Elisabeth Brandau und Karl Platt heißen die neuen deutschen Meister im Mountainbike-Marathon. Beim NISSAN Singen Bike-Marathon siegte Brandau nach 106 Kilometern mit 1:11 Minuten Vorsprung auf Adelheid Morath und 4:53 Minuten vor Anja Gradl. Bei den Männern distanzierte Platt seinen Teamkollegen Stefan Sahm um 1:31 und Hannes Genze um 2:47 Minuten.

„Eeendlich.“ Karl Platt (Osthofen) ballte die Fäuste, küsste den Asphalt vor dem Singener Rathaus und wusste kaum wohin mit seiner Freude. Der 30-jährige MTB-Profi war in den vergangenen Jahren immer wieder als Mitfavorit in die Marathon-DM und manchmal auch in eine Meisterschaft in der Olympischen Cross-Country-Disziplin gegangen, doch die Medaillen hatten immer andere gewonnen.

Bei der fünften Auflage der Marathon-DM war Karl Platt indes am Ziel seiner Träume. Als nach knapp 30 Kilometer immer noch eine 30-köpfige Gruppe an der Spitze zusammen war, drückte Platt dem Rennen zum ersten Mal seinen Stempel auf. Der Pfälzer verschärfte an einem steilen Asphaltanstieg in Weiterdingen fulminant das Tempo. Diese Attacke reduzierte die Spitzengruppe auf nur noch fünf Fahrer.

Außer den späteren Medaillengewinnern waren da noch der am häufigsten als Titelfavorit genannte Moritz Milatz (Freiburg) und Titelverteidiger Jochen Käß (Weil im Schönbuch) mit dabei.

Als es zum zweiten Mal, etwa bei Kilometer 70, den steilen Anstieg zum Hegaukreuz hinauf ging, musste Jochen Käß („war heute einfach nicht mein Tag“) abreißen lassen. Nach der Abfahrt ging es sofort in den nächsten Anstieg hinein. Dem fiel Milatz zum Opfer. „Für mich ist es keine Enttäuschung. Ich habe ja gesagt, Marathon ist etwas anderes und ich bin dieses Jahr noch keinen gefahren“, meinte Milatz, der es danach gemächlicher angehen ließ und erst als Neunter (10:49 Minuten zurück) ins Ziel kam.

An der Spitze blieben Hannes Genze (Sindelfingen), Stefan Sahm (Mössingen) und Karl Platt. Der Biker vom Team Bulls ergriff rund 15 Kilometer später erneut am Asphaltanstieg in Weiterdingen die Initiative. „Ich habe mir gedacht, Junge, heute hast du’s drauf und habe es mit der Brechstange probiert“, beschrieb er seinen entscheidenden Angriff. Teamkollege Stefan Sahm zögerte kurz aber zu lange. Dann war die Lücke da und die Entscheidung zum Schutz seines Teamkameraden gefallen. „Ich wollte Hannes natürlich nicht wieder heran führen. Die Beine zum Mitfahren hätte ich gehabt“, meinte Sahm im Ziel. Genze war indes nicht in der Lage Platt zu folgen. „Ich musste da erkennen, dass es nicht mehr geht“, sagte Genze, der zehn Kilometer später auch einer Tempoverschärfung von Sahm nicht mehr gewachsen war.

Karl Platt hatte zehn Minuten nach seiner Attacke bereits einen Vorsprung von 40 Sekunden und baute ihn auf über eine Minute aus. „Ich war unheimlich konzentiert und habe speziell auf den Flachstücken Tempo gemacht. Ich wusste, da habe ich Vorteile“, so Platt, der bekannte, dass er „irgendwann mal schlechte Beine“ gehabt habe. Als erfahrener Marathon-Biker ließ er sich davon aber nicht aus der Ruhe bringen.

„Endlich hat es geklappt“, sagte Karl Platt noch einmal und es mischte sich auch eine Spur Erleichterung in seine Freude. Stefan Sahm, mit dem Platt schon mehrere Etappen-Rennen für Zweier-Teams, wie die Trans-Alp-Challenge und die Trans-Germany, gewonnen hat, war über Silber glücklich. „Ich gönne es Karl von Herzen. Die Silbermedaille heute, kann ich mehr feiern, als 2006, als ich schon mal Zweiter war“, erklärte Stefan Sahm.

Moraths Angriff endet mit Sturz

Das Rennen der Damen war geprägt von einem forschen Angriff Elisabeth Brandaus. Die 22-Jährige aus Schönaich, die erst in diesem Jahr vom Straßenrad aufs Mountainbike gewechselt hat, lag bereits nach zehn Kilometern mit 40 Sekunden Vorsprung in Front. Dazu nutzte Brandau eine kleine Gruppe von männlichen Hobbyfahrern, in der sich auch ein Teamkollege von ihr befand.

„Ich dachte, ich fahr da mal deren Tempo mit und habe mich gewundert, dass keine der Damen mit gegangen ist“, schilderte Brandau diese Situation, die sich als entscheidend heraus stellen sollte, denn Brandau profitierte vom Windschatten der Männer, während Olympiasiegerin Sabine Spitz (Murg-Niederhof) sich alleine auf der Verfolgung befand. Ihr Rückstand wuchs nach 30 Kilometern auf 1:15 Minuten an, weitere 15 Kilometer später stieg Spitz aus.

„Ich empfand das unfair und konnte mich unter diesen Umständen einfach nicht mehr motivieren. Wir Frauen brauchen bei einer Meisterschaft einfach einen zeitlich abgesetzten Start“, erklärte Spitz.

Brandau wies die Vorwürfe später zurück. Sie hätte das nicht beeinflussen können und nachdem man ihr gesagt hätte, dass es ein Problem sei, hätte sie immer Abstand gelassen. „Ich finde es schade, dass Sabine so was sagt. Ich weiß, wie man faire Rennen fährt und ein unfairer Sieg wäre für mich auch nichts wert“, kommentierte Brandau das Geschehen. So richtig aufzulösen waren diese unerfreulichen Begleiterscheinung einer ansonsten stimmungsvollen und schönen Marathon-DM nicht.

Der Teamkollege von Brandau fuhr indes im letzten Renndrittel von Brandau weg, während die völlig ausgepowert an Krämpfen litt. Derweil kam Adelheid Morath von hinten immer näher. Die 24-Jährige aus Freiburg verringerte ihren Rückstand von ursprünglich sechs Minuten auf nur noch 30 Sekunden. Doch dann passierte der Rothaus-Cube-Bikerin eingangs eines langen Singletrails, rund zehn Kilometer vor dem Ziel, ein Missgeschick. Sie setzte mit dem Pedal auf und stürzte, so dass sie sich eine Schnittwunde am linken Auge zuzog, die später genäht werden musste. Dennoch hatte sie im Ziel nur 1:11 Minuten Rückstand.

„Ich ärgre mich wahnsinnig über mich selbst. Jetzt bin ich schon bei den Olympischen Spielen gestürzt und jetzt schon wieder. Es wäre noch alles drin gewesen. Ich kann mich gar nicht freuen, so ärgre ich mich“, sagte sie Kopf schüttelnd. Eine 53-Kilometer-Runde lang war Morath gemeinsam mit Anja Gradl unterwegs. Der 22-Jährigen ging langsam die Kraft aus, so dass die DM-Dritte im Cross-Country alleine die Verfolgung aufnehmen musste.

„Am Anfang war mir das Tempo zu schnell aber im Grunde hatte ich gute Beine“, sagte.

Überraschungsmeisterin Elisabeth Brandau konnte es im Ziel kaum fassen. Geplagt von Krämpfen, sagte sie: „Ich wusste, dass die Strecke technisch nicht schwierig ist und mir damit entgegen kommt, aber ich hätte nie gedacht, dass ich hier Deutsche Meisterin werden kann. Unterwegs dachte ich, hoffentlich reicht es hinten raus.“

Auf dem Bronzerang sah man eine glückliche Teamkollegin von Sabine Spitz. Die central-Ghost-Bikerin, die der Langdistanz eigentlich skeptisch gegenüber steht, krönte damit eine starke zweite Saisonhälfte. „Ich hätte nie erwartet, dass ich hier eine Medaille gewinne. Mit einem Top-Ten-Platz wäre ich zufrieden gewesen. Ich habe mit Adelheid so viel Tempo gemacht, dass ich vergessen habe zu essen. So hatte ich beinahe einen Hungerast“, erklärte Anja Gradl (Kastl).

Salscheider: Prima Zusammenarbeit

Als der letzte, der über 820 Teilnehmer am Rathaus die Ziellinie überquerte hatte, zog Stephan Salscheider von der veranstaltenden veranstaltenden SKYDER SPORTPROMOTION, die den NISSAN Singen Bike-Marathon zum ersten Mal ausrichtete, eine positive Bilanz: „Es ist schade, dass sich das bei den Damen so entwickelt hat. Das tut uns sehr leid. Aus organisatorischen Gründen, wie zum Beispiel die Straßensperren, konnten wir keine zwei getrennten Starts vollziehen. Ich bin aber mit dem Ablauf sehr zufrieden. Die Zusammenarbeit mit den Helfern vor Ort und auch mit der Stadt Singen hat prima geklappt. Beim ersten Mal ist das nicht selbstverständlich. Dass wir jetzt sogar über 800 Teilnehmer hatten, ist schon viel versprechend.“

Infos auf www.singen-bike-marathon.de

Text: Erhard Goller

  1. benutzerbild

    corfrimor

    dabei seit 07/2006

    Wär' die Spitz mal besser drangeblieben, statt später zu nörgeln.

    Solange die Bedingungen für alle gleich sind und das Reglement nichts anderes sagt, ist es - jedenfalls für leistungsorientierte (Spitzen)Sportler - eher ein Zeichen intelligenter Renntaktik als sportlicher Unfairneß, sich bietende Vorteile zu nutzen.

    Alles andere ist Kokolores oder eben Breitensport (was natürlich auch ok ist).

  2. benutzerbild

    dubbel

    dabei seit 12/2015

    spitz ist halt kein echter kerl.

  3. benutzerbild

    cycle-lisa

    dabei seit 09/2007

    hey,
    vielen dank für eure glückwünsche und für die interessanten Meinungen. Sommit wünsche euch noch allen einen schönen ausklang der bike-saison und genießt den Winter.. um mit elan in das frühjahr zustarten smilie

    viele grüße lisa

  4. benutzerbild

    easymtbiker

    dabei seit 12/2015

    Ich finds schade , daß hier ihr Sieg so abgewertet wird, schliesslich hat ja die Favoriten Spitz, Morath, Schwing und co. sicherlich niemand gehindert, an der Brandau dran zu bleiben und von der selben Gruppe zu profitieren. Es schaut doch vielmehr so aus, daß die mit viel Mut losgefahren ist und Glück hatte, daß ihre Taktik aufgegangen ist.
    dem ist nix hinzuzufügen.

    insofern: gratulation an lisa für diesen überraschungs- sieg! smilie

    smilie smilie smilie
  5. benutzerbild

    Mr. Teflon

    dabei seit 12/2007

    Hallo,

    ich finde es von S. Spitz einfach unsportlich den Sieg von Lisa so schlecht zu reden. Jede(r) hatte die gleichen Bedingungen. Lisa hat eine Chance wahrgenommen und es ging gut. Sie hätte sich genauso gut bei den Männern "tot" fahren können um dann kurz vorm Ziel von den Verfolgerinnen regelrecht überrannt zu werden. Solche Taktiken haben auch immer ein Risiko. Ich möchte Sabine nicht schlecht reden, ist ja schließlich unser Olympiaengel, aber sie sollte auf dem Teppich bleiben und nicht abheben, trotz den Aufstiegs in den "Olymp". Sie hatte einen schlechten Tag und muß ihn abhaken. Man muß auch einmal verlieren können. Das zeichnet wahre Größe aus.

    Tschau
    Mr. Teflon

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