Ich und meine Jungs haben heute beim Heimflug von Tel Aviv zurück in die Schweiz einstimmig beschlossen, dass wir zwar grad einen israelischen Abenteuertrip hinter uns haben, wir aber bald nochmals hinwollen, weil es einfach noch so viel mehr zu entdecken gibt.
Einiges hat uns überrascht in Israel, vieles war unerwartet. Beispielsweise waren wir alle auf einen Sommerurlaub eingestellt. Ich habe zwar die allertollsten Rad-Winterkleider zu Hause, aber wer hätte gedacht, dass ich die in der Wüste brauchen würde? Für eine Mütze, die ich unter den Helm anziehen kann, hätte glatt meine Baggies hergegeben. Und wer mich kennt, der weiss, dass mir meine Baggies heilig sind. Auch das Empfinden von Raum und Zeit ist in der Wüste irgendwie anders. Es gibt keine Bäume, die Sicht ist weit und irgendwann wird der Wüstenblick zu etwas Meditativem.
Das Singletrail-Netzwerk in der Wüste ist unendlich. Viele der Trails, die wir an den verschiedenen Orten gefahren sind, wurden von Hand geshaped. Aber genauso viele waren natürliche Trails, die über Tausende von Jahren durch Kamel-Karawanen entstanden sind. Kamele können anatomisch weder steile Steigungen noch „Abfahrten“ zurücklegen, deshalb suchen sie sich ihren Weg den Höhenlinien entlang. Für uns Mountainbiker bedeutet das, dass die natürlichen Trails wahnsinnig flowig sind und auch für Fahrer mit mittelmässigen Fitnessstand leicht zu bewältigen sind. Ideal also für einen Wintertrip in den Süden.
Das dreitägige Samarathon Etappenrennen hatte seine Homebase im Timna Park. Timna Park ist ein Nationalpark im Süden des Landes, der uns stark an die Landschaft des Grand Canyon erinnerte. Der Nationalpark ist bekannt für seine durch Erosion entstandene, pilzförmige Gesteinsformationen. Zudem beheimatet Timna Park das älteste Kupferbergwerk der Welt. Etwa 5500 v. Chr. wurden die Kupfervorkommen von Timna durch die Ägypter entdeckt und waren Gegenstand ägyptischer Bergwerksexpeditionen. Der Park ist übrigens auch hervorragend zum Wandern, Klettern oder jegliche andere Outdoor-Aktivitäten geeignet. Zudem gibt’s ein gewärmtes Beduinenzelt, warme Duschen und ein Restaurant.
Wer eine solche Mountainbike-Wüstenexpedition gerne mal erleben will, aber ohne den Druck eines Rennens und dem maximalen Wüstenerlebnis, kann einen Trip mit „Samar Desert Adventure“ buchen. Das Kibbuz Samar spezialisiert sich darin, organisierte Biketouren für jegliche MTB-Disziplinen zu veranstalten. Beherbergt wird man im Kibbuz selber, welches im Arava Tal liegt, ganz im Süden Israels. Samar wurde 1975 gegründet und ist heute eines der wenigen Kibbuzim, dessen Lebensstil noch immer nach originalen sozialistischen Idealen organisiert ist.
Der dritte Renntag startete total in der Pampa und ein freundlicher älterer Herr, der selber am Rennen mitfuhr, erklärte mir allerlei Wissenswertes, als er meine grossen Augen sah beim Schild: „Achtung! Schießzone! Eintritt verboten!“ Der dritte Renntag war ein Samstag. Im Judentum der siebte Wochentag genannt Sabbat, der ein Ruhetag ist, an dem keine Arbeit verrichtet werden soll. Deshalb können die Trainingszonen der Armee am Samstag problemlos von Mountainbikern genutzt werden. Am Samstag macht auch die Armee Pause.
Diese Information löste auch die vieldiskutierte Frage, warum es denn zum Frühstück kein Rührei gab und auch die Kaffeemaschine nicht lief. (Jaja, lacht nur, bei Etappenrennen wird die Nahrungsaufnahme zu einem vieldiskutierten Thema!) Praktizierende Juden betätigen am Sabbat weder elektrische Geräte noch betätigen einen Lichtschalter. Darum mussten auch wir auf den Instant-Kaffee zurückgreifen.
Wenn wir schon beim Essen sind: Die israelische Küche ist mega! Ein kreatives Sammelsurium zwischen arabischem, mediterranem und osteuropäischem Essen. Meine Geschmacksnerven jubelten täglich. Mein Favorit ist Shakshuka: Gut gewürzte Tomatensauce mit Gemüse, in die Eier geschlagen werden. Simpel, aber unglaublich lecker. Man gewöhnt sich übrigens schnell daran, Hummus, Shakshuka und Salat zum Frühstück zu essen. Nur vor dem Rennen hab ich auf Bewährtes vertraut. Das heißt nach der Anpassung, was es vor Ort halt grad so hatte: Cornflakes mit Hüttenkäse.
Jeder Trip ist nur so gut wie die Menschen, mit denen man die Erlebnisse und Eindrücke teilen kann. Meine israelische Reisecrew war einfach die Beste! Natürlich ist es relativ einfach, eine gute Reisegruppe zu kreieren, wenn man eine israelische Kollegin als Reiseleitung hat, die einem das letzte Unterhemd schenken würde und den Bruder und ein paar der besten Freunde im Schlepptau hat. Aber auch alle anderen Menschen, die unsere Reise für kurze Abschnitte mit uns teilten, waren wahnsinnig hilfsbereit und herzlich. Wir haben viele tolle Menschen kennen gelernt und herzlichste Gastfreundschaft erfahren.
Einen Wermutstropfen gab es dann bei der Ausreise. Mountainbike-Touristen sind im Moment in Israel (noch) so exotisch, dass man fest damit rechnen muss, dass bei der Ausreise der ganze Radkoffer wieder ausgepackt wird und jedes einzelne Teilchen separat gecheckt wird. Das braucht Geduld und viel, viel Zelt. Wir waren 3.5 Stunden vor Abflug am Flughafen Tel Aviv und diese Zeit haben wir auch absolut gebraucht. Hätten wir Skis oder ein Snowboard dabei gehabt, wäre es viel einfacher gewesen. Davon hatte es am Flughafen nämlich tausende.
Erkenntnisse
- freundliche Menschen
- Freundschaften
- Geschichten, die das Leben schrieb
- Mountainbiking is my religion
- Jeder Trip ist nur so gut wie die Menschen, mit denen man den Trip erleben darf
- Geduld beim Rückflug: Israel ist noch nicht ganz ready für Mountainbiker!
Weiterlesen? Alle Berichte von Nathalie zum Israel-Trip findet ihr hier:
- Nathalie Schneitter live aus Israel – Tag 0: Land of Creation
- Nathalie Schneitter live aus Israel – Tag 1: Prolog, Regen, Leadertrikot!
- Nathalie Schneitter live aus Israel – Tag 2: Teambuilding unter Geschwistern
- Nathalie Schneitter live aus Israel – Tag 3: Kämpfe, Krämpfe, Gesamtsieg!
- Nathalie Schneitter in Israel – Tag 4: Rückblick auf eine abenteuerliche Woche!
Über unsere Gast-Bloggerin
Nathalie Schneitter startete ihre internationale Mountainbike-Karriere im Jahr 2004 mit dem Gewinn des Cross-Country-Weltmeistertitels bei den Juniorinnen. Seither ist sie Vollgas auf den Rennstrecken dieser Welt unterwegs. In Jahr 2008 qualifizierte sie sich für die Olympischen Spiele in Peking und 2010 sicherte sie sich den Heimsieg beim Cross-Country-Weltcup in Champéry. Seit 2015 ist sie für das Team «Rose Vaujany fueled by UltraSports» unterwegs. Vollgas gibt Nathalie auch neben der Rennstrecke: Sie lacht viel, ist bisschen verrückt und tanzt in jeder möglichen Situation. Seit Herbst 2016 ist sie im Organisationsteam der Bike Days in Solothurn und des Urban Bike Festival in Zürich tätig.
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