Nach der erfolgreichen Bärenjagd von Tom und Rene hat es wieder zwei Mountainbiker nach Kanada verschlagen. Die Ruhrpottbiker und MTB-News-User Patrick „Bengel“ Rasche und Constantin „Fransen“ Fiene reisen momentan durch die kanadischen Wälder, immer auf der Suche nach den besten Spots und Trails. Ihre Erfahrungen gibt es in zwei großen, mit vielen Impressionen versehenen Berichten. Viel Spaß beim ersten Teil!
Jeder Mountainbiker hat schonmal etwas von British Columbia gehört. Riesige Wälder, Berge soweit das Auge reicht und weitläufige Steppenlandschaften sind wohl der Grund, dass dieser Teil Kanadas einige sehr gute Fahrer hervorgebracht hat und als Drehort für die meisten Videos der letzten zehn Jahre gediehnt hat. Im Herbst war es für Constantin „Fransen“ Fiene und mich endlich soweit, dieses Land zu bereisen, radzufahren und uns selber ein Bild vom Westen Kanadas zu machen.
Vancouver und das zwei Autostunden entfernte Whistler sind wohl die von Ausländern meist besuchten Spots in B.C. Wer vor hat, neben dem Bikepark und den gut zu erreichenden Strecken in Vancouver noch andere Trails zu fahren, wird um ein Auto nicht herumkommen. Woran man sich als Europäer als erstes gewöhnen muss, sind die langen Distanzen, die es zu überbrücken gilt. Zehn Kilometer einer Forststraße zu folgen, um zum Trail/Spot zu kommen, ist keine Seltenheit. Nördlich von Vancouver findet man neben reichen Wochenendurlaubern, Hippies und Rentnern, mit eine der spaßigsten Mountainbike-Gegenden überhaupt. Die Rede ist von der Sunshine Coast, welche nur per Fähre zu erreichen und einen Besuch absolut wert ist. Schon während der Überfahrt wird man ziemlich beeindruckt.
In dem nicht nach Federwegsfahrradfahren aussehenden Spincycles Bikeshop in Gibsons (10min Autofahrt von der Fähranlegestelle) gibt es eine Trailmap, wo die fast alle Trails zu finden sind. Die meisten, wie wir auch, werden wohl nicht mit zwei Autos umherfahren, aber shuttlen ist mit den netten, kumpelhaften Kanadiern fast immer möglich. Man wird auch häufig mitgenommen, wenn sie einen beim Hochschieben über die Forststraße sehen. Auch sind die Fahrzeuge, meist massive Trucks, alle mindestens zwei Nummern größer als die Autos in der Heimat.
Viele sind nachmittags oder an Wochenende unterwegs, häufig trifft man auch auf keine Menschenseele. An einem nebelig trüben Wochentag Ende September trafen wir auf eine deutsche Gruppe, angeführt vom immer gut gelaunten Holger Meyer und dem kanadischen Bikeguide Johnny Smoke, schlossen uns für einen Tag der Gruppe an und kamen in den Genuss, den ganzen Tag geshuttlet zu werden.
Dass der Produzent der Kranked Filme und die Coastal Crew direkt am Fuße des lokalen Bergs wohnen, sieht man unter anderem an den „Stunts“ aus den vergangenen Streifen, die nur ein paar Meter neben den Trails ihr Dasein fristen.
Vieles ist bei wechselhaftem Herbstwetter jedoch nicht empfehlenwert zu fahren, in den feuchten Wäldern (politisch korrekte Bezeichnung wäre „gemäßigter Regenwald“) dauert es unter Umständen zwei bis drei Tage, bis die Bauten wirklich fahrbar sind. Vorsicht ist vor allem geboten, weil das Holz einen mehr als ausreichend griffigen Eindruck machen kann – ein Sturz von einem zwei Meter hohen Bauwerk ging zum Glück glimpflig aus.
Wenn mal was ernsthaftes passieren sollte, kann es eine Weile dauern, bis man auf menschliche Hilfe hoffen kann oder gar ein Krankenhaus erreicht. Insbesondere an der Sunshine Coast gibt es kaum richtige Ortschaften, viel mehr stehen die Häuser und die teilweise riesigen dazugehörigen Grundstücke weit verteilt am Highway oder gar mitten im Wald. Einem ziemlich netten Typ, den wir beim Radeln getroffen haben, ereilte das Schicksal als er einen sportlichen Double komplett überflogen hat (inklusive Landung) und sich Rückenverletzungen zugezogen hat. Zum Glück ereignete sich der Vorfall an einer gut zu erreichenden Stelle, sodass er von anderen Fahrern ins Krankenhaus gebracht werden konnte. Viele Kanadier sind hart im Nehmen, eine Woche nach dem Vorfall konnte er schon langsam wieder seiner Arbeit nachgehen… Es gibt jedoch mehr als genügend ungefährliche, allwettertaugliche Abfahrten und hervorzuheben ist, dass der Boden immer schön fluffig unter den Reifen ist. Lehm, Sand, Splitt würde die Mischung wohl im Baumarkt heißen:)
Was ich noch gerne ergänzen möchte ist, dass das Hochschieben von Trails nur in den seltensten Fällen zu empfehlen ist. Das hat mitunter damit zu tun, dass selbst die kurze Feierabendrunde nicht mit der heimischen zu vergleichen ist. Die Sunshine Coast ist als Warm-Up für Kanada sehr zu empfehlen, weil die Trails recht untechnisch, aber dafür sehr flüssig und schnell sind. So kommt man zügig in den Fahrfluss und wundert sich meist selbst über Geschwindigkeit, die man an den Tag legt. Ab und an gibt es auch die ein oder andere größere Aufgabe zu bewältigen, aber so beendet man schnell den Tag mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Wer nach technischen, verblockten Downhills sucht, wird enttäuscht sein. An der Coast geht es mehr ums „Ballern“ mit offenen Bremsen, Springen und Anliegerheizen.
Unsere Favoriten dort trugen Namen wie „Upper Tube“, „Mach Chicken“, „Black Mamba“ und „Stunning Cunts“.
Nach diversen Tagen im Sattel und Problemen mit unserem liegengebliebenem Auto steuerten wir wieder gen Festland.
Whistler und Squamish standen als nächstes auf dem Programm. Der Herbst an der Westküste Kanadas ist ein sehr regenreicher und die radfahrtauglichen Tage sind rar aber episch, wenn ich das Wort an dieser Stelle benutzen darf. In Squamish passt es aber wie die Faust aufs Auge, wenn man die überwachsenen Lichtungen mit Meerblick hinunter kommt…
Definitiv wird der, auf den ersten Blick nicht sehr einladende, auf halbem Weg von Vancouver nach Whistler am „Sea to Sky Highway“ gelegene Ort von Mountainbikern zu häufig übersehen. Es gibt dort etwas für jeden Geschmack – naturbelassen, mit Holz oder sprunglastig. Von Bremswellen und stehendem Verkehr auf den Strecken keine Spur. Was fehlt ist eben der Lift, jedoch lassen sich die meisten Trails auch mit einem normalen PKW über die gut fahrbaren Forststraßen shuttlen. Es gibt drei Fahrradläden in Squamish, wobei nur zwei, Corsa Cycles und Republic Bicycles, zu empfehlen sind. Im Tantalus Bikeshop bekommt man neben unfreundlicher Bedienung auch noch schlechten Service. Am Mount Garibaldi wird nicht nur der reine Downhiller glücklich – alle Abfahrten, inklusive Schwierigkeitsgrad, sind in der Trailmap eingezeichnet. Auch wenn die wenigstens Trails wirklich waghalsige Sektionen haben, ist das Niveau, verglichen mit Europa, einfach höher. Trails mit Sektionen und Hindernissen wie in B.C. findet man in Europa kaum – und nach kurzer Eingewöhnung fährt man selbst größere Sprünge und tricky Holzkonstruktionen aus dem Fahrfluss heraus.
„You were launching into this trail“, war einmal das Zitat eines Fahrers, den wir auf den Trails getroffen haben – so viel zu unserer Motivation:) Ziemliches Glück hatten wir, dass wir Squamish-Local und Bikeguide Kevin Landry getroffen haben. Der supernette Kanadier ist an diversen Videoprojekten…
[DDET Videofenster mit dem Komplettfilm „You like this“ aufklappen!][/DDET]…beteiligt und hatte eine Freude daran, uns zu ein paar ziemlich „gnarly“ Spots nördlich von Vancouver bringen. Weitere Bilder folgen…
Vierzig Minuten Autofahrt entfernt von Squamish liegt das weltbekannte Whistler und sein Bikepark, zudem ich wohl nicht mehr viel sagen muss. Wer Lust auf Trails außerhalb des Parks hat, sollte Augen und Ohren offen halten und bereit sein, sein Rad bergauf zu schieben, lohnenswert sind manche Sachen auf jeden Fall: Wie z.B. der „Trainwreck Trail“, ein offizieller Trail südlich von Whistler. Die Schilder „Whistler is bear country“ lügen nicht, aber die zotteligen Allesfresser sind eher friedlich gestimmt, im Gegensatz zu den Cougars (Berglöwen), die wir jedoch nur mal am Rand des Highways gesehen haben. In Whistler findet der Mountainbiker beinahe ideale Bedingungen: Strecken ohne Ende, einen guten Lift, Übernachtungsmöglichkeiten und Restaurants, Bars und Clubs soweit das Auge reicht. Auch wir wussten die Annehmlichkeiten Whistlers für eine Weile zu schätzen, unser Vorhaben war es jedoch im Inland Kanadas Dreck unter die Stollen zu bekommen.
Fotos und bewegte Bilder haben wir vor unserer Abreise aber gesammelt, damit ihr einen Eindruck davon bekommt, was außerhalb des Bikeparks noch so geht. In der warmen Jahreszeit sollte man auf jeden Fall einen der umliegenden Seen besuchen, dort kann man sich auch mal mit einem Seil ins Wasser schwingen oder von Klippen und Bäumen ins kühle Nass springen. Mitte Oktober ist schon ziemlich spät für ein Vorhaben wie unseres, einen Roadtrip durchs Inland zu machen. Trotzdem hieß die Route Highway 3 ostwärts, mit den Zielen Castlegar, Nelson, Kaslo und dann weiter in Richtung „Sendemekka“ Kamloops und Kelowna.
Was uns dort alles erwartet hat, in Text und Bild, gibt es im zweiten Teil unseres BC Reports.
Mehr von Patrick und Constantin findet ihr auf ihrem Blog www.befablogsen.blogspot.com!
Fotos: Constantin Fiene, Chris Moellers
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