Das Samarathon Etappenrennen startete gestern Abend mit einer Hiobsbotschaft: Aufgrund der extrem ungewöhnlichen Witterungsbedingungen wurde der Prolog an einen neuen Ort verlegt. Nachdem das Rennen in den letzten Jahren für seine heiss-trockenen Bedingungen bekannt war, regnet es dieses Jahr in der Wüste. Aber eigentlich überrascht mich das kaum, ich besitze das Talent, wohin ich auch gehe, den Regen aus der Schweiz mitzubringen, egal ob es Australien oder Brasilien oder eben Israel ist. Nicht umsonst bin ich in der Cross Country-Szene auch als Schlammkönigin bekannt. Nur der heftige Wind macht mir etwas zu schaffen.

Volle Konzentration, die Ruhe vor dem Sturm.
# Volle Konzentration, die Ruhe vor dem Sturm.

Wie fast jedes Etappenrennen startet auch der Samarathon mit einem Prolog. Das heißt mit einem Zeitfahren, in dem die Zweierteams im Minutentakt ins Rennen geschickt werden. Aber anstatt im Norden der Negev-Wüste, fahren wir diesen eben einfach in deren Süden. 22 Kilometer warten auf uns, zirka 500 Höhenmeter gibt es zu bewältigen.

Hübsche Startnummer, aber in dem Wind hier wie ein Segel!
# Hübsche Startnummer, aber in dem Wind hier wie ein Segel!

Uns race-ready zu machen, stellte aber schon mal eine kleinere Hürde dar. In der Wüste gibt’s bekanntlich viel Stein und Sand, bei Wind wird dieser ziemlich aufgewirbelt. Sandkörnchen in der Radhose sind aber nicht sooo angenehm. Naja, da gilt wohl nur: Herausforderung angenommen!

Bei dem Wind muss man aufpassen, dass einem das federleichte Bike nicht davon fliegt.
# Bei dem Wind muss man aufpassen, dass einem das federleichte Bike nicht davon fliegt.

Eigentlich sind Zeitfahren eine tolle Sache. um in ein Etappenrennen einzusteigen. Anstatt sich direkt mit einem hektischen Massenstart auseinandersetzen zu müssen, kann man sich zuerst an den Rennpartner gewöhnen, die Zusammenarbeit üben und zu einem eingeschweißten Team werden.

Hier entlang! Immer schön den orangen Pfeilen nach.
# Hier entlang! Immer schön den orangen Pfeilen nach.

Schon lange war es ein Traum von mir und meinem Bruder Michi, ein Etappenrennen zusammen zu bestreiten. Er ist als ehemaliger Fussballprofi athletisch gebaut und stark wie ein Ochse, fährt aber erst seit vier Jahren Rad. Er hat zwar keine Ahnung vom Rennen fahren, ist aber sehr ehrgeizig und will natürlich seiner grossen Schwester beweisen, dass auf ihn verlass ist. Fahrtechnisch hat der Junge wirklich was drauf und seit er eine absenkbare Sattelstütze am Cross Country Bike hat, hänge ich ihn in den Abfahrten nur noch schwer ab.

Landschaftlich haut mich Israel richtig aus den Socken!
# Landschaftlich haut mich Israel richtig aus den Socken!

Obwohl wir uns sehr nahe stehen, gestaltete sich die Zusammenarbeit heute schwieriger als erwartet. Eine Rennfahrerin, die für zwei denken will und ein Amateur, der vor Nervosität überhaupt nicht mehr denken kann, ist eine echt interessante Kombination. In den ersten 10 Kilometer standen wir uns gegenseitig vor allem im Weg rum. Wenn der eine hätte schnell fahren und Tempo machen können, war der andere bestimmt als wandelnde Verkehrsinsel im Weg. Oft fühlte es sich so an, als ob wir gegeneinander statt miteinander Rennen fahren. Und dann kam der platte Reifen! Ein kleiner Fahrfehler von Michi schlitzte ihm auf den scharfen Wüstensteinen den Vorderreifen auf.

Nach dem Rennen kann man dann über die Missgeschicke lachen.
# Nach dem Rennen kann man dann über die Missgeschicke lachen.

Wir gerieten uns so richtig in die Haare. Er stampfte in der Gegend rum, weil er sich so sehr über sich selber aufregte, ich schrie ihn an, weil er doch anstatt rummeckern besser mal vorwärts machen sollte. Dann war die dicke Luft draußen. Wir sahen uns an, lachten und machten uns an die Arbeit. Von dem Moment an lief unser Rennen wie am Schnürchen. Die Reparatur dauerte genau zwei Minuten und kurz darauf ließen wir den Hammer runter.

Michi ist vorne - Vollgas!
# Michi ist vorne - Vollgas!
Nathalie bei windigsten Bedingungen.
# Nathalie bei windigsten Bedingungen.
Im Ziel gab es Linseneintopf. Nach einer kurzen Verschnaufpause genau das, was man in der Wüste will.
# Im Ziel gab es Linseneintopf. Nach einer kurzen Verschnaufpause genau das, was man in der Wüste will.

Die Zeitmessung ließ sich zwar bis spät am Abend Zeit mit den Resultaten, aber irgendwie spielte das gar keine so große Rolle. Ich war mir sicher, dass wir richtig schnell gefahren waren und auch, dass wir als Team noch stärker werden können. Die Resultate bestätigten dann unser Gefühl: Etappensieg mit 33 Sekunden Vorsprung. YEAH – Was für ein Gefühl zusammen, mit Michi zu oberst auf dem Podium zu stehen.

Michi kanns kaum glauben: Wir haben gewonnen!
# Michi kanns kaum glauben: Wir haben gewonnen!
Bikeparking
# Bikeparking - Über Nacht gibt’s Kuschelstunde für unsere Bikes.

Morgen warten 80 Kilometer auf uns. Da wird’s dann richtig zur Sache gehen. Das heisst: Massenstart, viel Hektik und grosse Emotionen. Und wir fahren im Leadertrikot – Ich freu mich drauf!

Auch bei stürmischen Verhältnissen sind wir Banditen immer zu einem Spass aufgelegt!
# Auch bei stürmischen Verhältnissen sind wir Banditen immer zu einem Spass aufgelegt!

Weiterlesen? Alle Berichte von Nathalie zum Israel-Trip findet ihr hier:

Über unsere Gast-Bloggerin

Nathalie Schneitter startete ihre internationale Mountainbike-Karriere im Jahr 2004 mit dem Gewinn des Cross-Country-Weltmeistertitels bei den Juniorinnen. Seither ist sie Vollgas auf den Rennstrecken dieser Welt unterwegs. In Jahr 2008 qualifizierte sie sich für die Olympischen Spiele in Peking und 2010 sicherte sie sich den Heimsieg beim Cross-Country-Weltcup in Champéry. Seit 2015 ist sie für das Team «Rose Vaujany fueled by UltraSports» unterwegs. Vollgas gibt Nathalie auch neben der Rennstrecke: Sie lacht viel, ist bisschen verrückt und tanzt in jeder möglichen Situation. Seit Herbst 2016 ist sie im Organisationsteam der Bike Days in Solothurn und des Urban Bike Festival in Zürich tätig.

  1. benutzerbild

    Gastautor

    dabei seit 05/2012

    Nathalie Schneitter live aus Israel – Tag 1: Prolog, Regen, Leadertrikot!

    Das Samarathon Etappenrennen startete gestern Abend mit einer Hiobsbotschaft: Aufgrund der extrem ungewöhnlichen, regnerischen Witterungsbedingungen wurde der Prolog an einen neuen Ort verlegt – und dann wurde es in der Wüste ganz schön windig für Nathalie und ihren Bruder Michi!

    Den vollständigen Artikel ansehen:
    Nathalie Schneitter live aus Israel – Tag 1: Prolog, Regen, Leadertrikot!
  2. benutzerbild

    trickn0l0gy

    dabei seit 02/2005

    Yeah! GLÜCKWUNSCH. Macht weiter so!

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