Fahrräder können nicht nur Spaß machen, sondern auch als Transportmittel Kindern den Zugang zu Bildung bieten, medizinischem Personal den Weg zu Patienten ermöglichen oder auch Unternehmer handeln lassen. Genau diese Punkte hat sich der World Bicycle Relief auf die Fahnen geschrieben.
Vor Kurzem trafen wir Kristina Jasiunaite, Geschäftsführerin von World Bicycle Relief Deutschland GmbH. Kristina kommt ursprünglich aus Litauen und hatte vor ihrem Wechsel zu World Bicycle Relief den österreichischen SRAM Distributor Kalnai Sports mitgegründet.
# Kristina Jasiunaite mit einem der Buffalo Bikes
MTB-News.de: Hallo Kristina, was genau ist der World Bicycle Relief?
Kristina Jasiunaite: World Bicycle Relief ist eine Hilfsorganisation, die sich zur Aufgabe erklärt hat, Grundmobilität mit Hilfe von Fahrrädern in Entwicklungsländern zur Verfügung zu stellen. Für die Leute, die sonst überhaupt keine anderen Alternativen haben als zu laufen.
Seit wann gibt es den Relief?
World Bicycle Relief wurde 2005 gegründet, nach dem Tsunami in Asien. Das erste Projekt was wir gemacht haben, wurde in Sri Lanka ausgeführt, da haben wir das erste Mal Fahrräder als Transportmittel eingesetzt. Mit den Transportmitteln konnte man auch in einem Gebiet, wo die Infrastruktur völlig zerstört worden ist, den Leuten helfen, schneller zum normalen Leben zurückzukommen. Sprich: Die Kindern, die überlebt haben, konnten Schulen im Landesinneren erreichen, weil die Schulen an der Küste einfach zerstört waren. Fischer konnten Fisch viel weiter transportieren und so weiter.
Wie viele Fahrräder sind darüber nach Sri Lanka gekommen?
In Sri Lanka haben wir damals 24.500 Fahrräder ausgeliefert.
Wer steckt hinter den World Bicycle Relief?
Einer der Mitgründer von Word Bicycle Relief ist F.K. Day. Er ist einer der Mitgründer und Miteigentümer von SRAM.
Wie sieht die tägliche Arbeit aus – welche Projekte werden durchgeführt?
Wir haben nach dem ersten Projekt im Sri Lanka einfach gemessen, wie gut es alles funktioniert hat – war das sinnvoll was wir da gemacht haben? Das Ergebnis war einfach überwältigend und das hat uns dazu motiviert, die Arbeit in Afrika fortzusetzen. Weil in Afrika viele, viele Menschen an Folgen von Armut und heilbaren Krankheiten sterben und auch keine richtige Entwicklung mitmachen können, weil sie die Entwicklung einfach nicht erreicht. Seit 2006 sind wir in Sambia und setzen von da aus unsere Arbeit fort.
Und wie sieht das konkret aus, werden dann Fahrräder irgendwo gebaut und hingeflogen oder was passiert genau?
Wir gehen da einen Schritt weiter und lassen die Teile nach Afrika kommen. Dort werden die Fahrräder mittlerweile in fünf Montagefabriken vor Ort montiert: Kenia, Sambia, Simbabwe, Südafrika und Angola haben eigene Montagefabriken.Wir beliefern damit auch Programme, die außerhalb dieser Länder liegen, also alles von Süd-Sudan runter bis nach Südafrika.
Und wer bekommt dann die Fahrräder?
Das teilt sich in zwei Gruppen auf. Einmal gibt es unsere philantrophischen Programme – das sind die Fahrräder, die wir im Programm herausgeben und die durch Spenden finanziert sind. Das heißt, die Empfänger müssen nichts dafür bezahlen. Beispiele dafür wäre Bildung, sprich Schüler und Lehrer, die extrem weite Strecken haben, um die Schulen zu erreichen oder Krankenpfleger, die sich um kranke Nachbarn sorgen und dann mit einem Fahrrad einfach viel mehr Patienten betreuen können als ohne. Die zweite Gruppe sind dann kleine wie große Unternehmen oder andere Hilfsorganisationen. Die kaufen sich die Räder mit Mikrokrediten. Die Auslieferung wird durch unser Subunternehmen Buffalo Bicycles abgewickelt. Also haben wir da eine ganz deutliche Trennung zwischen den zwei Bereichen.
Und wenn die Schüler dann plötzlich Fahrräder haben, hilft ihnen das viel?
Es ist enorm. Am besten erkläre ich es vielleicht am Beispiel von Vidi: ein Mädchen, 16 Jahre alt, in Sambia hat neun Kilometer zur Schule zu laufen – aber bevor sie überhaupt das Recht hat, die Schule zu besuchen, muss sie natürlich eine ganze Reihe Haushaltsaufgaben erledigen. Und eine der Hauptaufgaben ist das morgendliche Wasser holen. Das heißt, sie muss mehrmals zur Quelle laufen, um genug Wasser für vormittags für die Familie zu haben. Dann muss sie wahrscheinlich den Hof fegen, kochen, die kleinen Geschwister versorgen, um sich dann auf den Weg zur Schule machen zu dürfen.
Wenn sie dann abends nach Hause kommt, muss sie noch einmal Wasser holen – dann passiert auch schon öfters, dass die Sonne einfach untergeht und es ihr nicht einmal genug Zeit lässt, um die Hausaufgaben zu erledigen. Das heißt, ihre Schulleistungen sind nicht ausreichend, um lang genug auf der Schule zu sein – so fallen Mädchen oft viel zu früh durch das Raster.
Und gibt es da Zahlen dazu, habt ihr es untersucht?
Wir haben jetzt eine Studie bekommen, die zeigt, dass die Schulbesuchsraten bei Mädchen um 28 Prozent steigen, wenn sie die Räder bekommen haben – die Schulleistungen um ganze 59 Prozent. Und das ist einfach ein überwältigendes Resultat, das uns motiviert, weiter daran zu arbeiten, dass noch mehr Kinder leichteren Zugang zur Bildung haben.
Jetzt zu den Buffalo Bicycles – was ist das Besondere daran?
Buffalo Bicycles haben sich durch unsere Erfahrungen in afrikanischer Umgebung entwickelt. Wir haben gemerkt, dass die Fahrräder, die sonst im Markt verfügbar wären, nie eine gleichbleibend hohe Qualität haben. Daher müssen diese Räder ständig repariert werden, inklusive Rahmen, Gabel, Brücken und allem, alles was dazugehört. Und das ist natürlich keine nachhaltige Qualität, die sichert nicht, dass Schüler jeden Tag in der Schule aufkreuzen und dass die Unternehmer immer zuverlässig ihre Ware zustellen können.
So haben wir angefangen ein Produkt zu entwickeln, das auch den aller ärmsten Menschen der Welt eine Qualität liefern knann, auf die sie sich verlassen können. Und so ist nach und nach das Buffalo-Fahrrad entstanden. Das ist dafür designt, dass es mehr als 100 Kilo auf den Gepäckträger tragen kann: es hat einen verstärkten Rahmen, stabile Felgen, Speichen und auch die Reifen sind viel, viel widerstandsfähiger z.B. gegen Dornen als die meisten anderen Reifen auf dem Markt.
Wenn doch mal so ein Rad kaputt geht, was passiert dann?
In den Gebieten, wo wir unsere Programme ausführen, sorgen wir immer dafür, dass wir auch Radmechaniker ausbilden. Die Radmechaniker kommen zu Schulungen zu uns und lernen eine paar technische Sachen, aber auch Preiskalkulation und Marketing. Und dann sorgen sie dafür, dass die Fahrräder die im Markt sind, auch nachversorgt werden können, sprich: die holen sich die Ersatzteile vom nächstgelegenen Großhändler, die wir auch in den Städten installieren. So schließt sich der Kreis und die Räder bleiben am Laufen.
In den letzten Jahren hatten wir von euch die Kunstaktion angekündigt – mit welchen anderen Möglichkeiten kommt der Fund an Mittel, es muss ja weiter Geld zufließen?
Ja, da sind der Kreativität kaum Grenzen gesetzt: die Leute machen einfach das, was ihnen am meisten Spaß macht und wo sie vielleicht am besten drin sind. Die Sportler machen Fundraising durch Sportevents, Musiker veranstalten ein Konzert, Künstler bauen Kunstwerke, Schulen machen Schul-Events. Es kann bei Schul-Discos anfangen und dann zum sportlichen Event übergehen: Manche sagen auch: ich lasse mir zum Geburtstag statt Weinflaschen Fahrräder schenken – also ja, es ist sehr, sehr vielfältig.
Kannst du sagen, wie viel Geld nötig ist für ein Fahrrad?
Ja, gerne: Wir sagen, dass man im Schnitt mit 110 Euro ein Fahrrad finanzieren kann und ich sage im Schnitt, weil in den verschiedenen Ländern wo wir operieren die Preise voneinander natürlich abweichen – durch verschiedene Zoll- und Steuervorgaben und natürlich die lokalen Zölle. Aber im Schnitt 110 Euro.
Danke Kristina für das Gespräch!
Die Stiftung zeigt in einer Übersicht wo Mittel herkommen und wie sie verwendet werden:
# Mittelherkunft- und Verwendung
Mehr Infos dazu hier: http://www.worldbicyclerelief.org/our-story/governance
Buffalo Bike Fotos:
# World Bicycle Relief: Das Buffalo Bike
# extra robust: der Gepäckträger
# Integrierter Fahrradständer
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