Radcross, auch Cyclocross, liegt derzeit im Trend. Wer Rennrad fährt, kann sich ungefähr vorstellen, wie CX sich anfühlt. Wer vom Mountainbike kommt, hat hingegen nicht den Hauch einer Ahnung. Nachdem sich bereits unsere Redakteure Maxi und Dommaas letzten Herbst auf einen Crosser gewagt und ihr erstes Rennen absolviert haben [zum Artikel], war es nun auch mal für mich Zeit. Auf geht´s zum Selbstversuch.

Ich zum Beispiel war noch nie wirklich Rennrad gefahren. Klar, mal drauf gesessen. Oder mal Fixie. Aber mehr als 20 km werden es nicht gewesen sein. Als mir jedoch jemand versprach: „Ein Crosser (und ich dachte, das wären Motorräder?) beschleunigt wie ein Rennrad, ist aber schon komfortabler und auch für Schotterwege geeignet.“ Da musste ich es selbst ausprobieren.

Auf den ersten Metern greife ich also erstmal im flachen Teil des Lenkers, klicke in die Pedale, kurble vorwärts – und ein Lächeln zaubert sich auf mein Gesicht. Der Rollwiderstand ist quasi aufgehoben, die Beschleunigung fulminant. Mit einem leichten Tab an den Paddeln schalte ich in höhere Gänge, und erst als der Fahrtwind – wohlgemerkt in der Ebene – schon ordentlich braust, hat die Beschleunigung ein Ende. An der ersten Ampel der gewohnte Griff zum Bremshebel, das passt, denn an meinem Testrad sind hier zusätzliche Bremsgriffe montiert. Das Runterschalten habe ich auf diese Weise natürlich vergessen, und so versuche ich einerseits den riesigen Gang anzutreten, andererseits mit den Schalthebeln klar zu kommen. Kein Wunder, das Shimano Dual-Control gefloppt ist, so richtig intuitiv funktioniert das nicht.

Besser wird's nicht
# Besser wird's nicht - in flacherem Geläuf auf einfachen Wegen, da fliegt man auf dem Crosser nur so dahin.

Ganz egal in welcher der zum Schalten geeigneten Positionen ich an den Lenker greife – ich fühle mich entweder an eine Streckbank oder zumindest ein Trainingsgerät aus dem Fitness-Center erinnert. Bequem ist das alles nicht – aber es soll ja auch in erster Linie schnell sein, oder? Rasant nähert sich der Stadtrand und ich biege in die Fröttmaninger Heide ein, ein flaches Landschaftschutzgebiet im Norden Münchens. Rechts die Allianz-Arena, hinter mir der Föhnblick bis zu den Alpen, direkt vor mir das ehemalige Bundeswehr-Trainingsgelände. Meine Rocket Ron mit irgendeiner extra schmalen Bezeichnung treffen auf den gut ausgefahrenen Schotterweg. Ich spüre zwar jedes Korn, fliege am immer noch darüber hinweg, das Rad fährt sich hart, aber schnell.

Einige Hundert Meter weiter ist Schluss mit der Ebene. Keine Ahnung, ob das hier mal Schützengräben oder künstliche Wasserdurchläufe oder ich weiß nicht was gewesen sein sollen, jedenfalls geht es ziemlich steil, aber nur sehr kurz bergauf, direkt wieder bergab und von neuem bergauf. Die Bewegungsfreiheit fühlt sich, verglichen mit dem Mountainbike, ziemlich eingeschränkt ein: Der Sattel bleibt oben, durch den extrem weit vor dem Vorderrad liegenden Lenker liege ich mehr auf dem Rad, was insbesondere bergab keine schönen Erinnerungen wieder bringt. 120 mm Vorbauten sind auf dem Mountainbike doch zu Recht ausgestorben, oder?

Hier gucke ich richtig fies
# Hier gucke ich richtig fies - und genau so hat sich der Moment auch angefühlt

Als nächstes trete ich mühelos in einem eigentlich viel zu großen Gang eine steile Kopfsteinpflasterstraße hoch, wundere mich erneut über den fehlenden Widerstand, und begebe mich an meine erste etwas längere Abfahrt: Matschiger Trail und ein paar Wiesenabschnitte warten, ich fühle mich zunächst alles andere als sicher. Tatsache ist aber: So viel Grip hätte ich hier selbst mit meinem Mountainbike nicht erwartet, ich kann auf dem schmierigen Boden Stoppies machen. Mit etwas Anstrengung der Hand freilich, denn die Bremsleistung haut mich nicht direkt vom Hocker. Aber dieser Halt der Reifen gibt Zuversicht, der Druck auf dem Vorderrad ist gigantisch! Durch den hohen Sattel und den frontlastigen Schwerpunkt werde ich wieder auf den Boden der Tatsachen zurück geholt, Optimismus bleibt aber.

Meine erste Maßnahme gegen die doch etwas zu sportliche Sitzposition und die etwas progressive Abfahrtshaltung gleicht den Maßnahmen aus den Anfängen meiner Mountainbike-Zeit: Spacer unter den Vorbau, kürzerer Vorbau drauf! Das Rad sitzt sich gleich viel angenehmer, auch Wheelies und kleine Bunny-Hops fallen sofort leichter. So weit der erste Eindruck vor der Haustür, also ab auf den Trail. Bereits bevor ich dort ankomme, muss ich leider feststellen: Ganz so genial, wie gedacht, war mein Umbau doch nicht: Im Gegensatz zu meinem MTB von früher fahre ich hier nämlich keinen Riser-Lenker, sondern einen Rennlenker – und dank des kürzeren Vorbau haue ich mir jetzt in jeder etwas engeren Kurve mit dem Knie gegen den Lenker und umgekehrt, schlecht für Knie-Farbe und Lenkpräzision.

Vorher
# Vorher - Tief und lang
Nachher
# Nachher - Kurz und höher. Der Haken an der Sache: Die Knie schlagen an die Lenkerenden.

Dennoch bin ich ja schon einmal auf dem Trail unterwegs, da kann ich die Runde auch zu Ende fahren. Kann ich nicht – meine gefühlt ganz schön harten 3,5 Bar entpuppen sich nämlich an der nächsten übersehenen Wurzel als zu wenig. Ein längst vergessenes und nicht vermisstes Gefühl im Handgelenk kündigt den Vorderrad-Durchschlag an, bevor die Luft durch den Cut entweichen kann. Mit erhöhtem Druck wünsche ich mir den vorher unterschätzten Komfort zurück, insgeheim sehne ich mich das erste Mal seit langem nach schönen, breiten 2,0er Schlappen… Alles eine Frage der Sichtweise eben.

Da wird's schon hakelig
# Da wird's schon hakelig - Selbst kleine Steine können heftig in die Handgelenke schlagen

Den nächsten Aha-Effekt erlebe ich bei einer schönen Matsch-Tour. Anfangs zirkle ich noch um die Schlamm-Löcher drum herum, aber irgendwann gibt es kein Drumherum mehr, ich muss durch und siehe da: Ich kann es auch! Der Reifen schneidet einfach bis zum Boden durch und baut unten satten Grip auf. Ich bleibe auch, wider Erwarten, nicht stecken – sind alle Fatbike-Fahrer auf dem Holzweg? In den kommenden Pfützen und Löchern versuche ich es weiter, das Ergebnis bleibt: Dank der schmalen Reifen lässt sich hier richtig Grip holen, sensationell.

Ermutigt mache ich mich an ein paar steilere Abfahrten. Auf dem Weg dorthin denke ich über eine Diskussion hier im Forum nach: „Wenn das so weitergeht, sterben XC-Bikes bald aus, geht ja alles mit dem Crosser!“. Bergauf mag ich das noch glauben, doch bergab muss ich resignieren. Ob man eine Abfahrt fährt oder schiebt, hängt eben doch stark vom Fahrrad ab. Wenn XC-Bikes noch wie vor 10 Jahren wären, dann hätten die aktuellen CX-Räder mit Scheibenbremsen eine echte Chance, ihnen gefährlich zu werden. So muss man sagen: Auch XC-Bikes befähigen inzwischen zu deutlich mehr, als es mit diesem Crosser der Fall ist. XC-Bikes sterben aus? Wohl erst, wenn auch Crosser auf den Trick mit kürzerem Vorbau, längerem Reach und Federgabel gekommen sind…

Beeindruckend
# Beeindruckend - hier schneidet das Bike einfach durch, bis es irgendwo tief unten wieder Grip findet.

Welcher Eindruck bleibt? Ein CX-Bike ist unfassbar schnell in leichtem Geläuf. Asphalt, Schotter, Waldboden – solange es keine Schläge zu bügeln gilt, macht so ein Rad verdammt viel Freude. Weil weniger dran ist, geht im Winter vielleicht weniger kaputt, das Preis/Gewichts-Verhältnis stimmt auch. Wirklich interessant wäre die Anschaffung für mich persönlich aber nur, wenn ich damit auch zur Arbeit fahren könnte. Aber dann stellen Beleuchtung und Schutzbleche das minimalistische Konzept wieder in Frage…

Wer von euch hat schon Erfahrungen im Radcross gesammelt?

  1. benutzerbild

    Sven_Kiel

    dabei seit 10/2003

    Bisserl alt der thread, oder? Aber ich geb Dir völlig recht..crossen macht Spass, allerdings für mich eher solo als Training oder bei Rennen.

    In der Gruppe setze ich mich lieber auf mein 26er und entdecke trails bzw. Natur...ist alles etwas geselliger. ;-)

  2. benutzerbild

    SchrieDe

    dabei seit 12/2015

    ALLES SCH... EGAL - HAUPTSACHE SPASS!!!!!!!

    ...und wer Angst hat gerade mit seinem Bike "Out" zu sein: Einfach paar Jahre warten! Dann bist du wieder ganz vorne!!!

    smiliesmiliesmilie

  3. benutzerbild

    veganpunk

    dabei seit 05/2009

    Hauptsache schnell smilie

  4. benutzerbild

    Sven_Kiel

    dabei seit 10/2003

    Hauptsache biken..egal mit was. Für mich bleibt der Crosser nachwievor ein "Übergangsbike" (Sommer-Herbst und Frühjahr für Strasse)...gut für Tempotraining und Umstieg auf den Dackelspalter smilie.

  5. benutzerbild

    arno¹

    dabei seit 12/2007

    ich finde es kommt auf das gelände an

    bei leichtem gelände genau das richtige

    gesendet vom telefon

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