Drei Personen, eine in Weiß und zwei in gedecktem Blau füllen den Raum, in dem ich schicksalsergeben liege. Sie unterhalten sich, zwar in meiner Sprache, aber verstehen tue ich kein Wort. Die wichtige Konversation über die Erkenntnisse zu dem Ultraschallbild neben mir findet anscheinend ohne mich statt. Zumindest lassen das dumpfe Pochen und das Röcheln aus dem Lautsprecher darauf schließen, dass ich noch lebe.

Die Kompetenz in Weiß mit der angeborenen Autorität eines englischen Aristokraten sagt, dass ich ein Herz wie ein Ochse hätte. Sofort habe ich Bilder vor Augen: Üppige Wiesen im Transvaal und ein Treck Buren, die mit ihren sechsspännigen Ochsenkarren auf dem Weg in eine neue Heimat sind. Wie ein Ochse komme ich mir auch seit Wochen vor. Ich habe mich, wie eben jener Paarhufer, vor den Karren meiner Ambitionen spannen lassen. Nach dem Motto „Das geht schon wieder“, habe ich einfach mehrfach schon zur falschen Zeit zu viel gewollt. Das hat mir die Bedeutung der Abkürzungen DNF und DNS näher gebracht – und eine schmerzende Erkenntnis: Ein Muschi DNF fühlt sich so scheiße an wie eine Zecke am Hodensack.

Man soll ja denken, dass Sportler, die vom Kapitalertrag ihres Körpers abhängig sind, ihn auch dementsprechend sorgsam behandeln. Das darf häufig getrost mit NEIN beantwortet werden. Zu verlockend ist es, der Droge Sport zu verfallen. Der Versuch, seinem Körper den eigenen Willen aufzudrücken, muss aber nicht zwangsläufig von Erfolg gekrönt sein. Dabei muss noch nicht mal der Vorsatz des Übels Anfang sein. Es genügt schon nach durchstandenem Männerhusten zu früh wieder aufs Rad zu steigen.

Im großen Ganzen bin ich mir meines Körpers bewusst und weiß auch was er alles nicht braucht. Dies ist so eine klassische Ü40 Erkenntnis. Keine Zigaretten, wenig Alkohol und wenn es gut geht gesundes Essen. Ich folge dem Trend zum gesünderem Leben und schaffe es auch noch, dies mit dem Erlebnis der geilsten Sportart auf der Welt in Einklang zu bringen. Ich weiß, ich bin mit diesem Erlebnis nicht alleine.

Viele von uns fahren Rennen, der Eine ambitionierter als der Andere. Es ist toll, sich mit anderen messen zu können und seine eigenen Grenzen zu erfahren. Hier ist dann aber auch spätestens der Punkt erreicht, an dem man aufmerksamer sich selbst gegenüber sein sollte.
Am Beispiel von Ultralangstreckenfahrern ist schnell ersichtlich, wie enorm wichtig es ist, auf seinen Körper zu achten. Es wird wohl niemand bezweifeln, dass egal wie ambitioniert ein Sportler Ultralangstreckrennen fährt, dies grundsätzlich nicht die gesündeste Art und Weise ist, seinen Körper zu fordern. Wenn man nicht optimal auf die Herausforderung eingestellt ist, ruiniert man nicht nur das Rennerlebnis.

Darum gab es erst vor knappen drei Wochen ein Muschi DNF. Da schinde ich mich durch den Winter und hoffe darauf, dass diese unnötigen grippalen Infekte an mir vorbeigehen. Keine Chance, zwei meiner Mitbewohner sind Sammelstationen jedes nur erdenklichen Virus und Bakteriums. Besonders frustrierend aber ist, dass die zwei kleinen Prinzessinnen mit Rotznase weiterhin die Schulbank drücken können, während man selber eine Woche darniederliegt

Der Winter geht, der Frühling kommt alles wird gut, dachte ich. Die Formkurve stieg nach oben. Dann zwei Tage vor der Beskidy-Trophy in Polen, schlägt schon wieder so ein Virus in meinen Körper ein. Was morgens mit einem Kratzen im Hals beginnt mutiert innerhalb von 12h zu einem Reibeisen in meinem Rachenraum. Wahrnehmungsgestört durch die Vorfreude auf mein erstes Etappenrennen, hält zuerst eine gewisse Ignoranz Einzug. Erst die Telefonate mit Rennkollegen belehren mich eines Besseren. Schweren Herzens sage ich die Trophy ab. Am nächsten Tag stellt sich die Frage der Absage gar nicht mehr. Mein Körper macht Tabula rasa und trifft Entscheidungen, die absolut nicht in meinem Sinne sind.

Ich gebe nach, verbringe Tage im Bett, zwischen Liveticker und Bilderflut zum Erlebnis Beskiden. Die Frustration weicht einem jetzt erst Recht. Ich gebe alles, um den Genesungsprozess zu forcieren. Die 24h am Alfsee sollen meine Entschädigung sein.
Der Plan scheint aufzugehen, 12 Tage später, der See ruft. Aber schon auf der Trainingsrunde bei schwülen 28 Grad scheint irgendwie etwas nicht zu stimmen, mein Puls ist viel zu hoch, oder meine Sparrings-Partnerin Jana viel zu schnell. Das folgende Rennen wird zur persönlichen Katastrophe. Ein Durchschnittspuls von knappen 180 und Schüttelfrost lassen keinen Zweifel daran, dass irgendwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Es kommt was abzusehen war, Muschi DNF nach 50km. Ein anschließender Ruhepuls von 120 verheißt auch nichts Gutes.
Da habe ich wohl die Dose der Pandora geöffnet und nun treibt sich dieses Unwort in meinem Hirn herum, Herzmuskelentzündung. Alle kümmern sich, jeder ist besorgt. Viele Geschichten zum Thema Herzmuskelentzündungen machen auf einmal die Runde. Gefühlt hat nach dem Wochenende jeder Dritte schon mal solch ein Erlebnis gehabt.

2 Tage später, ein erster Versuch das Wochenende bei meinem Hausarzt aufzuarbeiten. Ein 80er Ruhepuls und ein leicht auffälliges EKG sprechen eine eindeutige Sprache. Ein Besuch beim Kardiologen ist unausweichlich, aber fast unmöglich. 3-4 Monate Wartezeit lassen meine Saison in Trümmern an mir vorbeiziehen. Was hatte ich mir alles vorgenommen.
Durch puren Zufall kann ich einen abgesagten Termin übernehmen und kann hoffentlich binnen Wochenfrist für Gewissheit über meinen gesundheitlichen Zustand sorgen. Eine Woche warten und ruhen, dann die erlösenden Worte, „Sie haben ein Herz wie ein Ochse. Alles bestens, aber……“
Da war was, eine Entzündung, eine Überanstrengung, etwas Vergangenes haben die Untersuchungen gezeigt. Es ist verheilt und ausgestanden, aber einfach so zur Tagesordnung übergehen, wird bei mir nicht mehr funktionieren. Früher, als ich noch unsterblich war, habe ich ja grundsätzlich jeden ärztlichen Rat zur Seite gewischt. Da die Erkenntnis mit dem Alter wächst, dachte ich eigentlich gut gerüstet zu sein. Meinem Körper und meinem Gesundheitszustand gegenüber bedarf es anscheinend mehr Aufmerksamkeit, als ich zu geben bereit war.

Damit werde ich wohl nicht alleine sein. Jeder sollte sich nach ausgestandener Krankheit fragen, ob man wirklich schon wieder bereit ist, dem Ruf des Trails zu folgen. So verlockend es ist, sich auf das Bike zu schwingen, so bitter können die Konsequenzen eines verfrühten Wiedereinstiegs in den Sport sein.

Sportiv zu leben ist manchmal halt nicht gesund genug.

In diesem Sinne, Think Pink – eure Muschi

Anmerkung: Für den Inhalt der Artikel aus der Serie “Muschi am Mittwoch” ist der benannte Autor verantwortlich. Die in den Artikeln vertretenen Ansichten und Meinungen spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider. Für Anregungen und Kritik steht der Autor hier themenbezogen in den Kommentaren und allgemein per privater Nachricht zur Verfügung.

  1. benutzerbild

    herb

    dabei seit 06/2008

    ......... ich trainiere aus Prinzip nicht und bin stolz jeden gefahrenen Km meines Radfahrerdaseins aus Spaß zurückgelegt zu haben.

    So was von auf den Punkt. smilie
  2. benutzerbild

    hepp

    dabei seit 05/2010

    So was von auf den Punkt. smilie
    Sorry aber das ist doch doofes Gelaber. Oder fahrt ihr immer mit dem Lift hoch, lasst Euch shutteln und rollt dann im Schritttempo runter?

    Wenn nicht, ist doch eine gewisse körperliche Fitness vonnöten, um hoch (und runter) zu kommen und die verbessert sich, je öfter ich das Ganze wiederhole. Und egal wie langsam und entspannt ich das mache oder eine Uhr im Spiel ist oder nicht, für mich definiert sich das als Training. Und bei diesem „Training“ kann ich mir unter ungünstigen Voraussetzungen auch als „Spaßfahrer“ eine Herzmuskelentzündung zuziehen, weil ich das ja gern tue, vielleicht auch dann, wenn es gesundheitstechnisch mal noch nicht sinnvoll ist. Dafür muss man keine Kilometerschrubber sein. Meine Meinung
  3. benutzerbild

    Norganic

    dabei seit 02/2008

    Sorry aber das ist doch doofes Gelaber. Oder fahrt ihr immer mit dem Lift hoch, lasst Euch shutteln und rollt dann im Schritttempo runter?

    Wenn nicht, ist doch eine gewisse körperliche Fitness vonnöten, um hoch (und runter) zu kommen und die verbessert sich, je öfter ich das Ganze wiederhole. Und egal wie langsam und entspannt ich das mache oder eine Uhr im Spiel ist oder nicht, für mich definiert sich das als Training. Und bei diesem „Training“ kann ich mir unter ungünstigen Voraussetzungen auch als „Spaßfahrer“ eine Herzmuskelentzündung zuziehen, weil ich das ja gern tue, vielleicht auch dann, wenn es gesundheitstechnisch mal noch nicht sinnvoll ist. Dafür muss man keine Kilometerschrubber sein. Meine Meinung

    ..... so was von auf den Punkt smilie
  4. benutzerbild

    zett3coupe

    dabei seit 11/2009

    24h Alfsee 2017 - Meine erste Solo Einzelfahrt ist nach 7 Runden beendet. Nun lese ich Muschi's Artikel und habe irgendwie ein Dejà vu. Es ist manchmal wirklich verhext, meine "Saison" lief so gut an, 4.000 Kilometer bis zum 10.06.2017 ohne Infekt abgeradelt, alles im Plan (bis auf das leidige Thema mit dem Gewicht) - quasi fit.

    Dann das Wochenende vor dem Event - ein schwer fahrbarer Bergtrail, eine Wurzel, eine steile Kante und ein Abgrund - die Schlüsselstelle - an der mir aufgezeigt wurde, wo meine Grenzen sind. Ich bin kräftig abgeflogen (Begleiter meinten, ich hatte eine lange Airtime), knalle mit der linken Schulter gegen den Baum und rutsche 2 m in den Abgrund. Nach erstem Check am Ort des Geschehens - alles gut, nix passiert, Schürfwunden, alles dreht sich, alles bewegt sich - SQ-Lab zerstört.

    Sa, So, Mo und Di keine Schmerzen - alles gut. Mittwoch wache ich auf und kann mich kaum aus dem Bett schälen - linke Schulter richtige Schmerzen (die Schulter hatte Kontakt mit dem Baum). Die Schmerzen tue ich ab, Zug bekommen, weil nachts bei offenem Fenster oben ohne geschlafen.

    Donnerstag Auto packen für Alfsee, Freitag Anreise, schmerzvolle Nacht im Zelt verbracht. Aber Samstag lächelnd und motiviert am Start zum 24h Ritt.

    Und es läuft eigentlich, Beine gut - ich kann 42'er Runden fahren, das passt - ich merke aber auch, dass die knüppelharten Wiesentrails (trotz Fully!) nix für meine Schulter sind. Pause nach 5 Runden - erste Überlegungen abzubrechen. Nein, dafür habe ich mich nicht bis heute bei Wind und Wetter durchgebissen, ich möchte nicht versagen.

    Also noch zwei Runden in den Abend gefahren. Auf meiner letzten Runde kommen mir die Tränen, weil ich merke es geht einfach nicht, alles andere außer abbrechen wäre die totale Unvernunft - zu mal ich mir auch nicht sicher bin, ob der Schmerz aus der Schulter kommt oder doch aus der Wirbelsäule.

    Die Vernunft siegt. Aber das tat echt weh - obwohl es ja um nix geht. Ich hatte 20 Runden auf dem Schirm, insgeheim 24 ("Jede Stunde eine Runde").

    Seit einer Woche versuche ich des Thema Schulter/Rücken in den Griff zu bekommen. Der Orthomann hat auf dem Rücken rumgedrückt, dabei hat es geknackt, der Schmerz ist heute noch da. Der Physio weiß auch noch nix mit mir anzufangen.

    Montag starte ich eine neue Runde beim Orthomann - ich muss schnell wieder auf das Bike, das 24h Stöffel-Race steht an, dort will ich finischen.

    Momentan sehe ich aber meine "Saison" auch in Trümmern an mir vorbei laufen.

    Insofern kann ich den Muschi Artikel super nachvollziehen und kann gerade das gleiche erleben. Immer den Kampf zwischen totaler Unvernunft, nämlich biken zu wollen und der notwendigen Ruhephase.

    Da muss ich durch.....(und jeder andere wohl auch)
    sportograf-99476053_lowres.jpg

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