Wer schon mal versucht hat, mit einem World Cup-Profi mitzuhalten, wird seine Position in der Nahrungskette sehr schnell neu beurteilen. Es ist zum einen deprimierend, aber auch ein Fest für die Augen, wenn man sieht, was auf einem Rad eigentlich wirklich möglich ist. In Kirchberg konnten wir eine Runde mit Brook Macdonald, Hans Rey, Sam Dale und Andrew Cho drehen und uns mal zeigen lassen, was denn auf einem Bike alles möglich ist. Freundschaften wurden geschlossen und Kontakte ausgetauscht. Wenige Monate später drehte sich für Andrew Cho sein Leben auf den Kopf und umso deutlicher blieb uns dieser Tag in Erinnerung.
Und dann änderte sich alles für Cho
Manchmal braucht es keinen Unfall, um ein Leben auf den Kopf zu stellen. Manchmal hat man einfach Pech. So lief es für Andrew Cho, der mit uns an diesem Tag noch eine gute Zeit auf dem Bike verbrachte. Einige Monate später riss in seinem Nacken, aus immer noch ungeklärten Gründen, im Hals eine Arterie und das austretende Blut lähmte ihn vom Hals an abwärts. Mit viel Glück im Unglück konnte er dennoch einen Notruf über sein Telefon absetzen.
In einer kurz darauf gestarteten Go-Fund-Me Kampagne spendeten Firmen, Fahrer und Biker aus aller Welt Geld um Reha und den Umbau von Wohnung und Auto finanziell abzusichern. Familie, Freunde und Bekannte halfen alle zusammen, um das Ziel zu erreichen. Auch wenn ihm noch ein langer Weg zurück aufs Rad bevorsteht – Andrew macht aktuell wortwörtlich jeden Tag Fortschritte und befindet sich auf einem guten Weg der Besserung. Wer ihn dabei begleiten möchte und unterstützende Worte hat kann dies auf seinem Instagram-Kanal machen.
Wir haben mit Andrew über seine aktuelle Situation und seine Zukunft gesprochen.
MTB-News.de: Danke, dass du dir Zeit genommen hast. Es hört sich so an, als ob du schon wieder auf dem Weg zur Reha bist?
Andrew Cho: Ja, ich wohne aktuell mehr oder minder hier im Reha-Zentrum. Ich habe 5 Tage die Woche Training: Das geht von 9 Uhr morgens bis 5 Uhr am Nachmittag. Nach 5 Uhr habe ich dann noch andere Behandlungen, wie Akupunktur, Massagen oder zusätzliche Physiotherapie. Im Grunde genommen ist es wie ein Full-Time Job.
Es war auf deinem Instagram-Kanal beeindruckend zu sehen, welche Fortschritte du gemacht hast! Hat man inzwischen herausgefunden, warum das Blutgefäß geplatzt ist?
Darüber wissen die Ärzte weiterhin noch nichts. Sie sagen, es passierte ohne Außeneinwirkung, was einfach irgendwie Pech ist. Bei der OP wurde alles wieder instand gesetzt. Anfangs war noch unklar wie mein Zustand nach der Operation sein würde und ob die Reha gut oder schlecht anschlagen würde. Wenn man das hört, dann belastet einen das schon und ich bin froh, dass ich gute Fortschritte machen kann. Da hatte ich wirklich viel Glück im Unglück.
Wagst du schon an Bikes zu denken und ob du wieder auf eins steigen kannst? Was sind deine Ziele?
Ja, natürlich wäre es schön, irgendwann wieder auf dem Bike zu sitzen. Anfangs war es sehr schwer abzuschätzen, auch die Ärzte konnten mir nicht wirklich sagen, was passieren würde. Ich habe mir dann zum Ziel gesetzt: In einem Jahr möchte ich wieder gehen können. Zu diesem Zeitpunkt war das verdammt optimistisch… denn ich war vom Nacken abwärts gelähmt.
Mit meinen aktuellen Fortschritten ist mein Ziel näher gerückt. Wenn alles weiter so gut läuft, kann ich nächsten Monat wieder alleine stehen und sogar gehen. Ich werde zwar eine Gehhilfe oder Krücken brauchen, aber ich denke es ist realistisch, dass ich innerhalb des nächsten Monats zumindest vom Bett bis ins Badezimmer laufen kann. Für längere Strecke werde ich wohl trotzdem noch den Rollstuhl brauchen.
Gemessen an meinem Zustand direkt nach dem Vorfall bin ich da schon sehr, sehr dankbar. Am 27. Januar, meinem Geburtstag, konnte ich das erste mal wieder aufstehen. Die Woche darauf haben wir das intensiviert, die Woche danach ging es an die ersten Schritten. Das war letzte Woche und ich hoffe, dass ich diese Woche weiter Fortschritte machen kann. Gehen ist eine so komplexe Bewegung, ich glaube es dauert noch ein bisschen länger, aber du hast es in den Posts meiner letzten Woche gesehen: Mein Stand wird immer stabiler.
Also erholen sich die Nerven in deinem Nacken?
Genau, die Nerven im Nacken heilen gerade. Man kann sich das Nervenende vorstellen wie einen Zopf, in dem alle Nervenbahnen zusammen laufen. Jede Nervenbahn ist wie eines der Haare, aber für ein anderes Gefühl zuständig, also Berührung, Druck oder Hitzeempfinden. Wir müssen jetzt darauf warten, dass diese Verbindungen nachwachsen oder auf anderen Kanälen wieder funktionieren. Nervenschäden brauchen aber sehr lange zum heilen.
Kannst du schon abschätzen, ob eine vollständige Heilung realistisch ist? Kann man das zeitlich voraussagen?
So gerne ich das wüsste – aber man kann das nicht einschätzen. Meine Ärzte haben mir auch klar davon abgeraten, eine Art Terminplan dafür zu erstellen. Es wäre wirklich schön, zum Ende des Jahres wieder Radfahren zu können. Natürlich nicht auf dem gleichen Level wie davor, aber zumindest eine Runde pedalieren. Ich glaube momentan, dass dies möglich sein könnte. Ich habe mir auch ein neues Ziel gesetzt: Ich will einen Halbmarathon laufen. Ob dieses oder nächstes Jahr weiss ich nicht, aber ich glaube wenn ich hart genug an mir arbeite schaffe ich das.
Du setzt dir hohe Ziele. Hilft dir das bei deiner täglichen Motivation?
Ja, definitiv. Es gibt da diese Dokumentation über Mike Shaw, die im Fernsehen lief. Er hat mich kürzlich sogar besucht. Mike ist Freeski-Profi und hatte sich das Genick gebrochen. Seine C3 bis C7 Wirbel sind jetzt komplett verschraubt, aber er lief nach 7 Wochen aus der gleichen Rehaklinik heraus, in der ich gerade liege. Er konnte zwar nicht normal gehen, sondern nur auf Krücken, aber es war eine große Inspiration für mich. Es war super mit ihm zu sprechen und er hat mir Hoffnung gegeben, dass die Verletzung a) vollständig verheilen wird und b) schneller verheilt als ich gedacht habe.
Du hast immensen Rückhalt aus der Bike-Gemeinschaft bekommen, das Ziel der Go-Fund-Me Aktion wurde sehr schnell erreicht.
Die Bikeszene hat natürlich eine große Rolle gespielt, aber die Kommentare und Spenden kamen auch wirklich von verschiedensten Leuten aus meinem Leben. Von Freunden aus der Grundschule oder deren Eltern, Klassenkameraden aus der Highschool oder Universität, mit denen ich nur einen einzigen Kurs hatte, aber die sich an mich erinnert haben. Es kam wirklich aus jedem Lebensabschnitt und nicht speziell aus einer Ecke. Ich kann diesen Leuten nicht oft genug danken, natürlich auch der Bike-Industrie. Das ist wie eine kleine Familie und sie alle stehen hinter mir. Aber keine Sorge Leute, ich werde euch nicht enttäuschen: ich werde wieder gehen!
Anders als manche Fälle aus den USA, bei denen Sportler im Ernstfall nicht von ihrer Versicherung abgedeckt sind, wohnst du ihn Kanada. Wie funktioniert das dort?
Die Kosten für Rückenmarks-Verletzungen und die Operationen sind gedeckt. Auch die Standard-Reha ist größtenteils gedeckt, aber ich werde in nächster Zeit nicht arbeiten können… ist ja nicht so, als wäre ich ein paar Tage krank. Es gibt aber auch Dinge, die nicht von der Versicherung bezahlt werden. Akupunktur oder zusätzliche Physio. Das summiert sich ganz schnell zu großen Summen auf. Ursprünglich war das Geld für eventuell anfallende Umbauarbeiten an Haus und Auto gedacht. Rückblickend glaube ich, dass es dafür zwar nicht gereicht hätte, aber ich hoffe wir kommen damit aus und ich komme schnell wieder auf die Beine.
Wir wünschen an dieser Stelle weiterhin alles Gute und sind glücklich über den Zusammenhalt in der Bike-Gemeinde!
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