Claudio Caluori im Interview: Der sympathische Schweizer ist für seine rasanten Course-Previews der World Cup-Strecken bekannt. Dieses Jahr ist er als Teammanager für das Gstaad-Scott Downhill-Team, bestehend aus Brendan Fairclough, Neko Mulally und Adrien Loron, unterwegs. Ganz nebenbei baut er mit seiner Firma Velosolutions einige der besten Pumptracks und DH-Strecken der Welt. Was er an seinem Job am meisten mag und wie er über die Entwicklung des Downhill-Sports denkt, erfahrt ihr im Interview.

Interview: Claudio Caluori

MTB-News: Claudio, im Sommer bist du als Teammanager deines World Cup-Teams unterwegs und bist durch deine Streckenvorstellungen zum bekanntesten Schweizer Fahrer avanciert. Nebenbei baust du mit deiner Firma Velosolutions Pumptracks und DH-Strecken rund um die Welt und wirfst dich bei Red Bull Crashed Ice auf Kufen eine Eispiste hinunter. E-Mails von dir kommen auch mal mitten in der Nacht – und diese Saison wirst du zusammen mit Rob Warner den World Cup moderieren, womit du in Lourdes ja bereits erfolgreich begonnen hast. Wie bekommst du das alles unter einen Hut?

Claudio Caluori: Wenn man lauter Dinge tut, die einem Freude machen, dann kann man viel mehr leisten als man denkt. Natürlich bin ich in letzter Zeit an meine Grenzen gekommen, aber das Gute an unserer Welt ist, dass es Leute gibt, denen genau diese Dinge Freude machen, welche für mich eine Qual sind. Ich spreche dabei von Buchhaltung, Formalitäten, Bürokratie. Und nun habe ich Freunde, welche bei mir angefangen haben, die mir genau diesen Kram abnehmen. Wir können also einen Gang höher schalten – oder ich kann mir vielleicht auch ganz einfach mal wieder die Zeit nehmen, wieder selber Biken zu gehen – ohne GoPro auf dem Kopf!

Familie, Freunde, Sport, Arbeit – was ist wichtig für Claudio Caluori?

All das ist mir wichtig. Natürlich leiden die ersten drei Dinge stark unter der grossen Ladung vom Vierten. Es ist klar, dass jedes Wochenende, welches ich nicht unterwegs bin, für die Kinder reserviert ist. Das wiederum bedeutet aber, dass kaum Zeit für Sport und Freunde bleibt. Aber durch den Einstieg zweier meiner Freunde erhoffe ich mir, auch dies wieder auf die Reihe zu bekommen. Und nicht zuletzt möchte ich mich auch wieder öfter an meinem Schlagzeug austoben können!

Was war der Höhepunkt und was war der schmerzhafteste Punkt deiner Karriere?

Höhepunkt war ganz klar der 4. Platz am Weltcup in Mont-Sainte-Anne. Schmerzhaft wurde es, als ich den Aufwand für’s Training kontinuierlich gesteigert hatte und die Leistung trotzdem immer schlechter wurde. Mein Hirn funktioniert wohl so, dass es zu schmerzhafte Dinge irgendwann einfach vergisst, und somit kann ich den Punkt nicht festlegen.

Claudio und Adrien Loron
# Claudio und Adrien Loron

Deine Streckenvorstellungen sind legendär und für einige Fans daheim das Highlight des World Cups überhaupt. Allerdings gab es dabei auch schon Kollateralschäden – Will Longden ist in Leogang spektakulär abgeflogen und Andi Tillmann hat sich als Kameraman dabei sogar die Hand gebrochen. Wie schaffst du es irre schnell zu fahren, auf dem Bike zu bleiben und dabei noch in einer Fremdsprache Interessantes zu erzählen?

Ich bin in Zürich aufgewachsen und Zürcher haben den Ruf, eine grosse Klappe zu haben. Daher hab ich wohl etwas in Zürich gelernt. Aber ich muss mich schon anständig vorbereiten und voll konzentriert sein, denn sonst wird es gefährlich. Deshalb bin ich am Tag der GoPro-Fahrt auch immer sehr angespannt.

Was denkst du wenn du dir die Clips danach ansiehst?

Ich lach mich über die vielen Kommentare aus dem Netz kaputt. Ansonsten schau ich mir die Videos kaum mehr selber an, sondern bin einfach froh, es überstanden zu haben. Wenn man selber keine Zeit zum Trainieren mehr hat, werden diese Weltcupstrecken und die Sprünge schon ziemlich herausfordernd – zumal ich sie springen muss, bevor die Pros auf die Strecke gehen.

Du und Mountainbiken – wie sah der Anfang aus?

Meine Eltern kauften mir ein Mountainbike, damit ich selber zum täglichen Eishockeytraining fahren konnte. So habe ich dann jeweils im Sommer mit dem Bike trainiert, und es wurde zur größeren Leidenschaft als das Eishockey. Zuerst folgten aber Cross Country, Straße, Bahn und Radquer, bevor ich beim Downhill gelandet bin!

Was war dein erstes Mountainbike?

Ein Cats!

Claudio ist nicht nur auf dem Downhill-Bike nach wie vor verdammt schnell unterwegs.
# Claudio ist nicht nur auf dem Downhill-Bike nach wie vor verdammt schnell unterwegs.

Wann wusstest du, dass du Bikeprofi werden wolltest? Hattest du einen Plan B?

Das war keine Entscheidung, das war einfach klar! Dazu brauchte es keine Überlegung und keine Planung. Ich war überzeugter Punk, da gibt’s keinen Plan B. Natürlich habe ich mir mit Gstaad-Scott und mit Velosolutions etwas aufgebaut, das mir nach der Rennkarriere ein Standbein geben soll.

Hat dir jemand mal gesagt, dass du deine Zeit mit Fahrrädern vergeudest?

Es haben sich natürlich einige Leute gefragt, warum ich keinen normalen Job annehme. Ich bin froh, dass es Leute gibt, denen es mehr Freude bereitet, jeden Tag im selben Büro zu sitzen, anstatt jeden Tag woanders zu sein. Somit hat jeder seinen Platz, und ich kann meinen Job so machen, wie ich ihn liebe.

Du bist jetzt schon so viele Jahre im World Cup-Zirkus dabei – vermisst du etwas von früher?

Nein! Wir sind nach wie vor im besten Sport den es gibt – und wir müssen ihn nicht jedes Jahr neu erfinden.

Was begeistert dich an deinem Beruf? Welcher Teil gefällt dir am besten?

Jeder Tag ist anders, heute im Bagger auf einer Pumptrack-Baustelle, morgen im Teambus zum Weltcup, übermorgen auf dem Bike für den GoPro-Run, dann mit Rob in der Kommentatorenkabine. Rennspannung, Reisen, Freunde auf der ganzen Welt. Aber allem ganz weit voran: Das Lachen der Kinder, wenn sie die ersten Runden auf einem neuen Velosolutions Pumptrack fahren. Das ist unglaublich erfüllend. Die Kinder in Thailand auf dem Pumptrack zu sehen war das Größte für mich!

Der neue Velosolutions Pumptrack in Thailand
# Der neue Velosolutions Pumptrack in Thailand

Musik ist wichtig für dich – was läuft bei dir wenn du nachts noch an einem wichtigen Text dransitzt?

Jetzt gerade höre ich mir ein Live Konzert von Pearl Jam an, eine meiner zwei All-Time-Favourite Bands. Diese Live Konzerte auf Youtube sind auch so ziemlich das Einzige, was mich von der Arbeit abhalten kann… darum dauert das Beantworten dieser Fragen jetzt auch einige Stunden. Wenn’s nicht Pearl Jam ist, dann die Foo Fighters. Wenn ich versuche, wie Taylor Hawkins Schlagzeug zu spielen, hab ich innerhalb einer Stunde Blasen ohne Ende – was ich beim Schaufeln nicht mehr bekomme.

Ja, Musik ist fast schon eine größere Leidenschaft geworden als mein Mountainbike zu fahren (obwohl ich nicht viel drauf habe). Mal schauen, ob wir das irgendwie koppeln können.

Apropos Musik- mit wem würdest du gerne mal einen Song zusammen aufnehmen?

Pearl Jam oder Foo Fighters, mit wem sonst?!

Spürst du einen großen Druck auf dir vor den Rennwochenenden? Du musst selbst ein Video produzieren und im Idealfall sollten deine Fahrer gut abschneiden.

Bezüglich des GoPro-Runs mach ich mir schon einen gewissen Druck. Ich möchte die Leute ja nicht enttäuschen. Bezüglich des Teams kann ich nicht viel anderes tun als den Jungs alles zu bieten, was sie brauchen, um ihre Leistung bringen zu können. Ich versuche, die Stimmung familiär zu halten, auch wenn es manchmal klare Ansagen braucht, um den Ansprüchen der Sponsoren gerecht zu werden. Neko Mulally hat dem Team definitiv frisches Leben eingehaucht. Alle Beteiligten sind mit noch mehr Energie und Enthusiasmus dabei und man konnte den Unterschied in Lourdes beim ersten World Cup bereits sehen – sogar bei Brendan!

Du warst selbst DH-Profi in etlichen Teams und einer der besten Fahrer, müsstest also die Wünsche und Anliegen eines Team-Fahrers kennen: machst du als Team-Manager Dinge so, wie du sie dir früher als Fahrer gewünscht hast?

Ich denke schon, obwohl jeder Fahrer andere Ansprüche an ein Team hat. Brendan möchte am liebsten allein sein Ding drehen, während Neko sehr gern zusammen mit dem Team testet. Somit bleibt es ein ständiges Anpassen und Improvisieren.

Big Air! Adrian Loron testet den Pumptrack in Thailand auf Flugfähigkeit
# Big Air! Adrian Loron testet den Pumptrack in Thailand auf Flugfähigkeit

Zu Beginn deiner Rennkarriere wurde der World Cup live auf Eurosport übertragen – danach wurde es ziemlich ruhig, bis vor ein paar Jahren der Dornröschenschlaf durch Freecaster und dann Red Bull Media House beendet wurde. Wie hat sich das unterschiedliche Interesse auf dich als Fahrer und später als Teamchef ausgewirkt?

Als Fahrer habe ich noch den Boom der Neunziger Jahre miterlebt, und dann auch den Zusammenbruch um 2003. Seither wächst die Szene gesund und stabil. Ich selber lasse mich von solchen Schwankungen nicht vom Weg abbringen. Ich bin ja dabei, weil ich unseren Sport den Wahnsinn finde und nicht weil sich Eurosport dafür interessiert oder nicht. Und es gibt ganz viele wie mich, deren Herz an diesem Sport hängt und welche nicht zum nächsten Trend rennen, wenn dieser nicht mehr „cool“ genug ist.

In Lourdes hast du erstmals als Moderator am Mikrofon gesessen – wie nervös warst du da?

Definitiv nicht so nervös wie Rob Warner. Der hatte einen ziemlichen Druck, weil wir die Show „massentauglich“ liefern mussten. Das heißt, kein wildes Geschrei und keine unüberlegten Witze, klare Struktur. Das machte mich nicht nervös, aber ich musste mich schon sehr stark konzentrieren und ich war nach dem Rennen ziemlich fertig.

Welches deiner ehemaligen Race-Bikes mochtest du zu deiner aktiven Zeit am liebsten?

Ich bin ja selber nie mit Scott Rennen gefahren, daher war es wohl das Intense M3. Die Zeit bei Tomac von 1999 bis 2001 auf dem Magnum 204 war natürlich ein absolutes Highlight. Wenn ich daran denke, werd‘ ich gleich wehmütig.

Wie ist dein Setup, wenn du jetzt auf einer DH-Strecke fährst?

Wenn ich jetzt auf eine DH-Strecke gehe, hab‘ ich eine GoPro auf dem Kopf und das läuft so: „Hey Ben (der Mechaniker), hast du mein Bike schon zusammengeschraubt?“ und „Brendan, wie viel Luft fährst du in der Gabel?“. Dann schraube ich noch kurz etwas an den blauen und roten Rädchen an Gabel und Dämpfer und los geht’s!

Hast du vor 10 Jahren schon den Wunsch nach einem System wie Procore gehabt?

Wir hatten ein geheimes ähnliches System auf demselben Prinzip. Meinen ersten Schweizer Meistertitel habe ich 1999 in Laax auf einem 24 kg schweren Tomac eingefahren: Vorne und hinten jeweils zwei richtig fette Motocrossschläuche übereinander drin.

Was sind für dich die größten Weiterentwicklungen am Bike in den letzten Jahren?

Wirklich funktionierende Luft-Gabeln. Und es scheint auch beim Dämpfer in diese Richtung zu gehen. Die neue Fox 40 ist unglaublich. Ich kann inzwischen die ganzen World Cup-Strecken ohne Armpump fahren – das konnte ich zu meinen besten Aktiv-Zeiten kaum!

2002 warst du auf Platz 4 beim World Cup in Mont-Sainte-Anne – was meinst du, warum kam man nicht früher schon darauf, dass flache Lenkwinkel, tiefe Tretlager und ein hohes Cockpit gut für solche Stecken sind?

(Jetzt brauch‘ ich grad wieder 5 Minuten länger, Pearl Jam spielt grad Alive)

Das sind einerseits normale Entwicklungsschritte, andererseits individuelle Vorlieben. Breite Lenker wurden lange als „Trend“ eingestuft. Hohe Cockpits sind auch heute noch Geschmacksache. Brendan fährt gerne hoch, Neko fährt gerne tief. Tretlager hatten wir auch damals schon tiefe. Gewisse Entwicklungsschritte wurden auch verlangsamt, weil Top-Fahrer z. B. noch auf schmale Lenker setzten und somit dachte man, das sei das Richtige.

Claudio mit GoPro auf dem Track in Cairns 2014
# Claudio mit GoPro auf dem Track in Cairns 2014

Zu Velosolutions – 2004 hast du die Firma mit zwei Freunden gegründet: Was genau macht ihr?

Asphalt-Pumptracks, Racetracks, Flowtrails, XC-Trails – alles, was auf zwei Rädern Freude bereitet!

Ihr habt eine der legendärsten Strecken überhaupt geplant und auch gebaut – Champéry. Sowohl der Lauf von Sam Hill 2007 als auch Danny Harts WM-Sieg 2011 sind Rennen, an die sich wohl jeder Fan erinnern kann. Macht dich das stolz, dass solche Momente auf „deiner“ Strecke geschehen sind?

Ja, natürlich habe ich daran eine Riesenfreude und dass die Fahrer immer noch von dieser Strecke schwärmen ist sehr cool.

Was ist das Geile an Pumptracks?

Das Coole an Pumptracks ist, dass sich jeder auf derselben Anlage austoben kann. Das Kind mit dem Laufrad, welches einfach drüberrollt, genauso wie der Profibiker, der darauf trainiert. Steht ein Pumptrack in der Nähe, kann ich mich in einer Pause kurz für eine halbe Stunde auspowern und danach wieder etwas anderes machen. Oder ich kann mit meinen Freunden ganze Abende darauf verbringen, neue Linien und Kombinationen ausdenken und sie zu fahren versuchen. Pumptracks sind sowohl Spielplätze wie auch Übungs- oder Trainingsgelände für alle Arten von Radfahrern. In asphaltierten Fall sogar auch für Skater, Inliner etc. Am besten einfach selber ausprobieren!

Ein Protipp an die Pumptrack-Selberbauer daheim – was macht den perfekten Track aus?

Am besten einfach die Tipps von Leelikesbikes.com herunterladen, der hat das sauber zusammengefasst. Oder sich sonst auf www.velosolutions.ch inspirieren.

Danke für das Interview!

  1. benutzerbild

    roliK

    dabei seit 04/2010

    Diese "Marketingfuzzis" liefern aber auch die DH-Rennen frei haus und in Top-Qualität, ist doch klar daß sie das ganze dann in ein wenig geordnetere Bahnen lenken wollen, um vielleicht ein paar mehr Werbekunden zu gewinnen. Red Bull ist schließlich auch kein Wohltätigkeitsverein. Aber man kann sich natürlich auch drüber aufregen, daß der Kommentator während der Rennen kein Bier mehr trinken darf, und die Rennen nur noch unter Protest live und gratis in HD anschauen.

  2. benutzerbild

    veganpunk

    dabei seit 05/2009

    ok Claudio. Es gibt immer Plan B. Als Punk sowieso.

    Ich bin überzeugter Punk. Es wird nie ein war geben

  3. benutzerbild

    Ehrenfeld

    dabei seit 10/2001

    ok Claudio. Es gibt immer Plan B. Als Punk sowieso.

    Ich bin überzeugter Punk. Es wird nie ein war geben
    hey, eine Punk-Diskussion hatten wir noch nie smilie
  4. benutzerbild

    Sittenstrolch

    dabei seit 03/2015


    3:00
    "How does Danny Hart sit down with balls that big, he is absolutely amazing!"
    smilie - supergeil.

    Ich musst nur lächeln bei dem Video.
    Scheiss auf Standards, Industriegeschwafel, Marketing.
    Eier, wir brauchen eigentlich nur Eier, Stück Metall mit 2 Rädern und ner Lenkstange, wie was wo lang und warum ist eigentlich genauso egal wie die ganzen Diskussionen um falsch und richtig und wer Recht hat.

    Danke und Danke Claudio für "Endlich mal normale Leute"- Gefühl beim lesen Deines marketinggeschwätzfreien Interviews. Beste Werbung für Dich.

    Grüße! smilie
  5. benutzerbild

    Burnhard

    dabei seit 08/2007

    Tja, wenn der Sport massentauglich werden will ist halt für Vögel wie Warner kein Platz mehr ...

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