Mit einem ordentlich harten Rennen ging die Enduro World Series 2014 los – aus deutscher Sicht waren unter anderem Max Schumann und Ines Thoma vor Ort, die einiges in Südamerika erlebt haben: Denn bereits zweieinhalb Wochen vorher machten sich die beiden auf die Reise, um Land, Leute und Trails kennenzulernen. Hier gibt es den Erlebnisbericht der beiden.
# Braaaap. Staub im Sonnenuntergang
Erlebnisbericht: Trails auf Lunge
Das Frühjahr ist da und die Enduro-Elite erwacht aus ihrem wohlverdienten Winterschlaf. Es wurde trainiert, geruht, geplant, unterschrieben und schon sind die Fahrer samt Bikes auf dem Weg nach Südamerika. Die Enduro-Weltserie geht in die zweite Runde und feiert ihr diesjähriges Debut in Nevados de Chillán, einem Skiresort 5 Stunden südlich von Santiago de Chile. Max Schumann und Ines Thoma geben einen Einblick in ihre Vorbereitungszeit in Chile, bevor es dann am Osterwochenende ernst wird.
# Ines auf Tour an Tag 1 – erste Begegnung mit dem Staub
Wir machen uns bereits 2,5 Wochen vor dem eigentlichen Rennen auf unsere erste Chile Reise. Die Reise haben wir so geplant, dass uns ein paar Tage zur freien Verfügung stehen, in denen wir den Jetlag überwinden und erste Trails genießen wollen, bevor der Rest des Teams und die Fotografen anreisen und die Tage wieder fix durchgeplant sind.
Da stehen wir nun mitten in Südamerika und wundern uns über die gute Organisation und Souveränität der Chilenen. Es klappt eigentlich alles wie am Schnürchen. Noch vor Mittag sind wir mit Mietwagen und Bett ausgestattet, haben die Räder zusammengesteckt, unsere ersten Empanadas (Lokale Spezialität: gefüllte Teigtaschen) gegessen und ein Date mit einem Local ausgemacht, der uns am Nachmittag seine Hometrails bei Santiago zeigen will.
Francisco, wie sich später herausstellen wird, einer der hiesigen Enduro Stars, zeigt wenig Mitleid, was europäische Jetlag-Problemchen betrifft, und so wird aus unserer „gemütlichen Einrolltour“ eine recht knackige Enduro-Runde, die bis in die späten Abendstunden dauern und durch einen wunderschönen Sonnenuntergang abgerundet wird. Wir haben noch nie so viel Staub auf einem Trail gesehen. In den Kurven fühlt es sich eher an wie ein Pinguin beim ersten Schwimmversuch. Hat man sich aber einmal daran gewöhnt, staubt und driftet das Hinterrad ganz ordentlich durch die Kurven, wobei man gut daran tut, den hiesigen Kakteen auszuweichen.
# Max driftet in den Sonnenuntergang – die erste Tour in Chile überzeugt uns schon von den Bikemöglichkeiten
Tags darauf verlassen wir Santiago auch schon wieder: Wir wollen ans Meer, Füße in den Humbolt-Strom hängen und uns die legendären steilen Hügel und bunten Häuschen in der Hafenstadt Valparaiso anschauen. Unser Hostel mit Blick über das hektische Hafentreiben ist sehr gemütlich und wir werden gleich mit Kaffee und Keksen begrüßt. Wenn wir gewusst hätten wie viele Treppenstufen uns in der Stadt noch erwarten werden, hätten wir uns das morgendlich Beine locker fahren vielleicht auch gespart. Die Stadt hat ein unglaubliches Flair. Wir machen den obligatorischen Tourismus-Spaziergang über die weltbekannten und Unesco geehrten Hügel Concepcion und Alegre, in der vor allem Künstler und andere Hippies zu wohnen scheinen. Die steilen Straßen und schmalen Treppen erinnern uns an die spektakulären Bilder und Videoaufnahmen vom Urban-Downhill Rennen, das hier alljährlich stattfindet und weltweit Youtube-Nutzer über die Bikeszene hinaus in Atem hält.
# Steile Hügel, bunte Häuser, enge Gassen. Valparaiso hat viel Charme und einmal im Jahr ein spektakuläres Downhill-Rennen zu bieten.
Nach diesem nicht ganz so ruhigen „Ruhetag“ fährt uns unser PickUp Richtung Norden.“ Puchuncavi: one oft he best trails at the coast“, wurde uns empfohlen, was perfekt in unsere Reiseroute passt. Erneut sehen wir keine Wolke am Himmel und die Sonne treibt uns in den steilen, staubigen Anstiegen den Schweiß ins Gesicht. Ohne Guide versuchen wir eine knapp 50km lange Trailtour zu finden, die wir mehr oder weniger erfolgreich mit Hilfe einer GPS-App meistern. Es ist nicht immer alles so einfach und offensichtlich wie gedacht und anstatt hilfreicher Wegweiser bremsen uns die ein oder anderen „Prohibida la entrada“ Schilder und mangelnde Navigationsleistungen aus.
Trotzdem finden wir schöne Trails durch eine verlassene Landschaft, treffen waschechte Cowboys (zumindest sehen die so aus), jagen die staubigen Trails gemeinsam mit einer Herde Ziegen hinab, können der freundlichen Dame in einer Imbissbude irgendwie erklären, dass wir das Sandwich gerne ohne Brühwurst hätten und fallen anschließend totmüde in unser Bett mit Meerblick. Nachts erleben wir eines jener Reiseerlebnisse, das man zwar noch seinen Kinder erzählen wird, auf das man jedoch auch gut und gerne verzichten könnte: ein Erdbeben reißt uns aus dem Schlaf. Es erschüttert die Küstenorte mit 5,8 auf der Richter-Skala. Und das Epizentrum liegt dabei nur wenige Kilometer von uns entfernt. Wahnsinnig laut und beängstigend, vor allem wenn man nur einen ordentlichen Bunnyhop vom Meer entfernt schläft und am Tag zuvor schon die Tsunami-Evakuierung-Wegweiser aufgefallen sind.
# Max jagt über die feinen Trails bei Puchuncavi
Die Zeit vergeht wie im Flug und schon bleibt uns nur noch ein Tag, bis wir die restlichen Teammitglieder und Fotografen in Santiago treffen werden. Unsere heutige Biketour haben wir auch einem Tipp zu verdanken und wie durch Zufall finden wir beim verschlafenen Küstenort Cachagua einen kleinen Trailpark, so dass wir das Navigieren den markierten Wegen überlassen und umso mehr Bikevergnügen erleben. Flowige Trail-Safari, wir teilen das Gelände auch hier wieder mit Pferden, Rindern und Hunden.
# Sharing Trails – im Trailpark bei Cachagua teilen wir die Trails unter anderem mit Pferden
Die kommenden Tage stehen ganz im Zeichen von kurzen Trainingseinheiten am Vormittag, gefolgt von umso längeren Shootings am Nachmittag. Bis ins wunderschönste Abendlicht hinein halten uns die Fotografen auf dem Berg. Es wird viel gelacht, gedriftet, gesprungen und geknipst. Wir sehen einige der wahnsinnig genialen Rennstrecken des „Andes Pacifico“ bzw. sehen wir eine Strecke nur theoretisch, da wir die letzte Stunde des Trails in absoluter Dunkelheit verbringen. Maxi Dickerhoff hat in seinen Rennberichten keinesfalls übertrieben. Das Etappenrennen, welches in vier Tagen von den Anden gen Westen zum Pazifik führt, hat spektakuläre und anspruchsvolle Strecken zu bieten. Vielleicht schaffen wir es ja im kommenden Jahr zurückzukehren, es wäre die Reise auf jeden Fall wert.
# Im letzten Licht über Santiago – das Ende des Trails ist leider noch lange nicht in Sicht
Ende der Woche machen wir uns auf, ins 2750m hoch gelegene Luxusskiörtchen La Parva. Hier findet die erste Runde der Chilenischen Montenbaik Enduro Serie statt, eine ideale Gelegenheit, um noch eine Woche vor Weltserienbeginn ein Trainingsrennen zu bestreiten und sich an die Höhe zu gewöhnen.
Der Trainingstag ist bereits kein Zuckerschlecken: leichter Schneefall in der vorherigen Nacht und der wohl langsamste Sessellift der Welt ergeben in dieser Höhe eine recht zugige Kombination. Es ist echt sau kalt. Was uns erwärmt sind die spaßigen, wenn auch sehr schnellen Rennstrecken. Es gibt drei an der Zahl.
# Ines und Max im vielleicht langsamsten Lift der Welt. Am Trainingstag ist es auf 3500m ziemlich kühl. Die Trails heizen allerdings ordentlich ein. (Foto © Markus Greber)
Am Renntag versammeln sich fast 400 Enduristen in dieser beeindruckenden Andenkulisse. Dass in Chile ein Weltserienrennen vor der Tür steht wird jedem klar, der einen Blick auf die Startliste wirft. Nicht wenige Top-Fahrer haben die Chance auf dieses Trainingsrennen ergriffen.
Obwohl „nur“ 3 Stages gefahren werden, zehren die schnellen und sandigen Trails an den Kräften und verlangen höchste Konzentration. Der höchste Punkt des Rennens liegt auf gut 3500m – Sauerstoff ist Mangelware. In der ersten Stage sind zwar die Beine aufgewärmt, Ines merkt aber, dass ihr Kopf noch nicht 100%ig im Rennen ist und baut nach wenigen Minuten gleich einen dummen und zeitintensiven Fehler ein.
Zurück auf den Trails, Konzentration und weiter geht’s. Der Rest des Rennens verläuft zufriedenstellend. Mit Anne-Caro Chausson im Nacken ist der Druck auf jeden Fall da. Am Schluss ist das erste Podium der Saison, und umso wichtiger erste Rennerfahrungen und Zuversicht für die kommende Woche eingefahren.
Auch für Max ist das Andenrennen das erste der Saison und ein guter Hinweis, ob Form, Material und Psyche schon bereit für den Weltserieneinsatz sind. Alle drei Stages laufen mehr oder weniger gut. Allerdings fällt es ihm im kargen Andenschotter relativ schwer, mit nur einem Trainingsrun, die Strecken exakt genug zu memorieren, um sie im Downhillmodus kompromisslos schnell hangab zu jagen. Jedes unnötige Zögern und zaghafte Bremsen kostet hier wertvolle Sekunden. Die staubigen Kurven, die beim Fotografieren unsere Herzen höher schlagen ließen, stellen sich im Renntempo als wirklich knifflig heraus. Max fühlt sich noch nicht ganz auf Weltserien-Niveau, ist aber zuversichtlich, sich mit jeder weiteren Abfahrt auf den erforderlichen Speed einzufahren. Fakt ist in jedem Fall, dass auch die anderen Fahrer über den Winter nicht geschlafen haben. Das fahrtechnische Niveau und die Geschwindkeit, mit der die Jungs auf den Strecken unterwegs sind, entwickelt sich rasend weiter.
Das Podium in La Parva wurde wieder einmal von der Enduro-Nation Frankreich dominiert. Jerome Clementz sichert sich den Sieg vor Nicolas Lau und Florian Nicolai.
# Max gibt alles auf den Stages. Die dünne Luft und die schnellen Trails fordern die Fahrer. (Foto © Matt Wragg)
# Ines auf dem Podium. Hinter Anne-Caro Chausson und Isabeau Courdurier. Träumt sie vom Sieg?
Ines auf dem Podium. Hinter Anne-Caro Chausson und Isabeau Courdurier. Träumt sie vom Sieg? Nach dem Rennen warten zwei ruhige Tage in Santiago, bevor es Anfang der Woche zum Ort des EWS-Rennens, nach Nevados de Chillan geht. Dort wird sich mit uns die gesamte Enduro Welt-Elite versammeln und ein rasantes Osterfest feiern. Wir sind gespannt auf die Strecken und das Rennen und freuen uns schon jetzt auf eine großartige Saison und ein weiteres erfolgreiches Enduro-Jahr.
Wir hoffen, dass sich die chaotische Situation in Valparaiso bald stabilisieren wird. Nach den Erdbebenaktivitäten der letzten Wochen hat sich nun ein Waldbrand von der ausgetrockneten Landschaft auf die Stadt ausgebreitet, die gerade die schlimmste Katastrophe ihrer Geschichte erleben muss.
Fotostory
# Gut gelandet: Chile empfängt uns mit wunderschönen Licht schon auf dem Rollfeld
# Guide Francisco zeigt uns erste spektakulär staubige Trails
# Nicht weit von der Stadt sind wir plötzlich fern von aller Zivilisation und radeln durch wüstentrockene Landschaft
# Angekommen in Valparaiso – mit dem Trolley durch die Gassen
# Sight-Seeing – dem Führer nach durch die bunte Stadt spazieren
# Bike + Gepäck am Morgen in Valpariso
# Puchuncavi-Trails. Gute Biketrails, die mit Glück und GPS-App sogar fast zu finden sind
# Siesta-Chileniana
# Abend am Meer
# Meerbusen – der Himmel ist zum erstenmal bedeckt und das Wetter gleich herbstlich kühl
# Zurück in Santiago – Trainingsfahrten mit Aussicht. Hochhäuser bestimmen das Stadtbild
# Training in La Parva. Auf den Spuren des Andes Pacifico jagen wir durch den Staub. Abstand halten ist unbedingt zu empfehlen. Wenn der Vordermann bremst
# Unterwegs zum Shooting. Team Canyon genießt die Aussicht auf der stundenlangen Shuttlefahrt
# Weiter geht’s zu Fuß. Fabien Barel trägt sein Rad vor spektakulärer Anden-Kulisse
# Oben angekommen genießt das Bike die Aussicht
# Der Trail startet. Ines rollt über die Felsen.
# Die Sonne geht unter, die Staubschutzbrille sitzt, Dunkelheit bricht herein und wir haben noch gut 1000 Tiefenmeter vor uns – das wird knapp.
# Ludo May und Joe Barnes scheint die drohende Dunkelheit nicht zu schockieren. sie genießen Trail, Panorama und Sonnenuntergang und haben jede Menge Spaß.
# Es wird dunkel. Wir sehen bald nur noch unsere Schatten vom Mondlicht und tasten uns langsam bergab
# La Parva- Racing mit Aussicht. Start von Stage 2
# Max jagt über die feinen Trails bei Puchuncavi
# Ines und Teamkollege Ludo vor dem Rennen. Picknick auf dem PickUp (Foto © Markus Greber)
# Ines gibt Gas. Mit Anne-Caro im Nacken wird es ein stressiger Tag auf den Trails
# Max im Rennen, karge Hänge, schnelle Trails durchs Geröll. (Foto © Matt Wragg)
# Sharing Trails II, auch in La Parva treffen wir Pferde und „Cowboys“ auf den Trails. Verrückt sind hier aber vor allem die Hunde, die uns Teils über Kilometer begleiten und während des Shootings gekonnt ins Bild rennen
# Ein weiterer Sonnenuntergang. Wunderschönes Licht, aber eindeutiges Zeichen dafür, dass wir uns nun beeilen sollten ins Tal zu kommen. Es wird wieder knapp
# Max staubt vor der untergehenden Sonne
# Florian Goral und Christian Walter genießen die letzten Meter der Abfahrt. Chile ist einfach unglaublich. Wir kommen definitiv wieder!
Video
Auf den ersten Tagen unserer Reise haben wir uns auch an der Videokamera versucht und ein erstes eigenes „Trainingsvideo“ geschnitten.
Chile – Trails auf Lunge von Max.Schumann – mehr Mountainbike-Videos
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Fotos: Markus Greber, Matt Wragg
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