Es scheint, als wären in diesem Jahr alle Enduro World Series etwa gleich; sehr weit weg und mit Schlechtwettergarantie. Für Millau sind wir aber guter Dinge, schliesslich liegt der Ort in Südfrankreich in einem für uns akzeptierbaren Radius von knapp 10 Autofahrstunden. Bei Abfahrt herrscht in Flims bestes Sommerwetter. So packen wir kurze Hosen, Sonnencreme, Bikini und mit dabei auch unsere temporäre Drillingsfrau ein, die Kanadierin Andréane Lanthier Nadeau. Echt gute Voraussetzungen, die lange Autofahrt kurzweilig zu überstehen.

Wir staunen nicht schlecht als wir in Millau einfahren, denn das Event-Gelände der Naturalgames, in dessen Rahmen das EWS-Rennen stattfindet, ist schon von weitem erkennbar. Eine riesige Bühne, wie wir sie nur von grossen Open Airs kennen, Boulderwand, Kajak-Parcours im Fluss und viele weitere spannende Sportarten. Alles ist sehr professionell und gut durchgeplant. Von der langen Fahrt müssen wir uns zuerst etwas erholen und genießen statt des Trackwalks in der prallen Sonne einen schönen Kaffeeklatsch mit unseren EWS-Mädels.
Zeit, noch mehr rumzutrödeln, gibt es keine. Schon am Mittwoch geht das Training los. Der erste Blick aus dem Fenster am Morgen ist aber enttäuschend – es regnet mal wieder. Die «Enduro Wet Series» lassen grüssen.

Im Training für die zwei Renntage können wir einen grossen Teil der Transfers mit dem eigenen Fahrzeug shutteln. Durch die Regelung, dass man auf den meisten Tracks nur einen Run machen darf, gestaltet sich dieses recht stressfrei. Aber vor allem auf den schwierigsten Etappen hätten wir einen zweiten Lauf nicht abgelehnt. Zwar ist das Wetter glücklicherweise im Training recht gut, der vorhergehende Regen hat aber einzelne Passagen in haarsträubende Rutschbahnen verwandelt. Wir wünschen uns regelrecht einen Anker herbei, denn die Bremskraft auf dem lehmigen Untergrund lässt zu wünschen übrig. Sich im Training schnell und komfortabel zu fühlen ist schier ein Ding der Unmöglichkeit. Spaß haben wir trotzdem jede Menge.
Die Trails, die zwischen einer Länge von einem bis drei Kilometer sind, haben einen extrem vielfältigen, aber sehr anspruchsvollen Untergrund; loses Gestein, Wurzeln und viele Felspassagen wechseln sich ab und sind oft gepaart mit schmierseife-artigem Dreck. Die natürlichen Tracks gefallen uns enorm und erinnern mit ihrem Charakter an die Abfahrten der Trans-Provence.



Bereits am Freitag starten wir zum ersten Renntag und das nicht unten beim Eventgelände, sondern oben am Berg. Damit wird uns zwar einen Anstieg erspart, aber trotzdem werden wir an diesem Tag mit fünf Abfahrtsetappen über 1700 Höhenmeter erklimmen müssen. Mit Stage 1 haben wir einen ersten Realitäts-Check, wie die Trails nach dem Regenfall und mehreren hundert Fahrern aussehen würden. Wir treffen auf viel rutschigen Untergrund, doch auch immer wieder relativ guten Grip. Die Verbindungsetappen sind alles andere als angenehm zu fahren und werden meist schiebend absolviert.
Die vierte Abfahrt des Tages ist sogleich die Köningsetappe. Auf dieser gilt es zahllos viele, enge Spitzkehren zu meistern – für uns oft ganz nach dem Motto «respectthetripod», mit einem Fuss am Boden und die Karre herumreissen- oder rutschen lassen. Auch die noch so guten Techniker hatten Mühe um die engen Spitzkehren zu kommen. Uns beiden gelingt ein sehr solider erster Renntag – Anita liegt auf dem zweiten und Caro auf dem fünften Platz.

Der Wunsch nach einem trockneren zweiten Renntag wird nicht erhört und das Wetter zeigt sich am Samstag von einer noch graueren Seite. Heute wird ein anderer Hügel befahren, wo sich auch der Boden etwas unterschiedlich zeigt – nämlich noch rutschiger! Die sechste Etappe ist dabei richtungsweisend für den Rest des Tages und der schmierig-klebrige Matsch kann nur mit guten Balancierkünsten und sanfter Fahrweise bezwungen werden. Immerhin hat es in einigen Stages auch noch ein paar Passagen, in denen man ordentlich am Gashahn drehen kann, wenn auch im Bewusstsein, dass die nächste knifflige Ecke schon bald lauert.
Dank beherzter Fahrweise – und mehrmaligem Luft anhalten – können wir erneut zwei top Resultate einfahren, mit Anita auf dem dritten und Caro auf dem fünften Rang. Nun freuen wir uns auf den baldigen Amerika-Trip mit zwei EWS-Rennen in Aspen/USA und Whistler/CAN sowie einem Rennen der California Enduro Series in Northstar/USA!









2 Kommentare
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Blog Gehrig-Twins: EWS Millau – Auf der französischen Rutschbahn zum Podium
Wieder sehr cool geschriebener Beitrag!
Schöne Bilder! Drücke die Daumen, dass die "Enduro Wet Season" in Millau geendet hat und Colorado mit Sonne und nicht mit Schnee und Regen aufwartet!
Sehr gut und eindrücklich beschrieben!
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