Wer eine Trinkflasche verkaufen will, der braucht gute Argumente. Denn obwohl alle Flaschen ziemlich viel gemeinsam haben – ihre Länge ist meist deutlich größer als breite und tiefe, sie verfügen über einen Verschluss, das ganze meist recht symmetrisch gestaltet – trennt sich im Alltag oft die Spreu vom Weizen:
Welche wird auch nach einem Wochenende, dass sie vergessen im Eck eines Rucksacks verbracht hat, allein mit zwei Schlücken vergorenem Most, noch frisch aus der Öffnung duften? Welche wird bei kohlensäurehaltigen Getränken undicht werden, und ihrem Besitzer einen feuchten Rücken bescheren? Welche wird, einmal verschmutzt, nie mehr zu reinigen sein, weil keine menschliche Hand hineinpassen will? Und wie sieht es mit der Flaschenhaltereignung aus? Können die Öffnung auch Insekten passieren, die ihren Stachel anschließend tief in die Speiseröhre des Benutzers rammen würden?
Fragen über Fragen, die es bei der Konstruktion von Flaschen zu berücksichtigen gilt. Und dann ist da noch ein Marketing-Problem – mit dem Titel „Flasche“ wird wohl kaum ein Kunde geworben, der will was modernes, solides, eine Bottle vielleicht, wenn nicht sogar eine „Elite GoTo Trinkflasche in Transparent Blue“! Noch mehr wird diesem Modell zugesprochen: „intelligente Trinkflasche Sportline Hydracoach mit integriertem FL“ – dabei handelt es sich also nicht mehr um ein Behältnis zur Getränkeaufbewahrung, sondern um einen Hydracoach, einen Personal Assistent also, der dafür sorgt, dass sein Halter ausreichend trinkt – ich bin begeistert.
Wer sich schon immer daran gestört hat, beim Trinken aus Bottles den Hals in den Nacken legen zu müssen, der wird Camelbacks Modell mit eingebautem Keimtrinkhalmabknickverschluss lieben: Das ist absolut dicht und erinnert viel eher an eine Trinkblase auf dem Rücken des Bikers. In den letzten Jahren auch immer wichtiger: Isolierung – vakuum ist klasse, noch besser aber sind flexible Isolierungen an elastischen Flaschen, damit man sich das Zeug richtig athletisch in den Mund, oder bei Bedarf auch über den Körper spritzen kann, immer den Tour-Siegern nacheifern.
Die Schweizer sind als ehrliches, sachliches Volk bekannt – und halten auch ihre SIGG-Flaschen ohne Isolierung und Hydracoach, aber mit säureresitenter Beschichtung. Doch sogar hier liest sich die Pressemitteilung, als handelte es sich um ich weiß nicht was, eine Trinkflasche aber definitiv nicht:
„Leicht, praktisch und nachhaltig: Der Schweizer Trinkflaschen Hersteller SIGG präsentiert mit der
Wide Mouth Bottle eine Aluminiumflasche mit extra großer Öffnung für Sportler.“
Dass ist es also, wo uns 100 Jahre Trinkflaschen-Entwicklung hingebracht haben. Leicht, praktisch und nachhaltig. Im Vergleich zu garantiert Schadstofffreien, unzerstörbaren Bottles aus Weltraumplastik ganz schön bodenständig, Schweizer halt.
Jetzt aber mal ganz im Ernst: Worauf achtet Ihr bei einer Trinkflasche? Wie viel Hightech braucht es wirklich? Und wer findet auch, dass Trinkflaschen und Flaschenhalter an Leichtbau-Bikes schizophren und Trinksystem das einzig wahre sind? Oder dass, wenn etwas an dem Slogan „Hydrate or die“ dran wäre, er schon lange tot sein müsste, weil er beim Biken einfach mal auf Dehydrierung setzt?
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