Wer „New York“ hört, denkt meist: New York City. Manhattan, Wall Street, Gelbe Taxen und die Freiheitsstatue. New York eben. Neben all der Attraktionen ist die Stadt aber auch das zuhause der jungen Mountainbike-Firma Morpheus Cycles.

Wie passen Manhattan und eine Firma für Gravity-Mountainbikes zusammen? Nicht so richtig, aber zum Glück ist ja auch New York nicht nur Manhattan sondern ein ganzer Bundesstaat, in dem auch schon der Downhill-Weltcup Halt machte, in Windham nämlich. Dennoch bietet die Gravity-Firma auch Bikes für die Stadt: Street-Bikes eben. Ansonsten dürften die Räder vor allem durch ihren bekanntesten Piloten bekannt sein: Anthony Messere, noch ganz jung aber wegen seiner ungekannt hohen Sprünge und wilden Trick-Kombinationen schon mächtig bekannt. Wir hatten die Gelegenheit, die Firma in New York zu besuchen. Tatsächlich liegen die Räumlichkeiten mitten in der Bronx, und wieder einmal wurde uns ein interessanter Einblick in ein kleines, aufstrebendes Unternehmen gewährt.

Manhatten links, Brooklyn rechts, die Bronx links dahinter.
# Manhattan links, Brooklyn rechts, die Bronx links dahinter.

Wären wir ein paar Wochen später vorbei gekommen, hätte Mike Schwartz, Gründer und Inhaber der Firma, gerne mit uns eines der beliebten Hausbesuch-Videos gedreht. Ursprünglich wollte Mike uns die Räume gar nicht zeigen, weil man gerade in Begriff steht, umzuziehen – im Nachhinein hätten wir gern eine Video-Kamera und Mikrofon dabei gehabt. Zum Glück hatten wir zumindest eine Fotokamera vor Ort, und so gibt es den Rundgang eben als Foto-Story.

Die Taxidichte hat einen Grund: Parkplätze kosten 40$ am Tag - und sind dennoch rar.
# Die Taxidichte hat einen Grund: Parkplätze kosten 40$ am Tag – und sind dennoch rar.

Die Überraschung gibt es gleich am Treffpunkt: Etwas östlich vom Central Park, an der Ecke 92nd Street und 2nd Avenue, finden wir Mike, der gerade am Handy hängt. Nach dem Gespräch, in dem wir glaubten, ihn Ansagen über Paintjobs machen zu hören, schlägt er nun doch vor, statt ins Restaurant lieber in die Firma zu gehen. Uns gefällt die Idee, und so machen wir uns auf den Weg zu seinem Wagen.

Weil das Parken in Manhattan kein Leichtes ist, steht sein Auto im Parkhaus. Als wir im Parkhaus dann seinen Truck sehen, fragen wir uns ernsthaft, wie er ins Parkhaus gekommen ist. Kurz darauf steigen wir in den böstesten Pick-Up, den ich je gesehen habe: Was der GTI zum VW Golf, ist der Raptor zum Ford F-150. Die ganz und gar nicht vernünftige Version des vernünftigsten und meist-verkauften Fahrzeuges des Landes. Allerdings gehen die Änderungen dann doch etwas weiter, als an einem GTI: Neue Front, neues Heck, 6,2l Motor, 17“ Geländereifen, ein komplettes Fox-Fahrwerk… der Sprint auf Tempo 100 gelingt dem bis zu 3 Tonnen schweren Biest in unter 8 Sekunden, auf Schotter wohlgemerkt. Im Parkhaus in Manhattan wirkt die Kiste wie ein Dinosaurier im Affen-Gehege, doch noch unter der Schranke macht soe sich Luft und verwandelt fortan alle 13 Meilen eine Gallone Benzin zu CO2 und Wasser. Als ich überschlage, dass das „nur“ 19l/100km entspricht, bin ich ehrlich überrascht, viel lasterhafter wirkt das Fahrzeug, aber ich konzentriere mich lieber wieder aufs Gespräch, denn jetzt geht es um die offensichtliche Frage: Wie finanziert man diesen nicht gerade bescheidenen Auftritt mit einer doch noch ziemlich nischigen Firma wie Morpheus Cycles? Und überhaupt: Wie leistet sich die Firma Patente, Carbon-Downhill-Prototypen, Carbon-Wippen und so weiter, wo sie gefühlt kaum Fahrräder verkauft?

Like a Boss - anders kann man den Auftritt von Mikes Dienstwagen nicht beschreiben.
# Like a Boss – anders kann man den Auftritt von Mikes Dienstwagen nicht beschreiben.

Nur vom Feinsten: Der Raptor steht auf Fox-Dämpfern.
# Da kommt der Mountainbiker durch: Der Raptor steht auf Fox-Dämpfern.

Die Antwort leuchtet schnell ein: Morpheus Cycles ist Mikes Zweitjob, sein erster gestaltet sich weitaus profitabler. Als stellvertretender Geschäftsführer des drittgrößten Wursthüllen-Produzenten der Welt beschäftigt er sich eigentlich damit, kilometerweise Schweinedärme zu verkaufen.

Rechts der Wagen, den man sich durch den Verkauf von Wursthüllen leisten kann. Links der, den man mit Fahrrädern allein immer noch nicht bezahlen könnte.
# Rechts der Wagen, den man sich durch den Verkauf von Wursthüllen leisten kann. Links der, den man mit Fahrrädern allein immer noch nicht bezahlen könnte.

Am Firmensitz in der Bronx angekommen versichert uns Mike, dass es tagsüber hier absolut sicher sei, und wir nur nachts vielleicht nicht durch manche Straßen gehen wollten – wir können es nicht beurteilen, sind aber auch nicht unglücklich, es nicht zu müssen. Auf dem Parkplatz parken wir also den Wursthüllen-Monster-Pick-Up neben dem eher praktischen und direkt als Morpheus-Firmenwagen erkennbaren Transporter. Neben dem Logo mit dem sehenden Auge sind alle Teamfahrer darauf verewigt, ansonsten kommt es nur auf den Nutzwert des Fahrzeuges an.

Viel Platz, unkaputtbar: "Damit fahren ja auch meine Teamfahrer - alles andere wäre verschwendet!"
# Viel Platz, unkaputtbar: „Damit fahren ja auch meine Teamfahrer – alles andere wäre verschwendet!“

Das Logo hat, das nur ganz am Rande, nichts mit den Illuminaten oder sonstigen Geheimbünden zu tun. Stattdessen soll es zeigen, dass man bei Morpheus einen eigenen Blick auf die Dinge hat zu anderen Lösungen kommt – und vielleicht doch auch eine verschworene Gemeinde ist. Direkt neben dem Van finden sich drei Container, in deren Inneren sich die nächste Lieferung Morpheus-Rahmen befindet. Aus Platzmangel operiert man momentan ein Stück weit aus den Containern auf dem Parkplatz heraus, doch wie gesagt: Der Umzug steht kurz bevor.

Büro: Hier wird für zwei Firmen gleichzeitig gearbeitet.
# Büro: Hier wird für zwei Firmen gleichzeitig gearbeitet.

Mit der Tür zum Büro der Wursthüllen-Firma betreten wir also gleichzeitig das Vorzimmer der Firma Morpheus: Mike nutzt einen kleinen Raum für seinen Service- und Marketing-Mitarbeiter, der am Computer Mails beantwortet und das Telefon abnimmt. Auch der Besprechungsraum wird von beiden Firmen genutzt – beste Voraussetzungen also für die Ableger-Firma.

Die Marketing und Service Abteilung
# Die Marketing und Service Abteilung

Der Besprechungsraum wird ebenfalls von zwei Firmen genutzt.
# Der Besprechungsraum wird ebenfalls von Mikes beiden Firmen genutzt.

Zwei Türen weiter ins Gebäude hinein stehen wir in einer gekühlten Lagerhalle. Auf mehrere Räume verteilt stehen stapelweise versiegelte Kunststoff-Fässer, in der kalten Luft liegt ein säuerlicher, mittelmäßig angenehmer Geruch. Bei dem Lager in der Bronx handelt es sich um eines der kleineren an der Ostküste, die Firma ist global aufgestellt und produziert für fast jedes denkbare Wurstprodukt passende Hüllen, die berühmten Frankfurter und so weiter inbegriffen. In jedem einzelnen der Fässer liegen genügend Därme für 10000kg fertige Würste, die grob geschätzt Tausend Fässer im Bronx-Lager werden also bald zu etwa 100 Millionen Würsten gestopft werden…

"Das ist mein echter Job!" - Mike mit aussortierten Schweinedärmen.
# „Das ist mein „echter“ Job!“ – Mike mit aussortierten Schweinedärmen.

Einer der kleinen Lagerräume: Jedes Fass enthält genug Darm für 10000kg Wurst
# Einer der kleinen Lagerräume: Jedes Fass enthält genug Darm für 10000kg Wurst

Aber genug davon, eigentlich wollten wir zu der Bike-Firma, die hier irgendwo zwischen den tierischen Innereien versteckt sein soll. Als uns der Geschäftsführer eine Treppe hoch in Richtung einer nur einen Meter hohen Tür geleitet, schießt mir kurz der Film Snatch und die darin vorgeführte Tatsache, dass 16 Schweine eine Leiche von 200 Pfund in 8 Minuten fressen, durch den Kopf, doch zu meiner Erleichterung hängt in dem Raum am Ende der Treppe nichts als Mountainbike-Rahmen von der Decke.

Fast eine Karikatur: Die Treppe zum Morpheus-Montageraum endet vor einer nur halbhohen Tür.
# Fast eine Karikatur: Die Treppe zum Morpheus-Montageraum endet vor einer nur halbhohen Tür.

Mike hat die Firma Morpheus im Jahr 2008 gegründet, und auch dazu kam es auf eher unkonventionelle Art und Weise. Bei einem Wochenende im Bikepark trifft Mike am frühen Nachmittag einen 13-Jährigen, der sich gerade seinen Vorbau kaputt gemacht hat, und sich über die verlorene Zeit auf dem Rad ärgert. Weil er das Gefühl kennt, und eh ein Zweitrad dabei hat, leiht er dem Jungen seinen Vorbau. Beim Barbecue am Abend lernt er ihn kennen und stellt fest, dass sich hier, fast 5 Stunden von zuhause, fast direkte Nachbarn getroffen haben. Deshalb leiht er ihm den Vorbau noch eine Weile und holt ihn später persönlich in New York ab. Erneut verwickelt ihn der Junge in ein Gespräch, an dessen Ende Mike zu seinem Manager geworden ist. Fortan lernt er die Bike-Branche kennen und freundet sich mit dem Betreiber eines nahe gelegenen Bike-Shops an, der in seinen Augen alles falsch macht. Er schlägt ihm vor, für ihn ein paar angesagtere Firmen ausfindig zu machen, was er dann auch darf und dabei auf Versus Cycles trifft. Die Räder verkaufen sich kurz ganz gut, doch beim ersten Garantiefall gibt es Probleme. Als Geschäftsmann erkennt Mike schnell, dass die Firma deshalb keine Ersatzteile rausrückt, weil sie einfach so gut wie Pleite ist. Am Telefon macht er dem Inhaber Harper deshalb nicht zusätzlichen Druck, sondern schlägt ihm vor, Teilhaber der Firma zu werden.

Das war die ursprüngliche Idee: Mainstream Bikes zum guten Preis verticken.
# Das war die ursprüngliche Idee: Bikes für ein breites Publikum zum guten Preis verticken.

Die beiden treffen sich und arbeiten ein Jahr lang fast jeden Tag gemeinsam an dem Relaunch von Versus Cycles. Bevor die neuen Bikes produziert werden, soll ein Vertrag die Anteile fixieren: Wegen ständiger last-minute Änderungswünsche und weiterer Hindernisse kommt es aber nicht dazu, die logische Konsequenz für Mike: Dann mache ich es eben ohne Dich und gründe eine eigene Firma.

2008 wird also Morpheus Bikes geboren. Die Idee: Bessere Mainstream-Bikes in großer Stückzahl zu besten Preisen. Die Erkenntnis nach einem Jahr: Als kleine Firma kann man nicht günstiger und bei den vielverkauften Bikes auch kaum besser als die großen, etablierten Firmen.

Nochmal ein Foto des ersten, gescheiterten Plans mit Morpheus groß zu werden.
# Der Haken: Die eigenen Bikes konnten eigentlich nichts besser als die der Konkurrenz. Und billiger waren sie auch nicht.

Der Erkenntnisgewinn: DirtJump- oder Slopestyle-Bikes sehen quasi noch aus wie vor einem Jahrzehnt oder gibt es noch gar nicht, da steckt kaum einer etwas rein – hier kann man die großen Hersteller schlagen. Als erstes Modell wird also Skyla entwickelt, an sich ein absolutes Nischenprodukt. Mike bringt für die Entwicklung einen Fahrer und einen Ingenieur zusammen, er selbst funktioniert als Vermittler. Als Fahrer wird er sich mit Mitch Chubey einig, den Specialized gerade zugunsten von Darren Berrecloth gehen lassen hat. Mitch kümmert sich fortan darum, dem Wurstwaren-Händler zu erklären, was funktioniert, und was nicht, und zu demonstrieren, was hält, und was bricht.

Seitdem wächst und gedeiht die Firma, anders kann man es nicht beschreiben. Wichtig für das Marketing ist sicher Anthony Messere. Er kam durch Mitch Chubey zu Morpheus, die beiden lernten sich auf der Startrampe vor ein paar Dirts kennen. Nach Anthonys erstem Lauf ging Mitch zum Wagen, holte sein Handy und wählte Mikes Nummer: „Mike, hier ist ein 13-jähriger an den Sprüngen, und ich schwöre Dir: Er kann jeden Trick, den ich kann, Du musst ihn sponsorn!“. Der Morpheus-Gründer und der Youngster telefonierten daraufhin, und Mike bot ihm einen Rabatt an. Anthony erklärte ihm daraufhin, dass er Profi werden wird und deshalb deutlich mehr kriegen muss.

Jeder Teamfahrer hat seinen Platz auf dem Van, wie hier Anthony Messere in 40 Fuß Höhe
# Jeder Teamfahrer hat seinen Platz auf dem Van, wie hier Anthony Messere in 40 Fuß Höhe

Darauf sagt Mike: „Zeig mir Dein Ergebnis bei einem Profi-Contest. Wenn das Profi-mäßig ist, kriegst Du einen Profi-Vertrag!“ Messere lässt sich das nicht zwei Mal sagen, fährt zum Ranch Style Slopestyle nach Grand Junction, Colorado, und wird prompt 2., direkt hinter Tyler McCaul. Mike hält sein Wort, und nach etwas komplizierteren Verhandlungen, weil der Junge noch minderjährig ist, kommt Anthony unter Vertrag – mit bekanntem Ergebnis: 3. Platz bei seinem ersten Crankworx-Auftritt, 2. Platz beim Bearclaw-Invitational, außerdem regelmäßig der inoffizielle Preis für den höchsten Sprung und den besten Lauf, wenn er ihn nur sturzfrei ins Ziel gebracht hätte…

Das Logo der Firma hat nichts mit den Illuminaten zu tun - dennoch sieht man sich als eigenen Klan.
# Das Logo der Firma hat nichts mit den Illuminaten zu tun – dennoch sieht man sich als eigenen Klan.

Die Team-Fahrer haben für die Firma Morpheus eine wichtige Aufgabe, denn sie können, was immer noch kein Computer vermag: Reale Belastungen wirken lassen! Die Entscheidung, voll auf Teamfahrer als Produkt-Absicherung zu setzen fiel, nachdem man in fünf Iterationsrunden eine Wippe gebaut hatte, die laut FEM-Simulation unter den gewählten Randbedingungen auch noch bei einem 15m Drop halten würde. Mitch Chubey brauchte eine ¾ Stunde und einen 5m Drop, um auch dieses Modell zu verbiegen.

Nur eine kleine Auswahl an von den Teamfahrern zerstörten Teilen.
# Wo hab ich die Teile denn, die Laut Rechner 15m Drops aushalten?

Wühlkiste: "Wo hab ich sie denn?"
# Ah, ja da sind sie: Eine Auswahl von 5 Wippen, die Chubey und Co für Mike zerstört haben.

Seitdem wird konstruiert, der Ingenieur lässt seine Erfahrungen einfließen und macht erste Annahmen, aber bevor man lange rumtüftelt, wird dem Teamfahrer das Teil gegeben und dazu gesagt: „Wenn Du das zerstörst, kriegst Du einen Bonus, Cash auf die Kralle.“ Das Ergebnis im Falle der Wippe: Aus Alu war alles probiert worden, das Endergebnis unfassbar schwer und immer noch nicht stabil genug. Also suchte man einen Carbon verarbeitenden Betrieb in Taiwan. Das Ergebnis: Keine defekten Wippen mehr und dabei satte 300g gespart. Die Ansprüche in Sachen optische Perfektion des Cfk-Geleges führen zwar zu Ausschuss, aber das Hochglanz-Finish muss, so der Chef, makellos sein.

Die Carbon-Wippen waren die Antwort auf unzählige verbogenen Alu-Wippen.
# Die Carbon-Wippen waren die Antwort auf unzählige verbogenen Alu-Wippen.

Diese Qualität weisen alle unsere Wippen auf: Perfekt gelegte Matten...
# Diese Qualität weisen alle unsere Wippen auf: Perfekt gelegte Matten…

... und mit zig Lagen "Klavier-Klarlack" vollendet.
# … und mit zig Lagen „Klavier-Klarlack“ vollendet.

Dass an der zugrunde liegenden These „Was bei den Team-Fahrern hält, hält auch bei den Kunden“ etwas dran ist, zeigt die enorm geringe Ausfallquote der Bikes der Firma: Nur durchschnittlich eines von 400 verkauften Rädern kommt mit Defekt zurück, nach Quellen von Morpheus liegen die Bikes anderer Hersteller durchweg bei 2-6%. Auch wir waren beispielsweise von der Optik der schlanken, teleskopischen Ausfallenden zunächst überrascht, tatsächlich „hat die aber noch niemand zerstört!“, erzählt Mike stolz. Das Grinsen seines Mitarbeiters verrät, dass das wohl doch nicht ganz stimmt, auf unsere Nachfrage kommt raus: Doch, ein Kunde hat sie mal eingeschickt, kaputt. „Am Telefon haben wir rausgefunden, was passiert war: Sein 140kg schwerer Kumpel hat mit dem Bike 180°s auf dem Parkplatz gemacht, als die Hinterachse nicht festgezogen war. Wir haben ihm klargemacht, dass das kein Garantiefall ist, und ihm trotzdem neue Ausfallenden geschenkt, weil uns das nicht viel kostet und wir zufriedene Kunden mögen. „Ich will mit den Kunden einfach keinen Ärger haben. Deshalb baue ich die Fahrräder so, dass sie halten. Ich will, dass der einzige Grund, warum sie mich anrufen können, ist, um mir zu sagen: „Mein Morpheus ist das beste Fahrrad, was ich je besessen habe.“ “, erklärt der Chef die Philosophie in wenigen Sätzen.


# Sehen filigran aus, sollen aber quasi unzerstörbar sein: Die Teleskop-Ausfallenden am Morpheus

Auch als wir uns über die gelaserten Schriftzüge auf dem Modell Vimana unterhalten, verfestigt sich der Eindruck, dass wir es mit jemandem zu tun haben, der absolut an Ideen glaubt und daran arbeitet, bis sie funktionieren. Die Idee: Zu einem edlen, anodisierten Finish passen edle, genauso langlebige, gelaserte Schriftzüge doch am besten. Der Haken: Fahrrad-Rahmen sind nicht eben, und Lasergravierer bearbeiten eigentlich nur ebene Werkstücke – und ihr Bauraum ist begrenzt. Von 18 Laser-Betrieben erhält er deshalb 17 Absagen, erst bei Nummer 18, dem bis dahin kleinsten Betrieb, wird er zu einem Gespräch eingeladen. Der einzige Weg, das Steuerrohr mit einer Laser-Gravur zu versehen, ist: In die Arbeitsplatte der 45000$ teuren Maschine einen 15cm breiten und einen Meter langen Schlitz zu schneiden. Gegen vertragliche Zusicherung einer ausreichend großen Auftragsmenge wird der Lasercutter selbst zerschnitten, fortan sind die Rahmen einzigartig. Das Blöde: Manch ein Kunde merkt es gar nicht, versteht es gar nicht, was da so besonders ist. Die Lösung: „Wir lasern absichtlich über die Zugführung, nutzen aus, dass der Laser kann, was offensichtlich kein Aufkleber und kein Lack vermag!“

Pure Absicht: Ein Schriftzug über die Zugführung - das lässt sich mit keiner anderen Technik haltbar machen, und diese Technik bietet niemand außer Morpheus.
# Pure Absicht: Ein Schriftzug über die Zugführung – das lässt sich mit keiner anderen Technik haltbar machen, und diese Technik bietet niemand außer Morpheus.

Diese und weitere Details werden uns in dem Raum hinter der niedrigen Tür gezeigt, die Hauptfrage ist eigentlich, wie das alles durch die viel zu kleine Tür ins Zimmer gekommen ist. Neben etwa 15 Rahmen der drei aktuellen Morpheus-Modelle, die auf den Aufbau warten, wartet der Raum mit Werkzeug, Kartons und allerlei Einzel- und Ersatzteilen auf. Um auch nach ein paar Jahren den ersten Kunden noch Ersatzteile liefern zu können, hängen alte Rahmen unter der Dachschräge, bisher wurde jedoch erst einer davon angetastet, der Bedarf an Ersatzteilen bleibt gering.

Mittelfristig soll die Marke natürlich weiter wachsen, in den USA, aber auch in Europa. Mit Tri-Cycles hofft man, den richtigen Vertrieb gefunden zu haben, einen, der Erfahrung darin hat, eine Amerikanische Marke im Deutschsprachigen Raum zu etablieren. Mit der pulverbeschichteten und deshalb günstigeren Version des Dirt Jump Hardtails will man die Kundengruppe nach unten erweitern, bevor in ein, zwei Jahren endlich das Bike mit viel Federweg Serienreife erlangt.

Eloxierte Rahmen mit Lasergravur - das ist einzigartig.
# Eloxierte Rahmen mit Lasergravur – das ist einzigartig.

Während die Fertigung – bis auf Anodisierung und Laser-Gravur – in Taiwan stattfindet, werden Komplettbikes für den Amerikanischen Markt direkt in New York montiert. Neben einigen Aufbau-Vorschlägen kann der Kunde auch richtig Gas geben, was die Individualisierung angeht: Auf dem Tisch liegt gerade ein Rahmen, der den Namen des Fahrers aufs Oberrohr gelasert hat, mit Profile Naben (204 Klicks / 360°), Fox 831 und auch sonst nur dem feinsten aufgebaut wird. Derartige Träume erfüllt man nur allzu gern.

Spank, Sram, Formula und viele andere Marken liegen in kleinen Mengen im Regal. Kein Wunder, die meisten Aufbauten sind sehr individuell
# Spank, Sram, Formula und viele andere Marken liegen in nur kleinen Mengen im Regal. Kein Wunder, die meisten Aufbauten sind sehr individuell.

Die Firma Morpheus verfügt über mehr Teamfahrer als sonstige Mitarbeiter, selbst wenn man nur das Factory-Team zählt und von dem Pro-Team und dem als „Graswurzel-Sponsoring“ bezeichneten verbreiten der Bikes an talentierte Fahrer zu vergünstigten Preis absieht. Ein Vollzeit-Monteur, ein Marketing-/Service-Mitarbeiter, außerdem Mikes Frau Christel in Vollzeit im Büro. „Sie hat den Laden quasi übernommen und arbeitet beinahe mehr als ich für den Erfolg!“, kommentiert Mike ihr Engagement.

Neu: Um den Dirtjump-Rahmen Vimana günstiger anbieten zu können, gibt es ihn jetzt auch pulverbeschichtet.
# Neu: Um den Dirtjump-Rahmen Vimana günstiger anbieten zu können, gibt es ihn jetzt auch pulverbeschichtet.

Mit vier verschiedenen Bikes fehlt in dem Montage-Raum nur ein Modell der Firma: Es wird schon auf der Homepage geführt, jedoch noch nicht verkauft: Das Freeride-Bike aus Carbon. Auch bei diesem Rahmen geht man offensichtlich eigene Wege, erneut ein Grund zur Diskussion: Macht es Sinn, ein Fahrrad mit so viel Federweg (185-215 mm) mit einem Drehpunkt ums Innenlager auszustatten? Die Radhebungskurve muss dadurch zwangsläufig supobtimal sein, wenn es darum geht, Schläge aufzusaugen. „Das stimmt“, sagt Mike, „aber wir haben dadurch so viele andere Vorteile, dass wir das in Kauf nehmen. Außerdem sehe ich das Rad eher als Bikepark-Freerider, bei dem es nicht auf Zehntel-Sekunden ankommt.


# Morpheus Carbon DH

Wir hätten das Rad gerne live gesehen, wo versteckt Mike den Prototypen, mit dem er sonst so schnell um Kurven fetzt? Tatsächlich hat er ihn als Ersatz-Rad in die Wüste geschickt, genauer gesagt zur Rampage. Sein Team-Fahrer Mitch Chubey war gerade damit beschäftigt, sich und das Bike auf Herz und Nieren zu prüfen, sprang damit unter anderem mehrmals (manchmal auch erfolgreich) das Gap, an dem vor drei Jahren Gee Atherton heftig zu Boden ging. Noch zwei Generationen Prototyp erwartet Mike bauen zu wollen, bis das Rad verkauft werden wird, also auch noch etwa ein Jahr. In Sachen Radgröße wird der Kunde dabei die Wahl haben, und auch hausintern probiert man fleißig rum. Einer der Downhill-Teamfahrer fährt es am liebsten mit 650b vorne und 26“ hinten, eine Tatsache, die Mike nur mittelmäßig erfreut: „Ich weiß nicht, ob ich solche Komplettbikes anbieten will – aber ich habe ja zum Glück noch etwas Zeit, das zu entscheiden.“

Warteschlange: Momentan reicht ein Monteur in Vollzeit, um die Bikes fertig zu machen.
# Warteschlange: Momentan reicht ein Monteur in Vollzeit, um die Bikes fertig zu machen.

Wir verlassen die kleine Kammer hinter der kleinen Tür, gehen die Treppe runter und finden uns wieder zwischen den Wursthüllen-Fässern. Zwei Räume weiter hinter einer breiten Tür mit Sichtfenster betreten wir nun den Raum, der bisher für die Qualitätssicherung der Schweinedärme genutzt wurde. In ihm finden sich metallene Tische mit Abfluss, dazu allerlie Cheimkalien und Gerätschaften. Trotzdem sieht es nicht aus, als ob hier noch gearbeitet wird. Der Grund: „Hierhin ziehen wir um! Eigentlich sollten die Tische schon raus sein, aber mein Mechaniker fand sie so praktisch, wir behalten ein paar. An den Wänden kommen neue und alte Bikes hin, das Ganze wird natürlich noch aufgehübscht: Indirekte Beleuchtung, luftige Raumtrenner, ein richtiges Lager…“ während Mike erzählt, kann man sich tatsächlich vorstellen, wie von hier bald die Firma in ganz neuem Licht und mit wesentlich erweiterten Möglichkeiten operieren kann.

Aktuell wird hier noch ausgeräumt, bald soll der Raum aber in neuem Licht für Morpheus erstrahlen.
# Aktuell wird hier noch ausgeräumt, bald soll der Raum aber in neuem Licht für Morpheus erstrahlen.

Der Mechaniker war von den Metalltischen angetan: Perfekt für den Dämpfer- und Gabelservice.
# Der Mechaniker war von den Metall-Tischen angetan: „Perfekt für den Dämpfer- und Gabelservice. Und dank des hohen Randes kann nichts verloren gehen!“

Bis dahin ist es noch ein beschwerlicher Weg: Der Raum muss gereinigt, neu gestrichen und ausgestattet, große Kartons müssen durch eine viel zu kleine Tür geschleppt werden – wir drücken die Daumen.

Um es noch einzigartiger zu machen, hat sich dieser Kunde seinen Spitznamen aufs Oberrohr lasern lassen.
# Um es noch einzigartiger zu machen, hat sich dieser Kunde seinen Spitznamen aufs Oberrohr lasern lassen.

Wir sind nicht beim Metzger. Deshalb hängen hier auch keine Schweine am Haken.
# Wir sind nicht beim Metzger. Deshalb hängen hier auch keine Schweine am Haken.

Zusätzlich zur Wippe sind die Sitzstreben über eine sehr massive Verbindung verschweißt.
# Zusätzlich zur Wippe sind die Sitzstreben über eine sehr massive Verbindung verschweißt.

Nadellager und einwandfreie Schweißnähte
# Nadellager und einwandfreie Schweißnähte

Die durchaus teure - und amerikanische - Fox 831 ist eine populäre Wahl bei den Kunden
# Die durchaus teure – und amerikanische – Fox 831 ist eine populäre Wahl bei den – momentan zu 60% nordamerikanischen – Kunden.

"Die gerade Linie von Sitzstreben zu Oberrohr macht das Rad unzerstörbar"
# „Die gerade Linie von Sitzstreben zu Oberrohr macht das Rad unzerstörbar“

"The right tool for the Job"
# „The right tool for the Job“

Der Mechaniker: 1,90 m. Die Heizungsrohre: 1,75 m. Finde den Fehler.
# Der Mechaniker: 1,90 m. Die Heizungsrohre: 1,75 m. Finde den Fehler.

Die Produktion erfolgt in Taiwan, Färben und Lasern in den USA
# Die Produktion erfolgt in Taiwan, dann ab in diese Kartons zum Färben und Lasern in den USA

Testbikes stehen jederzeit bereit, falls mal ein Interessent in der Stadt ist.
# Testbikes stehen jederzeit bereit, falls mal ein Interessent in der Stadt ist.

Wir verlassen die Firma in der Firma, schlendern durch die Spätsommersonne der Bronx zurück zum Parkplatz und steigen hoch in den Ford Raptor. Auf der Rückfahrt erzählt Mike von seinen Plänen und Visionen: Die nächste Generation von Slopestyle-Bikes, aber auch, dass er für Downhiller mal ein richtig schnelles Rad bauen will, mit einer völlig neuartigen Federung am Heck. Deshalb schätzt er sich auch glücklich, dass man an der Ostküste noch ungesehen Prototypen ausfahren kann, anders als in Kalifornien oder British Columbia.

Gründer, Besitzer, Fahrer - und verdammt stolz auf alles.
# Gründer, Besitzer, Fahrer – und verdammt stolz auf alles.

New York City - eine halbe Stunde bis zu guten XC-Trails, zwei Stunden zu DH-Strecken
# New York City – eine halbe Stunde bis zu guten XC-Trails, zwei Stunden zu richtigen DH-Strecken, 4,5h zum Highland Mountainbike Park.

Als wir aus dem Auto steigen und uns für die Führung und den Fahrservice bedanken, kann ich es kaum erwarten, die nächsten Generationen von Morpheus Bikes zu sehen. Bis dahin müssen wir uns noch gedulden, denn „wir bei Morpheus wollen lieber Dinge zeigen, als nur darüber zu reden.“ Als wir später am John F Kennedy Airport einchecken, hat sich unser Bild der Firma Morpheus geschärft: Morpheus Bikes ist eine kleine, aufstrebende Firma, die es sich leisten kann, ihre Produkte so lange zu entwickeln, bis sie den durchaus eigenen Ansprüchen an Funktion und Perfektion genügen. Respekt.

Interessant? Hier findest du weitere Hausbesuche und Blicke hinter die Kulissen bei zahlreichen Unternehmen der Bikebranche.

  1. benutzerbild

    godsey

    dabei seit 03/2008

    Die Geschichte mit den Wippen würde ich nicht überbewerten. Wenn man das aus dem für Amerikaner üblichen Marktinggeblubber auf schwäbisches Understatement übersetzt, heißt das nix anderes als:

    "Wir sind ne kleine Klitsche und haben die Simulationsprogramme zwar probiert, aber leider nicht in den Griff bekommen. Deshalb werden die Teile halt so lange geändert und getestet bis sie halten."

    Den Bericht finde ich klasse, auch wenn verschwiegen wurde, wer der erste Geschäftsführer der Darmfirma ist. Ich vermute allerdings, es wird der Herr Papa sein.smilie

    Komischerweise gefällt mir der Downhiller am besten. Das wird allerdings dran liegen, dass ich keine Ahnung von der Materie habe und die technischen Defizite nicht erkenne.

    Alles in allem hab ich mich aber gut unterhalten gefühlt und würde mir auch gerne mal ein Video über die Firma anschauen.

  2. benutzerbild

    GrillMeister

    dabei seit 04/2004

    Den Bericht finde ich klasse, auch wenn verschwiegen wurde, wer der erste Geschäftsführer der Darmfirma ist. Ich vermute allerdings, es wird der Herr Papa sein.smilie

    http://www.manta.com/c/mmcpy97/casing-associates-inc

    Die haben alle den selben Nachnamen. Ob es Vater, Bruder, Ehemann oder Zufall ist... Kratzt natürlich ein wenig am Selfmademan bzw. Underdog-Image, interessiert aber ansonsten wohl nur Neidhammel.

    PS:

    http://fotos.mtb-news.de/p/1502993

    Da ist Tatsächlich ne Pore... Tztztz smilie Auf anderen Bildern sind auch kleine Bindefehler.

    Ansonstne schöner Bericht.
  3. benutzerbild

    Makkiawiel

    dabei seit 10/2012

    This just ain't cool.

    Coole Firma ist:
    Fanatischer Biker kratzt Geld/Kredite zusammen, macht eigene Firma auf um das Bike zu bauen das er braucht und die Industrie ihm nicht liefern kann. Am besten mit ein paar Kumpels.

    Uncoole Firma ist:
    Würstchendarmfabrikerbe macht mit Papas Geld Firma auf um Bikes mit Designgimmicks zu bauen. Technische Unwichtigkeiten wie FEM interessieren ihn nicht, dazu hat er seine Leute, die er unter anderem in zu niedrige Heizungskeller pfercht.

  4. benutzerbild

    ursderbiker

    dabei seit 03/2013

    kann man auch ein enduro leihen für eine tour an der Ostküste? oder irgendwo anders in nyc?

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