Als jemand, der schon mal in Bolivien gewesen ist, hat mich der folgende Text von der deutschen Downhillerin Nicole Beege besonders beeindruckt, doch auch allen Anderen im Schnee gefangenen kann ein kleiner Ausflug in die Anden nicht schaden. Enjoy! Ab jetzt übernimmt Nicole:
„Ich steige auf das fremde Bike und trete ein paar Mal in die Pedale, teste Gabel und
Dämpfer und bin nach nur einem Bunnyhop total außer Atem. Ist das die Aufregung oder machen sich doch die 4.700 Meter über dem Meer bemerkbar? Voller Vorfreude stehe ich vor der wunderschönen Kulisse des 6.386m hohen vergletscherten Illampu.
Der Berg liegt in der Cordillera Real in Bolivien, nordöstlich von La Paz. Hier haben wir vor drei Stunden die Bikes auf das Dach eines Toyota Hiace geladen und uns mit einem leckeren Quinoa-Apfel-Getränk im Magen auf den Weg gemacht. Wir, das sind Bikeguide Darren von Gravity Bolivia, Gabriele und unser Fahrer Marco. Er hat uns in seinem Toyota Hiace sicher und selbstbewusst über diesen steilen und ausgewaschenen Pfad bis hier heraufgebracht. Nach einer Woche in Bolivien überrascht mich die Verlässlichkeit dieser japanischen Minibusse nicht mehr, sie prägen das Bild von Bolivien wie kein anderes Auto.
Die Rucksäcke sind gepackt, Protektoren angelegt, die Bikes noch mal geprüft los gehts. Der Trail beginnt leicht und flowig über hügelige Wiesen. Über zweitausend Höhenmeter schlängelt er sich immer auf einer Bergschulter entlang, die nach rechts steil abbricht. Stürze in diese Richtung sind keine Option. Wir nehmen die ersten kleinen Drops und Sprünge und ich kann mein Glück kaum fassen endlich wieder Freeriden!
Darren zeigt mir den Hügel, wo Rob J seinen Backflip gesprungen ist und ich bekomme allein bei der Vorstellung ein mulmiges Gefühl, wenn ich in den tiefen Abgrund wenige Meter daneben blicke. Den einen oder anderen Sprung kann ich mir dann aber doch nicht verkneifen.
Von Zeit zu Zeit treffen wir Marco mit seinem Auto und haben Zugriff auf Ersatzteile, Snacks und Getränke. Eine gute Organisation. Wir nehmen uns Zeit und genießen den Tag.
Immer wieder wechseln sich flowige Kurven mit kurzen Anstiegen und kleinen Sprüngen ab. Meine Atemlosigkeit vom Anfang ist verflogen und ich komme mit dem Leihbike von Gravity Bolivia gut zurecht.
Nach etwa 2400 Höhenmetern Downhill laden wir die Bikes wieder aufs Auto und beginnen die Auffahrt zum nächsten Trail. Um Zeit zu sparen bereiten wir unsere Sandwiches im schaukelnden Auto zu das wahrscheinlich größte Kunststück dieses Tages. Die ausgebauten Schotterstraßen wurden von der Bergbauindustrie angelegt und erlauben es, fast bis auf die Spitze der umliegenden Gipfel zu fahren. Eine gute Stunde später stehen wir wieder auf einem Pass auf 4.600m, es graupelt und die Temperatur ist empfindlich gesunken.
Vor uns liegen wieder über 2300 Höhenmeter Abwechslung und Spaß. Der Trail beginnt an einem steilen Schotterhang, den wir in der sogenannten SkreeingTechnik befahren. Zögerlich zuerst, doch dann kommt das Gefühl und es macht immer mehr Spaß, das Bike ähnlich wie beim Skifahren durch den Schotter zu bewegen. Leider ist der Schotterhang nach einigen hundert Metern schon vorbei, denn es hat richtig Laune gemacht.
Doch der nächste Abschnitt wartet schon mit perfekt angelegten Kurven. Schnelle Wiesenstücke, waldige Wurzeltrails und felsige Abschnitte sollen noch folgen. Gegen Ende kommen wir in bewohntes Gebiet, fahren durch Dörfer mit den typischen Lehmhütten. Bellende Hunde verfolgen uns und Schweine flüchten. Die Einwohner scheinen freundlich. Sie lachen uns an oder lachen sie uns eher aus? Wie sehen wir in ihren Augen auch aus…?
Ich trete in die Pedale, um dem nächsten Kläffer zu entkommen und mir wird wieder bewusst, wo ich bin: in Sorata, Bolivien, mitten im Herzen von Südamerika!“
Nicole Beege.
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