Die heiße Phase der MTB-Saison 2022 steht an! Nicht nur aufgrund des steigenden Thermometers im Hochsommer von Europa, sondern vielmehr wegen der anstehenden Renn-Highlights in den kommenden Wochen. Vier Weltcups innerhalb eines Monats versprechen Cross-Country-Action in Extase: Den Auftakt macht nun das Weltcup-Wochenende auf der Lenzerheide in der Schweiz – geschätzt und geliebt von Race-Profis und Fans seit vielen Jahren. Tausende Zuschauer werden abermals an der Rennstrecke erwartet, die den wohl vielseitigsten Rundkurs im Weltcupzirkus bietet. Wer setzt sich nach der etwas längeren Weltcuppause in Szene und bringt sich in der „Crunchtime“ des Weltcups 2022 in die Pole Position?
XC World Cup 2022 – Lenzerheide: Termine und Informationen
Die Lenzerheide, ein Hochplateau in den Schweizer Alpen, etwas mehr als eine Stunde Autofahrt von der deutschen Grenze entfernt, ist seit Jahren ein fester Begriff in der Mountainbike-Szene. 2015 gastierte der Mountainbike-Weltcup erstmalig am Fuße des prägenden Gipfels der Umgebung, dem Rothorn, und seitdem ist der Veranstaltungsort nicht mehr aus dem Weltcup-Kalender wegzudenken. Die Infrastruktur, welche im Rahmen eines groß angelegten Tourismuskonzepts aufgebaut wurde, ist ideal geeignet für Weltcuprennen und auch die Strecken werden von allen Beteiligten überaus geschätzt.
Die Strecke in Lenzerheide ist bekannt für ihre vielen Wurzelpassagen, die zugleich mit einigen spannenden, gebauten Features zu echten Herausforderungen werden können. Reine Kletterasse, wie sie beispielsweise in Albstadt und Leogang zum Zuge kamen, haben in Lenzerheide meist das Nachsehen, da nur ein längerer Anstieg ein gleichmäßig hohes Tempo ermöglicht. Ein weiterer entscheidender Faktor in Lenzerheide sind zumeist die Zuschauermassen, die Jahr für Jahr für eine fantastische Stimmung vor Ort sorgen und logischerweise vor allem die Schweizer Athleten um Top-Star Nino Schurter ganz vorne sehen möchten. Auch in diesem Jahr werden wieder mehr als 10.000 Zuschauer*innen an der Rennstrecke erwartet.
Zeitplan
Freitag, 08.07.2022
- 17:45 Uhr: Short Track, Frauen
- 18:30 Uhr: Short Track, Männer
Sonntag, 10.07.2022
- 8:45 Uhr: Cross-Country, U23-Frauen
- 11:05 Uhr: Cross-Country, Frauen
- 13:20 Uhr: Cross-Country, Herren
- 15:45 Uhr: Cross-Country, U23-Herren
Die Favoritinnen und Favoriten für das Podium
Short Track
8 Wettbewerbe, acht verschiedene Siegerinnen und Sieger: Seit der Einführung der Short Track-Disziplin im Jahr 2018 waren die Kräfteverhältnisse an der Spitze des Damen- und Herrenfeldes wohl noch nie so unklar verteilt wie aktuell. Der Rennausgang der Wettbewerbe in Lenzerheide, sowohl bei den Damen als auch bei den Herren, scheint absolut ungewiss.
Bei den Damen schafften bisher Pauline Ferrand-Prévot, Rebecca McConnell, Jolanda Neff und Loana Lecomte den Sprung aufs oberste Podest – folgt nun eine fünfte Fahrerin? In der Vergangenheit präsentierte sich besonders die Schwedin Jenny Rissveds in Lenzerheide stets in Bestform und konnte unter anderem den Short Track im vergangenen Jahr dort für sich entscheiden. Spannend wird allemal zu sehen sein, wie all jene Top-Fahrerinnen die einmonatige Weltcuppause überbrücken konnten und sich eventuelle Verschiebungen der Kräfteverhältnisse ergeben werden.
In der Konkurrenz der Männer könnte in Lenzerheide einmal mehr die Stunde von Luca Schwarzbauer, dem aktuell Gesamtführenden der Short Track-Sonderwertung, schlagen: Der Nürtinger überzeugte mit starken Vorstellungen bei den Short Tracks in Albstadt und Nove Mesto, hatte jedoch beim vergangenen Rennen in Leogang sichtbar Probleme mit den steilen und langen Rampen der dortigen Short Track-Strecke. In Lenzerheide fordert der Short Track wesentlich weniger Kletterfähigkeiten ab, sodass Schwarzbauer gegebenenfalls erneut zuschlagen könnte. Weitere Kandidaten für den Sieg im Short Track sind die drei weiteren Weltcupsieger dieser Saison: Alan Hatherly, Sam Gaze und Mathias Flückiger. Aber auch Nino Schurter, Vlad Dascalu oder Henrique Avancini könnten am Freitagabend aufs oberste Podest klettern.
Die beiden Allround-Talente Tom Pidcock und Mathieu van der Poel stehen in Lenzerheide nicht am Start: Beide sind parallel bei der Tour de France auf der Straße unterwegs.
Damen
Die Dominanz von Rebecca McConnell ist gebrochen, folgt nun dasselbe Spiel bei Loana Lecomte? Nach drei äußerst beeindruckenden Vorstellungen bei den ersten drei Weltcuprennen landete die Australierin Rebecca McConnell beim vergangenen Weltcup in Leogang erstmalig nicht auf dem ersten Rang. Die junge Französin Loana Lecomte nutzte die Gunst der Stunde und fuhr zu einem beeindruckenden Sieg mit großem Vorsprung, der alle Beobachterinnen und Beobachter in besonderer Weise an die drei vorhergehenden Erfolge von McConnell erinnerte. Denn genauso wie McConnell war Lecomte in Leogang eine Klasse für sich, den Kontrahentinnen ließ die Französin nicht den Hauch einer Chance. Kommt es jetzt also zum Machtwechsel an der Spitze des Frauenfeldes, zumal McConnell in Leogang „nur“ auf den siebten Rang fahren konnte?
Loana Lecomte scheint zumindest weiterhin in Bestform unterwegs zu sein, vergangenes Wochenende verteidigte sie souverän ihren nationalen Meistertitel vor ihrer ärgsten französischen Kontrahentin Paulien Ferrand-Prévot. Rebecca McConnell war seit dem Rennen in Leogang hingegen nicht mehr in einem international hochkarätig besetzten Rennen am Start, sodass offenbleibt, wie sie die vier Wochen zwischen dem Rennen in Leogang und nun in Lenzerheide überbrücken konnte.
Wie zuvor bereits angedeutet, könnte beiden vor allem die Schwedin Jenny Rissveds in die Suppe spucken: Rissveds kommt seit je her sehr gut mit der Strecke in Lenzerheide zurecht und fuhr in dieser Saison bereits mehrfach knapp am Sieg vorbei. Rang zwei in Albstadt und Leogang, Rang drei beim Rennen in Nove Mesto deuten auf eine konstante und besonders erfolgreiche Bilanz hin – der Schritt aufs oberste Treppchen wäre also eine folgende Konsequenz. Darüber hinaus gilt es weitere Top-Fahrerinnen wie die Niederländerin Anne Terpstra, die beiden Österreicherinnen Laura Stigger und Mona Mitterwallner und insbesondere das erfolgreiche einheimische Olympia-Trio Jolanda Neff, Sina Frei und Linda Indergand nicht zu unterschätzen.
Auch wenn die deutschen Fahrerinnen voraussichtlich wenig mit dem Kampf um die Plätze auf dem Podium zu tun haben werden, sind die Voraussetzungen im deutschen Lager vor dem Rennen in Lenzerheide so gut wie selten zuvor. Mit der deutschen Meisterin Leonie Daubermann sowie Nadine Rieder, Lia Schrievers und Nina Benz stehen vier Fahrerinnen am Start, die allesamt in der Lage sind, unter die Top 20 vorzufahren. Ob und wem dies letztlich gelingt, ist in gewisser Weise unklar, da die Ergebnisse aller vier Fahrerinnen in der jüngeren Vergangenheit sehr unterschiedlich waren. Dass es allen vieren gelingt, wäre ihnen jedenfalls zu wünschen!
Herren
„Nino Schurter fährt zum 34. Weltcupsieg – tausende Zuschauer feiern ihren Lokalhelden!“ Diese oder eine ähnliche Schlagzeile könnte am Montagmorgen in der Schweizer Tagespresse auf den Titelseiten stehen. Nach einem epischen Duell mit Landsmann Mathias Flückiger beim vergangenen Weltcuprennen in Leogang und einer knappen Niederlage für den Allzeitdominator der vergangenen Jahre dürfte das Augenmerk in Lenzerheider in besonderem Maße auf Nino Schurter gerichtet sein. Auf seiner Lieblingsstrecke und vor seinem geliebten Heimpublikum wird der Eidgenosse sicherlich besonders motiviert sein, sich einmal mehr in die Geschichtsbücher zu verankern. Bereits jetzt ist Schurter mit seinen neun Weltmeistertiteln und 33. Weltcupsiegen zweifelsohne „The Greatest of All Time“, doch in puncto Anzahl der gewonnenen Weltcuperfolge steht neben ihm immer noch der Franzose Julien Absalon in der Rekordliste. Diesen Namen möchte Schurter streichen und wo würde dies besser passen als vor heimischem Publikum in Lenzerheide?
Etwas gegen diesen Plan haben mit Sicherheit die weiteren Top-Fahrer dieser Saison: Mathias Flückiger, Sieger des Short Tracks und des Cross-Country-Rennens in Leogang, kommt immer besser in Schwung und dürfte nun bei seiner Höchstform angelangt sein. Der Rumäne Vlad Dascalu, zweimal Dritter, einmal Zweiter und einmal Vierter in dieser Weltcupsaison, wird mit Sicherheit auch in Lenzerheide wieder vorne angreifen und sich auf die Jagd nach dem ersten Weltcuperfolg in seiner Karriere machen. Außerdem kommen der Südafrikaner Alan Hatherly, Drittplatzierter in Leogang und Sieger des Short Track-Auftakts in Petropolis und der frisch gebackene französische Meister Titouan Carod für einen möglichen Erfolg in Lenzerheide infrage.
Aus deutscher Sicht ruhen die Hoffnungen auf einem Dreigestirn bestehend aus dem deutschen Meister Max Brandl, Luca Schwarzbauer und David List. Max Brandl konnte durch seinen Erfolg bei den deutschen Meisterschaften vor etwas mehr als zwei Wochen erstmalig nach einer Ellenbogenverletzung sein vollständiges Potenzial abrufen und scheint bereit zu sein, wieder in der Weltspitze ganz vorne anzugreifen. Luca Schwarzbauer hingegen zeigte insbesondere beim Weltcuprennen in Nove Mesto in dieser Saison, dass er in der Lage ist, unter die besten zehn Fahrer vorzudringen. Im Vorjahr gelang ihm erstmalig dieser Coup in Lenzerheide – wiederholt er dies nun? Und auch für der ehemaligen deutschen U23-Meister David List gilt, dass an einem guten Tag der Sprung nahe an die besten zehn der Welt möglich ist. Bisher hat List in seinem ersten Jahr in der Eliteklasse einen 22. Rang aus dem Rennen in Albstadt als bestes Ergebnis zu Buche stehen.
U23
Was Mona Mitterwallner kann, kann Martin Vidaurre schon längst! Dieser Gedanke kommt unweigerlich auf, wenn man aktuell die Ergebnislisten der U23-Klasse der Herren in dieser Saison studiert. Bei allen vier bisher durchgeführten Rennen schaffte der Chilene Martin Vidaurre den Sprung aufs oberste Podest und scheint auch bei den weiteren Rennen in keinster Form Gefahr zu laufen, von jeglichen Kontrahenten besiegt zu werden – genauso wie die Österreicherin Mona Mitterwallner, die im Vorjahr alle Wettbewerbe der U23-Klasse der Damen für sich entscheiden konnte. Der amtierende U23-Weltmeister Vidaurre ist klarer Favorit auf den Sieg in der U23-Klasse der Herren, alles andere als ein Erfolg von ihm wäre eine faustdicke Überraschung.
Im Feld der Damen konnte sich beim vergangenen Weltcuprennen in Leogang erstmalig in dieser Saison die Niederländerin Puck Pieterse durchsetzen. Davor triumphierte bei allen Rennen die Französin Line Burquier, die in Leogang erstmals als Zweitplatzierte das Nachsehen hatte. Sowohl Pieterse als auch Burquier präsentierten sich jedoch in der vergangenen Woche in starker Verfassung vor den anstehenden Highlights der Weltcupsaison: Burquier landete hinter Loana Lecomte und Pauline Ferrand-Prévot bei den französischen Elitemeisterschaften auf Rang drei, Pieterse schlüpfte unterdessen bei den U23-Europameisterschaften ins blau-weiße Trikot der Kontinentalmeisterin. Spannung in der U23-Klasse der Damen ist also garantiert!
Die deutschen Fahrerinnen und Fahrer scheinen weniger in den Kampf um den Sieg, sondern vielmehr in den Kampf um Top Ten-Plätze eingreifen zu können. Bei den U23-Damen gilt dies vor allem für EM-Siebte Luisa Daubermann und die deutsche Meisterin Finja Lipp. Bei den Herren hoffen Leon Kaiser und Lennart Krayer auf Top-Resultate. Insbesondere Kaiser dürfte mit hoher Motivation nach Lenzerheide reisen: 2018 feierte er dort seinen bis dato größten Karriereerfolg als Juniorenvizeweltmeister.
Wer kann im Schweizer Hexenkessel auf der Lenzerheide besonders auftrumpfen? Was denkt ihr?
Alle Artikel zum XC World Cup in Lenzerheide 2022:
- XC World Cup 2022 – Lenzerheide: Die Video-Highlights des Schweizer Dramas
- XC World Cup 2022 – Lenzerheide: Clash of Swiss Clans – XC-Fotostory
- XC World Cup 2022 – Lenzerheide: Brandl bricht sich das Schlüsselbein
- XC World Cup 2022 – Lenzerheide: Schweizer Drama beim Heimweltcup
- XC World Cup 2022 – Lenzerheide: Ergebnisse der XC-Rennen
- XC World Cup 2022 – Lenzerheide: Ergebnisse der Short Track-Rennen
- XC World Cup 2022 – Lenzerheide: Die Short Track-Rennen ab 17:35 Uhr im Livestream
- XC World Cup 2022 – Lenzerheide: Lasset die Kuhglocken klingeln! Die XC-Vorschau
Kommentare