Die beiden Rotwild-Teamfahrer und Mountainbike-Urgesteine Manfred Stromberg und Richie Schley haben sich zu einer Reise in die Provence aufgemacht, um sich nach schönen Freeride-Spots umzusehen – und in Zusammenarbeit mit Filmer Sebastian Doerk und Kamera-Hersteller Acme, der die Action-Kamera CamOne Infinity vertreibt, ein filmisches Experiment zu wagen. Der Erlebnisbericht kommt von Manfred Stromberg.
The Matrix von flowstyle auf MTB-News.de
„Mission Funghi“
Schweiß rinnt mir in die Augen. Meine Hände tun weh und der Rücken schmerzt. Ständig schlägt mir eine Metallstange ans sonnerverbrannte Bein. Was mach´ ich hier eigentlich?
Ich schleppe das Equipment für unsere tolle Matrix Kamera zurück zum Auto. Das aus Wasserrohren gebastelte Stativ ist nicht gerade handlich, droht mir aus den Fingern zu gleiten und haut mir gegen die Beine. Ein schwerere, dafür unhandliche Tasche baumelt an meinem Rücken. Soo nah ist das Auto leider doch nicht… Was machen wir hier?
# Rotwild mitten in der Provence
# Es gibt viel zum Auspacken
Losgezogen sind wir mit der Mission, eine neue Videotechnik auszuprobieren. Wir wollten den ersten Film seiner Art im Bikesport drehen. Endlich sind Kameras und Auslösetechnik so klein geworden, dass man das Rig (halbkreisförmig mit 40 Cams bestückt) halbwegs portabel in die abgelegensten Locations transportieren kann. Rotwild war schnell überzeugt, etwas Neues zu wagen und zusammen mit Acme (CamOne Infinity) gingen wir das Abenteuer an…
Theoretisch betrachtet ist das Ganze recht simpel…
Theoretisch betrachtet ist das Ganze recht simpel: Ein paar Dutzend Kameras werden in identischem Abstand habkreis-/ kreisförmig aufgereiht und wenn das Objekt im Sweetspot ist, simultan ausgelöst. Soviel zur Theorie. Die Praxis ist manchmal ein wenig komplizierter, wie wir bald erfahren sollten.
# Das Matrix-Konstrukt
Während Richie und ich in der Welt rumkurvten, entwickelte Sebastian Ideen für die Locations. Es war noch früh in der Saison, viele Trails noch schneebedeckt und so machen wir uns letztendlich auf den Roadtrip in die Provence. Während Richie seinen Porsche über die Alpenpässe peitscht, zuckeln wir gemütlich von der Mélange in Österreich zu Espresso in Italien und Café au Lait in Südfrankreich. frei nach dem Motto: Man fährt einfach zu wenig Auto (O-Ton von Tobi Woggon, einem, der es wissen muss). Endlich eingetroffen sind wir trailhungrig und unser Guide Thibaut nimmt uns mit auf den ersten Locationcheck. Gerade noch bestens aufgelegt, endlich den Autositz gegen den Sattel tauschen zu können, sinkt die Laune aber zunehmend.
Nach über zwei Stunden ist der optimale Spot noch immer nicht gefunden. Erst nach 2,5 Stunden kommen wir endlich in einen sensationellen Hang, den wir für geeignet zum Filmen befinden. Doch wie zum Teufel sollen wir unser ganzes Material dort hinbringen? Fernab jeglicher Zivilisation ziehen sich flowige Rinnen durch das schwarze Gestein. Aber stundenlange Schlepperei von Material ist wenig hilfreich, um in unserem knappen Zeitfenster fertig zu werden.
# Schaufeln in großartiger Landschaft
Es ist ein bisschen wie Pilze suchen: Du weißt, sie sind irgendwo da draußen, aber wenn man die Spots nicht kennt, kratzt man immer um ein Haar dran vorbei. Über unsere erste Frustration tröstet uns nur die französische Küche hinweg: Die Pilze hatte schon jemand anders gesucht (und gefunden) und so beenden wir mit Coq au vin den ersten Tag.
Ein weiteres Location-Scouting wurde früh für den nächsten Morgen angesetzt. Mit Hilfe von Satellitenbildern durchkämmen wir weiter die Gegend.
Immer wieder finden wir lässige Spots und Spuren der lokalen Freeride-Szene. Wade Simmons gibt telefonisch Auskunft über die „whereabouts“ des Roadgaps in New World Disorder („It’s somewhere out there really close…“). Schön, wenn man schon so lange im Geschäft ist und Gott und die Welt kennt. Ein weiterer Anruf von Richie bei Momo, dem Mountainbike-Paten der Provence, sorgt für zusätzliche Insider-Infos. Gleich schickt er „seine“ Jungs, um uns zu den wirklich besten Spots zu führen. Ein so grandioser Spot mit so vielen Möglichkeiten dürfte ziemlich einzigartig in Europa sein! Wir finden eine karge Mondlandschaft, mit vielen schmalen und steilen Rippen, einigen Anliegern und Sprüngen. Auch mein Fotografen-Herz geht auf. Bang. Das isses! Statt Pilzen haben wir Trüffel gefunden…
# Kicker bauen ist angesagt
Endlich kann es losgehen. Immer wieder finden wir neue Spots. Ein paar Sprünge hier, die wir mit einigen Schaufelhüben wieder flugfähig machen, ein paar Anlieger dort, in denen Achterbahn-Feeling aufkommt. Immer wieder rauschen wir durchs Gelände und ich klebe so dicht an Richies Hinterrad, dass ich kaum den Weg sehen kann. Filmtage sind lang und hart. Früh raus, den ganzen Tag kein Schatten und ständig Vollgas. Aber sie sind auch spaßig und spannend.
# Driften wie in Utah
Spannend ist auch die Umsetzung unserer „Mission“. Zunächst muss alles optimal vorbereitet werden: 40 Speicherkarten müssen nummeriert und geladen werden. Erste Tests liefern uns noch einiges an Ausschuss, da einige der Cams mit Vorserien-Optiken versehen sind, das Ergebnis kann man bestenfalls als neblig bezeichnen.
Die Akkus müssen geladen werden – eine schlafraubende Mission, da der Kurier die Ladegeräte in Deutschland hat liegen lassen
Die Akkus müssen geladen werden – eine schlafraubende Mission, da der Kurier die Ladegeräte in Deutschland hat liegen lassen, jeder USB-Slot wird genutzt, alle drei Stunden wird getauscht. Das ganze Equipment mit Stativen muss zum Drehplatz geschleppt werden. Wir investieren Stunden, um die Kameras für eine Einstellung aufzubauen und auszurichten.
Um dann nach ein paar Fahrten festzustellen, dass die Laufzeit der Akkus keine weitere Einstellung mehr zulässt! Bummer! Alles wieder zurückschleppen und die normale Kamera wieder raus. Dasselbe am nächsten Tag, nach einer Nacht mit ständigem Weckergeläute, um die Ladegeräte umzustecken. Aber die Location ist so großartig, dass uns nichts die gute Laune verderben kann. Wir finden wir immer wieder neue tolle Einstellungen und es dauert nie lange, bis Sebastian wieder “Kamera läuft“ ruft und wir Gas geben.
#Manni schießt über die Hügel
Ich schätze, dass ich einen Sprung für alle Einstellungen mit der Matrix, mit der normalen Kamera, diverser Winkel, als Einstieg, Ausstieg, mit Onboard-Camera und für Fotos insgesamt etwa 70-mal gesprungen bin. Richie zieht mich mit seiner Erfahrung in einige Lines, die ich sonst nie gefahren wäre. Einmal komme ich auf einem Grat vom Weg ab und schieße in Falllinie den extrem steilen Hand runter. Der Auslauf nach einem 1,5m Drop ist ungefähr 30 cm lang. Da drücke ich doch mal besser den „Exit“ Knopf. Nur ein beherzter Sprung über den Lenker rettet mich vor dem Verderben und voll von Adrenalin geht ein letzter Tag zu Ende.
# Tabletop
Fünf lange Tage liegen hinter uns: Time to party! Richie spendiert eine Flasche Champagner und wir lachen bis spät in die Nacht, ein gelungener Trip! Nicht alle Ziele haben wir erreicht, aber erreicht haben wir vieles. Vielen Dank an unseren Guide Thibaut, Sebastian und Richie für die gute Zeit. Danke auch für den technischen Support, auch wenn das noch ausbaufähig ist…
Viel Spaß beim Anschauen!
# Im Sonnenlicht über die Kuppe
28 Kommentare