und ein Land oder einen Teil davon über Gleichgesinnte kennenzulernen hat imho seinen ganz eigenen Reiz.
    Ob's nun im Winter ist um dem Wetter zuentkommen, sei jedem selbst überlassen. Ich weich dann eh meist auf's Zweithobby (Schnnebrett) aus!

    Zum Wohl!

  4. benutzerbild

    fabi33

    dabei seit 10/2010

  5. benutzerbild

    Flame-Blade

    dabei seit 06/2006

    Ich war diesen März für einen Monat in Brasilien und hatte mein Bike mitgenommen da in dem Bergdorf wo ich meistens war auch 3-4 Bikeverückte gewohnt haben und sich dort eine geniale und anspruchsvolle Strecke gebaut haben.War gut heiß (und zum Teil auch nass) während hier in Deutschland der Schnee lag smilie

    Schön wars,aber leider hat man dafür nicht immer Geld smilie



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