Ausprobiert Pronghorn PR6 LT

Pronghorn PR6 LT - AusprobiertDas Bike
Titelbild

Das Bike

Auf dem Karton, in dem das Pronghorn kommt, prangt das Firmenlogo, ein stattlicher Hirsch – muskulös, erhaben streift er wohl durch dänische Wälder. So auch das Pronghorn? Das erste was beim Aufbau auffällt: Die hintere Bremsscheibe hat den Transport wohl nicht unbeschadet überstanden und einen heftigen Schlag, Schleifen und Singen der Shimano Deore XT Bremse sind vorprogrammiert. Auch die Zugverlegung macht Schwierigkeiten beim Aufbau, die Länge passt nicht exakt.

Der Aufbau

Als Gabel kommt eine DT 150EXC zum Einsatz, die, wie der Name schon sagt, 150mm Federweg bereit stellt und durch Carbon und 15mm Steckachse ein Gewicht von lediglich 1750g auf die Waage bringt. Weitere Merkmale: kein schneller Radausbau möglich, es müssen 4 Inbus-Schrauben gelöst werden, einstellbare Druckstufe, Zugstufe, Absenkbar und eine Launch Control, welche es erlaubt, die Gabel durch einen Stoß aus dem abgesenkten Zustand wieder auszufahren. Die Federhärte lässt sich leicht über den Luftdruck einstellen.

Das Dämpfungspendant am Hinterbau kommt aus dem Hause Fox: Der RP2 Dämpfer funktioniert nach dem Prinzip einfach und gut, seine Zugstufe lässt sich effektiv einstellen, außerdem verfügt er über die zuschaltbare ProPedal Plattform, welche Wippen effektiv unterbindet. Das Ansprechverhalten ist sahnig, der Dämpfer arbeitet viel und geschmeidig.

Die Schaltung übernimmt Shimanos XT Gruppe, bekannt und bewährt. Besonders hervorzuheben sind hierbei sicher die leichte und steife Kurbel, der Präzise Umwerfer und das schmale Shadow-Schaltwerk. Die Bremsen verrichten ebenfalls gute Arbeit, allerdings quietscht die Kombination mit Formula R1 Bremsscheiben doch erheblich! Negativ aufgefallen sind hingegen die Schalthebel, sie fühlen sich sehr billig an – eher Deore-Niveau. Der sogenannte 2-Way-Release zeugt nicht gerade von Konsequenz seitens der Japaner. Auf diese Weise funktionieren sie weder als Rapidfire noch als Trigger überzeugend. Auch sie sind seitlich verschiebbar, allerdings ist auch diese Verstellung nicht sonderlich unkompliziert zu machen.

Der Laufradsatz kommt, wie auch die Gabel, aus der Schweiz: Das Ex1750 N’Duro Laufrad ist leicht, steif, teuer und schön. Die Verbindung zum Boden stellen Schwalbes Nobby Nic vorne und Racing Ralph hinten her, eine grundsolide, klassiche Kombination.

Die Ausstattung komplettieren günstigere KORE Parts, die farblich auf das Bike abgestimmt sind – so ergibt sich ein Schwarz-Weißer, optisch stimmiger Gesamteindruck. Allerdings weiß ich bis heute nicht, ob den Designern die Ideen ausgegangen sind, oder ob alle meine Mitmenschen wissen müssen, wie lang meine Sitzstreben sind – anders kann ich mir nicht erklären, warum auf sämtlichen Rohren die Länge in großen weißen Ziffern auf den Zehntel-Millimeter genau angegeben sein muss! Ein integrierter Steuersatz reduziert die Höhe an der Front, die Griffe sind ungewöhnlich aber immerhin schraubbar und der Selle Italia passte zumindest für meinen Popometer recht gut.

Die Fahrt

Was fällt beim ersten Aufsitzen auf? Mit ausgefahrener Gabel wirkt das Bike recht hochbeinig, und so nimmt man auf dem LT-Hirschen hoch und, ebenfalls auffällig, weit hinten Platz. Das liegt zum einen an der langen Gabel, mehr noch aber sicher an der leicht gekröpften KORE Stütze. Einen richtigen Luftdruck in den Federelementen vorrausgesetzt passiert folgendes, sobald man auf dem PR6 Platz nimmt: Der Hinterbau sinkt sanft in seinen Sag – und die Gabel? Bleibt wo sie ist! In ihr ist die Reibung offenbar deutlich größer, sodass sie nur bei leichtem Drücken einfedert.

Bergauf auf dem Forstweg (mäßige Steigungen, kaum Schläge)

Pedaliert man das Pronghorn auf geebnetem Weg bergauf, so macht sich vor allem das geringe Gewicht bemerkbar: Das Laufrad lässt sich exzellent beschleunigen, die Reifen rollen leicht, Gabel Runter, Sattel hoch – an dieser Stelle eine kleine Unterbrechung, da am Pronghorn kein Sattelschnellspanner verbaut ist – und es kann losgehen. Wer jetzt aber heftiger in die Pedale tritt und eventuell sogar aus dem Sattel geht, wird zweierlei feststellen müssen:

1. Auf dem zweiten Kettenblatt schon leicht spürbar, auf dem dritten aber sehr stark vorhanden: Pedalrückschlag. Ein Blick auf die Rahmenkonstruktion erklärt dieses Phänomen, denn der Drehpunkt des abgestützten Eingelenkers liegt ziemlich exakt auf der Höhe des kleinen Kettenblattes, wodurch auf den anderen Kettenzug vorprogrammiert ist. Dieses Wippen lässt sich ebenso leicht auf dem über dem Oberrohr liegenden Dämpfer erkennen, wie es sich abschalten lässt: Ein klick am leicht erreichbaren ProPedal-Hebel und Ruhe ist im Hinterbau.

2. Zusammen mit dem Wippen tritt auf, was gemeinhin als Ghostshifting bekannt ist: Durch den schon erwähnten, schlecht verlegten Zug verändert sich die Zuglänge beim Einfedern, sodass parallel zum Wippen ein Gangspringen auftritt. Das ist ziemlich ungeschickt und nervig, lässt sich aber durch eine Zugneuverlegung verhältnismäßig leicht beheben.

Davon abgesehen fährt sich das Pronghorn entspannt bergauf, es sitzt sich bequem und die Sitzposition ist durchaus als effizient zu bezeichnen.

Technisch Bergauf (steil, holprig, eng)

Geht es steiler bergauf, kommt das erste Kettenblatt zum Einsatz, was in Sachen Pedalrückschlag sehr gut funktioniert. Ohne ProPedal feder der Hinterbau Wurzeln und Kanten im Sitzen sehr souverän bergauf, sodass man nicht durch Schläge gezwungen wird, aufzustehen. Diesen Zwang ruft dafür aber die Sitzposition hervor: Durch die gekröpfte Stütze sitzt man einfach zu weit hinten, um das Vorderrad am Boden und den Druck auf dem Pedal zu halten. Die absenkbare, leichte Gabel ist für den technischen Uphill wie geschaffen.

Auf ebenem / flowigem Trail

In der Ebene kann man auf dem Pronghorn gut Gas geben und kommt vom Fleck, das Fahrwerk filtert Schläge souverän raus und sorgt für Fahrspaß. Dabei fällt einmal öfter das minimale Losbrechmoment auf, was auch auf die gute Lagerqualität des Rahmens zurückzuführen ist. Höhere Geschwindigkeiten machen dem Fahrer des RP6 durchaus Spaß, da es mit seinen 445mm Kettenstreben als sehr laufruhig zu bezeichnen ist. Wer jetzt richtig Schwung mit durch Kurven nehmen will, wird aber enttäuscht, denn die Hinterbaukennlinie ist im mittleren Bereich des Federwegs deutlich zu flach, so dass derjenige, der sich aktiv in Kurven drücken will, im Federweg versinkt anstatt gepusht zu werden. Die Gabel könnte bei kleinen Schlägen gerne sensibler arbeiten, lässt aber in Sachen Steifigkeit und Verstellbarkeit keine Wünsche offen. Die Federwegsnutzung ist dabei durchaus angemessen, sobald sie erst einmal arbeitet, funktioniert sie exzellent.

Steil und eng bergab…

geht es dank der hochgefahrenen Gabel und dem voll versenkbaren Sattel gut, die Gabel sackt – wenn man die Compression etwas zudreht – nicht zu stark weg und der flache Lenkwinkel vermittelt viel Sicherheit. In engen Kurven zeigt sich das Pronghorn für seine langen Kettenstreben erstaunlich wendig, was wohl am relativ kurzen Oberrohr liegt.

Heftigeres Gelände bergab

Richtige Schläge sind, wonach es der EX150 steht. Dann arbeitet ihre Dämpfung und die innere Reibung ist zu vernachlässigen, wodurch sie schluckfreudig zu Werke geht. Anders dagegen der Hinterbau: Wenn sein weiches, mittleres Plateau erst einmal durchsackt ist, steigt die Kennlinie zwar wieder an, arbeitet dann aber schon recht weit komprimiert , was zu einer mäßigen Federungsqualität führt.

Und welcher Eindruck bleibt unterm Strich?

Das Pronghorn ist ein Cross-Country-Bike mit aufgeblasenem Federweg! Durch sein geringes Gewicht und die blockierbare Federung geht es schnell wie ein Hirsch in der Ebene voran und bergauf – bis es zu steil wird und die Sitzposition mehr verhindert. Solange der Trail nicht zu anspruchsvoll (verblockt) wird, ist es in seinem Element. In dem Moment aber, in dem man die 15cm Federweg spüren sollte, mangelt es beim Federungsverhalten und den leichten Komponenten. Wer ein Rad sucht, um bergauf und bergab zu etwa gleichen Teilen Spaß zu haben, ist mit dem PR6 gut beraten. Die 15cm Federweg dürfen aber nicht darüber hinweg täuschen, dass es sich hierbei keinesfalls um einen Freerider handelt, sondern um ein komfortableres Mountainbike, was sich neumodisch wohl All-Mountain-Bike nennen würde, und Komfort in allen gemäßigten Mountainbike-Lebenslagen vermittelt.

Tips: Ungekröpfte Sattelstütze und breiteren Lenker montieren!

Video zum Test

41 Kommentare

» Alle Kommentare im Forum
  1. @nuts

    Interessanter Testbericht und Video, auf jeden Fall weiter so smilie

    Im Punkt "Bremsdriften" kann ich mich Anselm_X Ausführungen nur anschließen. Als Einzelner speilt das sicher keine große Rolle, aber wenn viele oder alle Biker so fahren... du solltest auch nicht vergessen, dass Du bzw. ihr vom Team auch eine gewisse Vorbildfunktion habt.

  2. Ich habe jetzt auch das neue MTB Rider Mag vorliegen. Leider haben die Jungs aus Dänemark meine Tipps nicht beachtet und das Test-Bike ohne Sattelschnellspanner ausgestattet. Ebenso haben sie meine Anweisungen mit dem kürzeren Vorbau nicht umgesetzt. Sehr doofe Fehler werden schnell mit Kritik in den Tests belohnt... Auch die nach hinten gekröpfte Sattelstütze passt absolut nicht.

    Im Gegensatz zum Test von Nuts kommt das Fahrwerk in der MTB Rider gut weg. So unterschiedlich sind halt die Vorlieben und Empfindungen...

  3. Video is nett, Hintergrundmusi is geil - was isses nu fürn Track?
    Zum Bike: Die Form gefällt mir und die Maße auf den Rohren is ja auch mal ne coole Idee!

  4. Video is nett, Hintergrundmusi is geil - was isses nu fürn Track?
    Shazam sagt: Little Stereo - Teddybears feat. Daddy Boastin
  5. so, ich bin's mal wieder smilie

    Vielen Dank für das Lob für Video und Test. Musik wurde mittlerweile richtig erkannt, hab ich im "Abspann" ganz vergessen zu nennen. Bilder vom Helm werd ich bei Gelegenheit hochladen, sind aber auf der externen und die grad nicht zur Hand...

    Pronghorn ist übrigens pleite... und wieder gerettet. Aber das scheint nur ein Verzögern zu sein.

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