Max Schumann und Ines Thoma erleben absoluten Bike-Enthusiasmus und herzlichste Gastfreundschaft in der Kaffeezone Kolumbiens. Die beiden berichten nicht nur vom grandiosen Enduro World Series Stopp in Manizales, sondern auch von ihren Erlebnissen auf ihrer einwöchigen Reise durch Kolumbien. Viel Spaß bei Text und Fotos:
In diesem Moment sieht die Enduro Weltserien-Familie eher aus wie ein Kegelverein auf Abschlussfahrt. Nach nur wenigen Stunden Schlaf und zwei langen Renntagen in den luftigen Höhen der chilenischen Anden sitzen wir dichtgedrängt am Montag Nachmittag im Flughafen Terminal in Manizales. Der „Terminal“ besteht aus einem kleinen Raum mit dem kürzesten Gepäckband aller Zeiten, auf dem drei Koffer einsam ihre Runden drehen. Ein Blick nach draußen, Flieger leer. Dann reisen wir vorerst also ohne Gepäck weiter. Aber eigentlich auch egal, Hauptsache es ist nicht mehr weit bis ins Bett.
Manizales stellt sich als eine richtige Stadt heraus, ungewöhnlich, da die EWS doch normalerweise eher hochalpine und im Sommer sehr ausgestorbene Örtchen aussucht. Hoch ist es trotzdem. Gelegen auf über 2000 Metern ist die Stadt aufgegliedert auf Hügeln und Bergen und die Straßen führen waghalsig hin und her und hoch und runter. Hier tobt das Leben. Für uns Mitteleuropäer fordert vor allem der Straßenverkehr ein leichtes Umgedenken. Wer zögert, verliert. Hier muss man am Gas bleiben und darf sich von Pferden auf der Fahrbahn oder mit zehn Mann beladenen Pick Up Trucks nicht aus der Ruhe bringen lassen. Um das Chaos herum eine wunderschöne grüne Dschungellandschaft. Kein Wunder, denn hier regnet es im Jahresschnitt fast so viel wie im schottischen Fort William (Anmerkung von Joe Barnes).
Nach einem ruhigen Track Walk Tag auf einigen der Rennstrecken fühlen wir uns besser und wagen uns das erste Mal aufs Bike. Die „Kaffeetrails“ führen durch eine pittoreske Landschaft aus Kaffee- und Bananenpflanzen und bieten die Möglichkeit, uns von den staubigen und gerölligen Trails in Chile an die komplett gegensätzlichen Bodenbedingungen zu gewöhnen.
Mit dem Start des Renntrainings beginnt auch der tägliche, sintflutartige Regen, der entweder nachts oder nachmittags gegen 14 Uhr einsetzt. Training absolviert, Go Pros gecheckt. Das Rennwochenende wird, umsäumt von tausenden begeisterten Zuschauern, von einem genialen City Prolog eingeläutet. Kurz aber knackig mit vielen Treppen, Geländern, Sprüngen und das vor einer Menschenkulisse, wie wir sie bei der EWS wohl noch nie gesehen haben. Absolut genial!
Auch am Sonntag kamen trotz der nächtlichen Regenfälle erneut viele Zuschauer an die Rennstrecken. Die Stages sind, um es kurz zu fassen, wild. Es ist so rutschig, dass sich der ein oder andere Rennfahrer zum Teil ohne Füßen auf den Pedalen bewegt. Mal Flow, dann wieder ein gigantisches Matschgelage. Aber das Schöne bei nassen Trails ist ja immer das Gefühl im Ziel. Dann, wenn es geklappt, man die Rinnen getroffen und den Drift zum richtigen Zeitpunkt aufgehört hat. Ines gelangten einige dieser genialen Momente und sogar ein Stagesieg. Am Ende der vierte Rang im Gesamtklassement. Das ist doch eine gute Versöhnung nach dem Defektpech in Chile.
Geschafft. Zwei Wochen EWS haben geschlaucht und so freuen wir uns wie die Dschungelkönige auf eine Woche Kolumbien mit Freunden. Und Bikes. Klar was sonst – Hakunamatata. Mit an Bord sind unser Allzeit-Reisebegleiter Ludo May, Max Chapuis und Paulo Valle. Paulo, ein herrlicher und bike-verrückter Costa Ricaner ist somit auch gleich unser Übersetzer, sehr praktisch!
Wir steuern gen Süden, vorbei am Las Nevados Nationalpark in das kleine Städtchen Salento. Der Ort, der ebenfalls in der „Kaffeezone Kolumbiens“ liegt, ist vor allem durch seine bis zu 60
Meter hohen Wachspalmen im Cocora- Tal bekannt. Dort haben wir hoch oben am Hang eine verrückte Villa im Kolonialstil gemietet. Eine Mischung aus Museum und Chill-Out-Lounge. Der perfekte Ort, um frischen Maracujasaft in der Hängematte zu schlürfen. Überhaupt können wir nicht genug von den Obstsorten hier kriegen: Lulo (Lieblingssaft), Coruba, Granadilla (beides Passionsfrüchte), Guanabana (genial mit Milch), Guayana, Mangos und viele mehr.
Die Trails in Salento befinden sich direkt in unserer Nähe und sind über Trailforks zu finden. Viele Kolumbianer haben uns über Social Media angeschrieben, Tipps gegeben, Hilfe angeboten, Trailbeschreibungen geschickt und sind absolut begeistert von diesem Gebiet. Ein Enthusiasmus und eine Gastfreundschaft, wie wir sie selten erlebt haben. Ähnlich wie schon in Manizales kann man hier die Uhr nach dem Regen stellen. Pünktlich um 14 Uhr öffnen sich die Himmelsschleusen und wir haben es trotzdem noch jeden Tag geschafft, nicht rechtzeitig zurück zu sein. Die Trails sind daher vom Wasser gezeichnet, machen aber trotzdem Spaß riesig Spaß. Oft befindet man sich in einer Bobbahnrinne und so kann es rutschen wie es will, irgendwo fängt es dich schon wieder auf. Falls wir einmal nicht mehr treten wollen, findet sich auch immer eine gute Shuttlegelegenheit. Die Leute hier helfen gerne und alles wird irgendwie möglich gemacht.
Nach ein paar Tagen auf dem Bike satteln wir kurzerhand um und wagen uns auf einen waghalsigen Pferderitt. Keiner von uns kennt sich mit Pferden aus und wir staunen nicht schlecht, wie geländegängig die Tierchen sind. Mit Hut und Poncho bewaffnet sehen wir zwar aus wie Touristen, fühlen uns aber wie echte kolumbianische Cowboys. Abends treffen wir die Locals in der Billard Bar, essen (jeden Abend) die unglaublich leckere Trucha (die lokale Forelle) oder besuchen Don Elias auf seiner biologischen Kaffeeplantage. Zum Abschluss dieser Bikereise besuchen wir noch die Kolumbiens Hauptstadt Bogota. Auch hier begegnet uns viel mehr Gastfreundlichkeit und Hilfsbereitschaft als Chaos und Kriminalität. Wir fühlen uns zu keinem Zeitpunkt in ernster Gefahr und genießen jeden Moment in diesem wunderbar bunten und lebendigen Land.
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